Flüchtlingspolitik
FDP verärgert mit Neun-Punkte-Plan Koalitionspartner
Mehrere Bundesländer haben Forderungen in der Migrationspolitik gestellt. Jetzt greift die FDP diese auf – und macht damit Druck auf seine Koalitionspartner. Asylbewerbern sollen nur noch Bett, Seife und Brot bekommen. SPD und Grüne sind genervt.
Montag, 07.10.2024, 16:29 Uhr|zuletzt aktualisiert: Montag, 07.10.2024, 16:33 Uhr Lesedauer: 4 Minuten |
Die FDP will in der Ampel-Koalition einen härteren Kurs in der Migrationspolitik durchsetzen. Dazu beschloss der Fraktionsvorstand nach Informationen der Deutschen Presse-Agentur am Wochenende ein Neun-Punkte-Papier.
Darin werden weniger Leistungen für Ausreisepflichtige und mehr sichere Herkunftsländer gefordert. Das dürfte vor allem die Grünen unter Druck setzen. Denn sie greifen Vorschläge aus schwarz-grün regierten Bundesländern auf. „Es gibt jetzt eine Gelegenheit für spürbare Änderungen in der Migrationspolitik und es wäre unverantwortlich, diese Gelegenheit ungenutzt verstreichen zu lassen“, heißt es im FDP-Papier.
FDP-Fraktionschef Christian Dürr sagte der Deutschen Presse-Agentur: „Wenn Bund und Länder Hand in Hand arbeiten, haben wir die Chance auf eine echte Migrationswende.“ Grüne und CDU hätten in den Ländern den Weg freigemacht. Das sei ein starkes Signal, denn noch vor kurzem sei es undenkbar gewesen, dass die Grünen eine Ausweitung sicherer Herkunftsstaaten erwägen. „Jetzt stellt sich die Frage, wie sich die Grünen im Bund verhalten“, betonte Dürr.
Grüne: Nicht immer wieder über verfassungswidrige Vorschläge diskutieren
Die reagierte am Montag mit Befremden. „Die FDP weiß, dass wir stets bereit sind, über alle Vorschläge miteinander innerhalb der Koalition zu sprechen“, sagte der Grünen-Vorsitzende, Omid Nouripour, nach einer Sitzung des Parteivorstandes in Berlin auf Nachfrage. Seine Partei habe gleichzeitig deutlich gemacht, „dass wir zu allem bereit sind, was rechtens, wirksam und machbar ist – auch bei der Migrationspolitik“. Vieles sei bereits vereinbart worden.
Mit Blick auf das sogenannte Sicherheitspaket der Ampel-Koalition, über das derzeit im Bundestag beraten wird, sagte Nouripour weiter: „Mein Ratschlag wäre, dass man Maßnahmen erst umsetzt, um dann zu prüfen, was es noch braucht, bevor man weiterhin neue Vorschläge in den Raum wirft.“ Auch wolle er „sehr davon abraten, Vorschläge, die bereits vom Bundesjustizminister als verfassungswidrig eingestuft worden sind, immer weiter zu diskutieren“.
Innerhalb der Grünen rumort es wegen der Linie in der Migrationspolitik schon länger. Hannovers Oberbürgermeister Belit Onay (Grüne) hatte am Wochenende seine Partei dazu aufgefordert, weiterhin klare grüne Positionen in der Migrationspolitik einzunehmen. „Bündnisfähigkeit entsteht nicht dadurch, dass man alle Positionen räumt“, sagte der Grünen-Politiker im „Welt“-Interview.
SPD verärgert: Ton in der Debatte nicht überdrehen
Auch der Koalitionspartner SPD reagierte skeptisch. Es gelte, die laufenden Gespräche zum sogenannten Sicherheitspaket abzuwarten, sagte Vizefraktionschef Dirk Wiese der „Welt“. Darin will die Regierung aus SPD, Grünen und FDP unter anderem Leistungen für Menschen kürzen, für deren Asylverfahren ein anderer Staat zuständig ist. „Wir sollten uns davor hüten, den Ton in der Debatte zu überdrehen“, warnte Wiese. Das stärke am Ende nur den rechten Rand. „Wir brauchen klare Regelungen, aber auch die Offenheit, Migration als Chance für den Arbeitsmarkt zu begreifen.“
SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich reagierte verärgert auf den neuen Vorstoß der Liberalen. „Das nervt mich mittlerweile“, sagte Mützenich in der ARD-Sendung „Bericht aus Berlin“. Die FDP sei offensichtlich Expertin darin, jedes Wochenende neue öffentliche Hinweise in der Debatte zu geben.
Mehr Staaten sollen als sicher gelten
Gefordert wird im Neun-Punkte-Papier konkret eine Prüfung von sicheren Herkunftsstaaten, die nicht nur die sogenannten Maghreb-Staaten in Nordwestafrika in den Blick nimmt, sondern auch Indien, Kolumbien und Armenien. Asylanträge von Menschen aus sicheren Herkunftsstaaten können schneller abgelehnt werden.
Für die Rücküberstellung von ausreisepflichtigen Asylbewerbern in andere EU-Mitgliedsstaaten soll allein der Bund zuständig sein. Dabei soll es eine bessere Kooperation mit den Fluggesellschaften geben. Die Bundespolizei soll selbst bei Gericht Abschiebungshaft und Ausreisegewahrsam beantragen können. Menschen, die terroristische Straftaten öffentlich gutheißen, sollen leichter ausgewiesen werden können.
Leistungen: Bett, Seife, Brot
Außerdem will die FDP, dass ausreisepflichtigen Asylbewerbern auch dann Leistungen gekürzt werden, wenn sie nicht im Dublin-Verfahren sind. Dabei wird festgestellt, welches europäische Land für ein Asylverfahren zuständig ist. In vielen Fällen ist das jener Staat, auf dessen Gebiet Schutzsuchende zuerst europäischen Boden betreten haben.
„Künftig sollten die Leistungen für alle ausreisepflichtigen Asylbewerber aufs Bett-Seife-Brot-Minimum gekürzt werden“, sagte Dürr dem Boulevardblatt „Bild am Sonntag“. „Damit stellen wir sicher, dass es keinen Anreiz mehr gibt zu bleiben.“ (dpa/mig) Leitartikel Politik
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