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Obdachlos (Symbolfoto) © de.depositphotos.com

Neue deutsche Asylpolitik

Junge Geflüchtete bei Minusgraden aus Unterkunft geworfen

Eine junge Geflüchtete wird bei Minustemperaturen auf die Straße gesetzt. Sozialleistungen gestrichen, sogar Rückforderungen gestellt. Das sieht das neue „Sicherheitspaket“ vor. Doch ein Gericht stoppt die Maßnahme. Der Fall empört – nicht nur Pro Asyl.

Montag, 03.03.2025, 10:50 Uhr|zuletzt aktualisiert: Montag, 03.03.2025, 10:52 Uhr Lesedauer: 2 Minuten  |  

Die Verschärfungen im Asylgesetz – auch „Sicherheitspaket“ genannt – sind kein halbes Jahr alt und schon sorgen sie für Empörung: Eine junge Geflüchtete wurde Mitte Februar in Deutschland obdachlos, nachdem ihr aufgrund einer neuen gesetzlichen Regelung sämtliche Sozialleistungen gestrichen wurden. Sie landete bei Minustemperaturen auf der Straße, bis ein Gericht entschied, dass diese Praxis verfassungs- und europarechtswidrig ist.

Der Vorfall ereignete sich in einer der wohlhabendsten Kommunen Deutschlands. Die Frau, die dem Dublin-Verfahren unterliegt, sollte laut Behörden nach Kroatien ausreisen. Ihr wurden nicht nur sämtliche Sozialleistungen entzogen, sondern es wurden auch Rückforderungen gestellt. Die Menschenrechtsorganisation Pro Asyl alarmierte eine Anwältin, die umgehend beim Sozialgericht Karlsruhe Beschwerde einlegte. Das Gericht entschied innerhalb weniger Stunden, dass der Ausschluss von Sozialleistungen gegen das Grundgesetz und das Europarecht verstöt. Die Frau durfte daraufhin wieder in ihre Unterkunft zurückkehren.

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Gerichte bescheinigen Regelung Unrechtmäßigkeit

Hintergrund des Falls ist das sogenannte „Sicherheitspaket“, das am 31. Oktober 2024 in Kraft trat. Es sieht vor, dass ausreisepflichtige Menschen im Dublin-Verfahren keine Sozialleistungen mehr erhalten. Ziel der Regelung ist es, Geflüchtete zur freiwilligen Ausreise zu bewegen. In der Praxis zeigt sich jedoch, dass viele Dublin-Staaten Schutzsuchende nicht aufnehmen oder keine menschenwürdige Unterbringung gewährleisten. In Ländern wie Italien oder Bulgarien droht Betroffenen oftmals Obdachlosigkeit.

Mehrere Gerichte haben die Regelung bereits als unrechtmäßig eingestuft. Sozialgerichte in Karlsruhe, Speyer, Nürnberg, Landshut, Osnabrück, Darmstadt und Trier sehen Verstöße gegen Artikel 1 des Grundgesetzes (Menschenwürde), Artikel 20 (Sozialstaatsprinzip) sowie die EU-Aufnahmerichtlinie, die eine Mindestversorgung für Asylsuchende garantiert. Bereits 2012 hatte das Bundesverfassungsgericht entschieden, dass das Existenzminimum nicht gekürzt werden dürfe, um migrationspolitische Ziele zu erreichen. Nach aktueller Rechtsprechung müssen deutsche Gerichte europarechtswidrige Gesetze unangewendet lassen.

Pro Asyl an Politik: Grund- und Europarecht achten

Trotz Warnungen von Expert:innen wurde die Regelung umgesetzt, was zu zahlreichen rechtlichen Auseinandersetzungen geführt hat. Einige Bundesländer, darunter Rheinland-Pfalz, haben bereits Maßnahmen ergriffen, um die Regelung in der Praxis abzuschwächen. Kommunen setzen Geflüchtete nicht immer auf die Straße, da sie aus sicherheits- und ordnungspolitischen Gründen doch wieder untergebracht werden müssen.

Pro Asyl rät Behörden, menschenrechtliche, verfassungsrechtliche und europarechtliche Vorgaben zu achten und „sich nicht in zahllosen überflüssigen, aufwändigen Gerichtsverfahren korrigieren zu lassen“. Die künftige Bundesregierung solle daraus lernen und „lieber gleich gewissenhaft auf Grund- und Europarecht“ achten. Pro Asyl bezweifelt, dass die Regelung aus dem Sicherheitspaket künftig Bestand haben wird. Aktuell Panorama

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