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Studie

Verschwörungsglaube fördert Fremdenfeindlichkeit

Verschwörungsmythen spalten die Gesellschaft. Eine Studie zeigt: Wer sie glaubt, bewertet Minderheiten deutlich negativer. Besonders betroffen sind Muslime, Geflüchtete und Russen. Die Bundesregierung stellt eine neue Beratungsstelle vor.

Montag, 03.03.2025, 10:42 Uhr|zuletzt aktualisiert: Montag, 03.03.2025, 7:45 Uhr Lesedauer: 3 Minuten  |  

Verschwörungsgeschichten haben Hochkonjunktur – befeuert durch Krisen, soziale Medien und politische Akteure, die sie gezielt nutzen. Doch sie sind nicht nur harmloses Gerede am Stammtisch: Eine neue Studie zeigt, dass Verschwörungsdenken dazu beiträgt, Vorurteile gegen bestimmte Gruppen zu verschärfen. Besonders betroffen sind Geflüchtete, Muslime und Russen, während andere Gruppen weniger negativ beurteilt werden.

Für die Studie führten die Forschenden Eylem Kanol (Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung) und Rebecca Endtricht (Universität Hamburg) ein Umfrageexperiment mit mehr als 4.000 Teilnehmenden in Deutschland durch. Die Befragten wurden mit Verschwörungsgeschichten zu verschiedenen Themen wie Wirtschaft, Gesundheit oder Sicherheit konfrontiert – allerdings ohne, dass darin bestimmte Gruppen direkt genannt wurden. Anschließend sollten sie angeben, wie sie verschiedene gesellschaftliche Gruppen bewerten.

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Geflüchtete, Muslime und Russen am stärksten betroffen

Das Ergebnis ist eindeutig: Menschen, die mit solchen Erzählungen in Berührung kommen, neigen dazu, Minderheiten negativer zu sehen. Besonders stark betroffen sind Geflüchtete, Muslime und Russen, die bereits vor der Konfrontation mit den Geschichten schlechter bewertet wurden als andere Gruppen. Nach dem Experiment verschlechterte sich das Bild in fast allen Fällen noch weiter.

Juden und US-Amerikaner wurden hingegen insgesamt positiver eingeschätzt – und ihre Bewertung änderte sich auch nach der Konfrontation mit Verschwörungsmythen kaum.

Rechte und Linke reagieren unterschiedlich

Die Studie zeigt auch, dass die politische Orientierung eine Rolle spielt. Während Menschen mit rechtsgerichteten Einstellungen besonders auf Verschwörungsgeschichten zur Wirtschaft reagieren, sind es bei Menschen mit linken Einstellungen vor allem Erzählungen über Gesundheitskrisen, die Vorurteile verstärken. Wer sich in der politischen Mitte verortet, zeigt eine größere Widerstandskraft gegenüber solchen Erzählungen.

Besonders alarmierend ist die Erkenntnis, dass Verschwörungsglaube langfristige Auswirkungen haben kann. Frühere Forschungen deuten darauf hin, dass Menschen, die einmal von solchen Mythen überzeugt sind, ihre Einstellungen nur schwer wieder ändern – selbst wenn sie mit Fakten konfrontiert werden.

Wenn Misstrauen zum politischen Werkzeug wird

Die Ergebnisse der Studie sind hochaktuell, denn Verschwörungserzählungen sind längst fester Bestandteil politischer Debatten. Rechtsextreme Gruppen nutzen sie gezielt, um Misstrauen zu schüren und Ängste gegenüber Minderheiten zu verstärken.

„Verschwörungserzählungen verstärken in Zeiten von Unsicherheit und Krisen die Trennung zwischen ‚uns‘ und ‚denen‘ und fördern die Entstehung von Vorurteilen“, erklärt Eylem Kanol. „Angesichts aktueller Entwicklungen, wie dem Verzicht vieler Social-Media-Plattformen auf Faktenprüfungen und dem wachsenden Einfluss rechtsextremer Parteien, die oft auf Verschwörungstheorien Bezug nehmen, ist es wichtiger denn je, diese Auswirkungen zu erkennen und anzugehen.“

Aufklärung ist der beste Schutz

Der Schaden für das gesellschaftliche Miteinander ist demnach enorm: Wenn Menschen dazu gebracht werden, anderen Gruppen mit Misstrauen oder Ablehnung zu begegnen, werden Vorurteile verstärkt, gesellschaftliche Gräben vertieft und Konflikte geschürt.

Die Studie zeigt, dass Verschwörungsglaube mehr ist als ein Randphänomen oder harmlose Märchengeschichte, die man flapsig unter Freunden erzählt – er hat reale Auswirkungen auf das Zusammenleben.

Neue Beratungsstelle gegen Verschwörungserzählungen

Das haben offenbar auch die Bundesministerien für Inneres und Familie erkannt und fast zeitgleich zur Studie ein neues Projekt vorgestellt. Demnach können Personen, die sich ihrem Umfeld mit Verschwörungserzählungen konfrontiert sehen, ab sofort bei der neuen Anlaufstelle „Beratungskompass Verschwörungsdenken“ anonym Rat suchen. Die Beratung ist erreichbar unter der Telefonnummer 030/62937479 sowie im Internet.

Der „Kompass“ solle eine „leicht zugängliche Anlaufstelle“ sein, erklärte Bundesfamilienministerin Lisa Paus (Grüne). „Verschwörungserzählungen sind nicht nur Gift für unsere Demokratie, sie belasten auch Familien, Freunde und Kollegen von Verschwörungsgläubigen enorm.“ Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) nannte die neue Beratungsstelle einen wichtigen Baustein „in der ganzheitlichen Bekämpfung von Extremismus und Desinformation.“ (mig) Gesellschaft Leitartikel

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