
Trumps Politik
Schutz in Mexiko statt in den USA
Die Hoffnung Tausender süd- und mittelamerikanischer Geflüchteter liegt nach dem Amtsantritt von US-Präsident Trump in Trümmern. Das meist als Durchgangsland gedachte Mexiko könnte eine Chance bieten – mit vielen Hürden allerdings.
Von Natalia Matter Mittwoch, 12.02.2025, 12:50 Uhr|zuletzt aktualisiert: Mittwoch, 12.02.2025, 12:50 Uhr Lesedauer: 4 Minuten |
„Es war nie mein Ziel, in die USA zu gehen“, erzählt Yunaisy Quintero Hernández fröhlich. „Die Kubaner sagen, es ist das Wunderland, ich weiß nicht, woher sie das haben.“ Die 45-Jährige lebt in Guadalajara, der zweitgrößten Stadt Mexikos, und arbeitet beim Werkzeug- und Armaturenhersteller Urrea. Vor knapp drei Jahren ist sie aus Kuba geflüchtet, lebte einige Zeit in Costa Rica und kam nach einer schwierigen Reise mithilfe von Schleusern an der mexikanischen Südgrenze an.
„Mexiko war immer mein Plan“, sagt Quintero und strahlt. „In den USA wird man diskriminiert, wenn man kein Englisch kann, findet man keinen Job, und wenn man einen findet, muss man die ganze Zeit arbeiten.“ Sie arbeite acht Stunden am Tag und hole nebenbei noch ihren Schulabschluss nach, weil ihrer in Mexiko nicht anerkannt werde. Die Frau mit dem zugleich warmherzigen und verschmitzten Lächeln ist eigentlich Krankenschwester und hofft, irgendwann mal wieder in dem erlernten Beruf arbeiten zu können.
Mexiko mehr und mehr Zielland
Ihre derzeitige Stelle wurde ihr vom UN-Flüchtlingshilfswerk UNHCR vermittelt, das Asylsuchende nach ihrer Anerkennung dabei unterstützt, in wirtschaftlich wichtigen Städten einen festen Job zu bekommen. Fast 50.000 Personen wurden den Angaben zufolge bisher auf diese Weise vermittelt. Es fehlten Arbeitskräfte in Mexiko, sagt Regina de la Portilla vom UNHCR, ob in Textilfabriken, im Dienstleistungssektor oder in mittelständischen Unternehmen. Auch die Bezahlung liege deutlich höher als in den südlichen Nachbarländern.
Das Durchreiseland Mexiko hat sich in den vergangenen Jahren mehr und mehr zum Zielland für Menschen entwickelt, die vor Gewalt und Armut in ihrer Heimat fliehen. Sie kommen vor allem aus Mittelamerika, Kuba und Venezuela, aber auch zunehmend mehr aus Asien, Afrika und Osteuropa. 2021 bis 2023 gehörte Mexiko zu den fünf Staaten weltweit mit den meisten Asylanträgen. 2023 lag die Zahl laut UNHCR bei 140.000 aus mehr als 100 Ländern, die Anerkennungsquote bei fast 70 Prozent. Außerdem durchqueren jedes Jahr Hunderttausende Menschen das Land auf dem Weg in die USA, zugleich fliehen Hunderttausende Mexikanerinnen und Mexikaner innerhalb des Landes vor der Banden- und Drogengewalt.
Asylanträge in Mexiko spürbar gestiegen
Die hohe Asyl-Anerkennungsquote liegt auch daran, dass Mexiko ein lateinamerikanisches Flüchtlingsabkommen von 1984, die Cartagena-Erklärung, vergleichsweise vorbildlich umsetzt. So gewährt das Land Asyl nicht nur bei gezielter, persönlicher Bedrohung, sondern auch, wenn der Staat seine Bürgerinnen und Bürger nicht vor grassierender Gewalt schützt.
Für Zehntausende Menschen, die aufgrund der Abschreckungs- und Abschiebepolitik der neuen US-Regierung in Mexiko stranden, könnte dies ein Hoffnungsschimmer sein. Tatsächlich sei die Zahl der Asylanträge im Dezember und Januar spürbar gestiegen, sagt UNHCR-Sprecherin De la Portilla.
Mexikanisches Asylsystem überfordert
Doch das mexikanische Asylsystem war bereits davor überfordert. Seit der Amtsübernahme von US-Präsident Donald Trump sind die Büros der für die Hilfe für Geflüchtete zuständigen Behörde Comar vollkommen überlaufen. Zugleich fällt das Budget der Behörde mit 47 Millionen Mexikanischen Pesos (rund 2,2 Millionen Euro) in diesem Jahr mehr als acht Prozent geringer aus als 2024.
Die mexikanische Regierung möchte am liebsten, dass die Schutzsuchenden in ihre Heimat zurückkehren und hat auch schon aus den USA abgeschobene Flüchtlinge mit Militärfliegern in ihre Heimat gebracht. „Aber über 50 Prozent der Menschen, die hier ankommen, haben Anrecht auf Asyl, weil sie vor Gewalt fliehen“, sagt De la Portilla.
Trumps Politik zeigt Wirkung: Migranten kehren um
Update: Angesichts der verschärften Einwanderungspolitik unter Präsidenten Trump haben Richtung USA strebende Flüchtlinge in Mittelamerika den Rückweg in ihre Heimat angetreten. Dutzende Menschen überquerten am Dienstag (Ortszeit) unerlaubt die Grenze zwischen Costa Rica und dem südlichen Nachbarstaat Panama, wie die Grenzbehörde Senafront mitteilte. Laut dem Fernsehsender TVN wurde eine Gruppe aus rund 200 Menschen, die größtenteils aus Venezuela stammen, nach einem Gedränge von der Polizei gestoppt und vorerst nach Costa Rica zurückgeschickt.
Panama wolle die Rückkehr der Menschen in ihre Heimatländer geordnet und sicher abwickeln, begründete Panamas Sicherheitsministerium das Vorgehen. Nach einem Treffen mit Vertretern Costa Ricas sei vereinbart worden, die Flüchtlingsbewegungen in umgekehrter Richtung koordiniert zu steuern. Die Menschen sollen demnach zuerst registriert und dann auf dem Seeweg oder per Flugzeug in ihre Herkunftsländer zurückgebracht werden. Vorbestrafte Menschen sollen zudem rechtzeitig identifiziert werden.
Unternehmer stellen Flüchtlinge ein
Und Unternehmen wie Urrea setzen auf Geflüchtete. Der Werkzeughersteller hat Dutzende unbesetzte Stellen. „Flüchtlinge sind sehr motiviert und zuverlässig“, sagt Personalerin Fátima Ochoa. Bei mexikanischen Beschäftigten sei die Fluktuation viel höher.
Yunaisy ist seit mehr als einem halben Jahr im Unternehmen, wo sie mehrere Bereiche durchlaufen hat. Derzeit sortiert sie in einer Halle mit riesigen Regalen Einzelteile nach Gewicht für den Transport. „Es ist hier sehr fortschrittlich im Vergleich zu Kuba, ich fühle mich hier wohl, verstehe mich gut mit meinen Kolleginnen.“ Ihren zwei erwachsenen Söhnen und ihrer kleinen Enkelin schickt sie regelmäßig Geld und legt zudem etwas für ein Häuschen zurück. „Ich bekomme Hilfe für eine Familienzusammenführung, damit die drei nachkommen können.“ (epd/dpa/mig) Aktuell Ausland
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