Mord empört Türkei
Tragische Schicksale geflüchteter Arbeiter
Im November 2023 wurde in der Türkei die verbrannte Leiche eines afghanischen Geflüchteten und Bergarbeiters entdeckt. Jetzt stellt sich heraus, dass er ermordet wurde, um einen Arbeitsunfall zu vertuschen. Der Fall wirft ein schockierendes Licht auf die Arbeitsbedingungen von Geflüchteten.
Von Barbaros Kaya Sonntag, 22.09.2024, 13:34 Uhr|zuletzt aktualisiert: Sonntag, 22.09.2024, 13:37 Uhr Lesedauer: 3 Minuten |
Im November 2023 wurde die verbrannte Leiche des 50-jährigen afghanischen Bergarbeiters Vezir Mohammad Nourtani im Waldgebiet der türkischen Stadt Zonguldak entdeckt. Der Tod hat erneut die brutalen Arbeitsbedingungen von Geflüchteten und ihre grausame Lebensrealität ans Tageslicht befördert. Die Familie Nourtani, die vor den Repressionen in Afghanistan geflohen war, gelangte über die Türkei nach Griechenland. Doch aufgrund des Rücknahmeabkommens mit der Europäischen Union (EU) wurde die Familie zurück in die Türkei abgeschoben.
Nach seiner Abschiebung arbeitete Nourtani in einer Kohlenmine ohne offizielle Genehmigung. Geflüchtete arbeiten oft in prekären und illegalen Beschäftigungsverhältnissen ohne gesetzliche Absicherung. Mithin gab es in der Kohlenmine eklatante Verstöße gegen Sicherheitsvorschriften. Dort wurde Nourtani bei einem Arbeitsunfall schwer verletzt. Als er aus dem Werk an die Oberfläche gebracht wurde, war er noch am Leben. Doch statt sein Leben zu retten, entschieden sich die Minenbetreiber, den Vorfall zu vertuschen – auch um einem Verfahren wegen Betreibens einer illegalen Kohlemine zu entgehen.
Die Kette der Vergehen der Angeklagten verdeutlicht nicht nur, wie wenig Wert auf die Sicherheit von geflüchteten Arbeitern gelegt wird, sondern auch die unmenschlichen Methoden der Vertuschung. Die Staatsanwaltschaft beschuldigt die Minenbetreiber, Beweise vernichtet zu haben. Die Tatverdächtigen hätten Nourtani in eine Decke gewickelt und im Wald verbrannt.
Ausbeutung von Geflüchteten
In den ersten Verhandlungen schoben sich die Beschuldigten gegenseitig die Schuld zu. Ein Gutachten brachte schockierende Erkenntnisse zutage. Danach wurde Nourtani möglicherweise lebendig verbrannt – die Gutachter fanden Ruß in den Atemwegen der Leiche. Der Anwalt der Familie sieht in dem Gutachten einen klaren Hinweis auf „mörderische Absicht und geplante Tötung“. Er hofft, dass die Angeklagten die schwersten Strafen erhalten.
Dieser Fall ist ein düsteres Beispiel für die prekären Arbeitsbedingungen, denen geflüchtete Arbeiter in der Türkei und in vielen anderen Ländern ausgesetzt sind. Zuletzt machten tödliche Arbeitsbedingungen in Italien europaweit Schlagzeilen. Diese Arbeiter, die oft an Arbeitsschutzgesetzen vorbei beschäftigt werden, sind extrem anfällig für Arbeitsunfälle. Mangels Versicherungsschutzes haben solche Unfälle oft schwere finanzielle und gesundheitliche Folgen für die Betroffenen. Der Tod von Nourtani zeigt auch, dass ihr Leben nicht sicher ist.
Strukturelles Problem
Der Fall von Vezir Mohammad Nourtani könnte Bedeutung für den Kampf um Arbeiterrechte und die Würde von Geflüchteten haben, wenn er nicht nur als eine einzelne Tragödie betrachtet wird, sondern als strukturelles Problem in einem parallelen Arbeitsmarkt. In der Türkei hat der Mord an Nourtani eine Welle der Empörung ausgelöst. Dass die zu nachhaltigen Veränderungen führt, darf bezweifelt werden. Denn zugleich wächst in der türkischen Bevölkerung der Unmut über mehrere Millionen Geflüchtete im Land. Eine Folge der europäischen Flüchtlingspolitik, die davon geprägt ist, Menschen aus dem EU-Raum fernzuhalten. Damit werden Probleme nicht gelöst, sondern nur verlagert.
Dem UN-Flüchtlingshilfswerk zufolge wurden im Rahmen des Rücknahmeabkommens zwischen der EU und der Türkei in den letzten drei Jahren insgesamt 1.892 Personen aus Griechenland in die Türkei zurückgeführt. Aufgrund der Dublin-Regelungen werden jedes Jahr auch Tausende nach Italien, Griechenland oder Spanien zurückgeschickt. Auch in Länder außerhalb der Europäischen Union werden immer mehr Personen abgeschoben. Wie diese Menschen in diesen Ländern ihren Lebensunterhalt verdiene, bleibt meist im Verborgenen. Aktuell Ausland
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