Zweifel am Sicherheitspaket
Flüchtlingspolitik zwischen Abschiebung und Grenzkontrolle
Kaum ein Gesetz wurde so oft verschärft wie das deutsche Asylrecht. Weitere Änderungen sind in Planung. Flankiert werden sie von Kontrollen an den Landgrenzen. Experten bezweifeln die Wirksamkeit der Maßnahmen.
Sonntag, 22.09.2024, 16:31 Uhr|zuletzt aktualisiert: Sonntag, 22.09.2024, 16:43 Uhr Lesedauer: 4 Minuten |
Grenzkontrollen, Abschiebungen und noch eine Reform in der Asylpolitik: Die Flüchtlingspolitik beschäftigt auch in der neuen Woche wieder die Abgeordneten des Bundestages. Die Zahl der Ausweisungen, die gegen in Deutschland lebende Ausländer verfügt wurden, hat sich unterdessen auf hohem Niveau eingependelt. Das geht aus einer Antwort der Bundesregierung auf eine Anfrage der Gruppe Die Linke hervor, die der Deutschen Presse-Agentur vorliegt.
Demnach wurden im ersten Halbjahr dieses Jahres gegen 4.321 Menschen Ausweisungen ausgesprochen. Die meisten von ihnen stammten aus Albanien, Georgien, der Türkei, Moldau und Algerien. Im Gesamtjahr 2023 waren es den Angaben zufolge 8.019 Ausweisungen. Zwischen 2020 und 2022 schwankte die Zahl in einer Spannbreite von 7.081 und 8.257 Ausweisungen pro Jahr.
Nicht jeder Ausgewiesene wird abgeschoben
Ein Ausländer wird ausgewiesen, wenn sein Aufenthalt die öffentliche Sicherheit und Ordnung, die freiheitliche demokratische Grundordnung oder sonstige erhebliche Interessen der Bundesrepublik Deutschland gefährdet. Allerdings ist im Einzelfall eine Abwägung vorzunehmen. Dabei spielt unter anderem eine Rolle, wie lange der Betroffene schon in Deutschland lebt und ob er deutsche Familienangehörige hat.
Nicht jeder Ausgewiesene wird gleich abgeschoben. Menschen, die aus praktischen oder rechtlichen Gründen vorerst nicht abgeschoben werden können, erhalten eine Duldung. Deutlich größer ist die Zahl der sogenannten Ausreisepflichtigen – sie umfasst auch Menschen, die keinen Aufenthaltstitel erhalten haben, zum Beispiel abgelehnte Asylbewerber.
Nicht nur verurteilte Straftäter werden ausgewiesen
Dass jemand wegen einer Straftat rechtskräftig verurteilt wurde, ist für eine Ausweisung nicht zwingend notwendig. So reicht es beispielsweise aus, dass jemand „Verbrechen gegen den Frieden, gegen die Menschlichkeit, ein Kriegsverbrechen oder terroristische Taten von vergleichbarem Gewicht billigt oder dafür wirbt“. Ein vom Bundestag noch nicht verabschiedeter Entwurf aus dem Bundesinnenministerium sieht hier noch weitere Verschärfungen vor.
Die Linken-Politikerin Clara Bünger sieht das kritisch. Sie sagt: „Das Ausweisungsrecht wurde in den letzten Jahren etliche Male verschärft.“ Mittlerweile könnten schon vergleichsweise geringfügige Taten zu einer Ausweisung führen. Dafür, dass die Gesetzesverschärfungen zur Verhinderung von Straftaten beigetragen hätten, gebe es keine Belege.
Laut Bundesregierung waren im Ausländerzentralregister zum Stichtag 30. Juni knapp 330.000 Menschen mit einer Ausweisungsverfügung gespeichert. Jedoch hielten sich nur ein kleiner Teil von ihnen – rund 35.000 – zu diesem Zeitpunkt in Deutschland auf. Die anderen Ausgewiesenen waren entweder schon ausgereist oder abgeschoben worden.
Wiedereineinreisesperre nach Abschiebung
Wer abgeschoben wird, darf für einige Jahre nicht mehr einreisen. Während der ersten fünf Tage Grenzkontrollen an allen deutschen Landgrenzen sind bei 898 unerlaubten Einreisen 540 Personen von der Bundespolizei an den Grenzen zurückgewiesen worden. Das berichtete das Boulevardblatt „Bild am Sonntag“. Insgesamt 23 dieser Zurückweisungen betrafen demnach Menschen, die zuvor schon einmal aus Deutschland abgeschoben worden waren.
Bundespolizeipräsident Dieter Romann sagte dem Blatt: „Dank der guten Arbeit der vielen Beamtinnen und Beamten wirken unsere Maßnahmen an den Grenzen.“ Bei den Grenzkontrollen wurden nach Informationen der Zeitung innerhalb von fünf Tagen zehn mutmaßliche Schleuser festgenommen und 114 offene Haftbefehle vollstreckt.
Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) hatte angeordnet, dass es ab dem 16. September an allen Landgrenzen stationäre Kontrollen geben soll. Begründet hat sie die zusätzlichen Kontrollen, die Frankreich, Dänemark, Belgien, die Niederlande und Luxemburg betreffen, mit der irregulären Migration. An den Grenzen zu Polen, Tschechien und der Schweiz gibt es solche Kontrollen seit Mitte Oktober. An der deutsch-österreichischen Landgrenze wurden sie im Herbst 2015 eingeführt. Grenzkontrollen sind im Schengen-Raum eigentlich nicht vorgesehen.
Polizei: Autofahrer warten maximal 25 Minuten
Die Grenzkontrollen an Übergängen zu Frankreich, Luxemburg und Belgien sind nach Angaben der Bundespolizei in Rheinland-Pfalz und im Saarland bislang ohne herausragende Vorkommnisse verlaufen. „Wir hatten Aufgriffe, die die Kontrolle rechtfertigen“, sagte ein Sprecher der Bundespolizei in Trier. So habe es Fälle von unerlaubten Einreisen, Drogenfunde oder Verstöße gegen das Waffenrecht gegeben. Zudem seien Haftbefehle vollstreckt worden und es habe einzelne Zurückweisungen gegeben. Die feste Grenzkontrolle auf der Autobahn 64 nach Luxemburg habe in der Spitze einen Stau von 20 bis 25 Minuten verursacht, sagte der Sprecher.
Der Präsident des Bundeskriminalamts, Holger Münch, hält die Kontrollen für wirksam im Kampf gegen Schleuserkriminalität. „Die Anzahl der Feststellungen ist mit den Kontrollen in die Höhe gegangen“, sagte er dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND).
Innenausschuss befragt Experten zu geplanter Asylrechtsänderung
Vor einer Anhörung im Innenausschuss des Bundestags gibt es Zweifel an einer Maßnahme aus dem sogenannten Sicherheitspaket der Bundesregierung. Nach dem Messerangriff auf einem Stadtfest in Solingen im August mit drei Toten hatte die Bundesregierung unter anderem Änderungen beschlossen, die dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bamf) bei der Klärung der Identität von Asylbewerbern helfen sollen. Außerdem will die Ampel-Koalition dafür sorgen, dass ein Ausländer, der Schutz erhalten hat, diesen in der Regel aberkannt bekommt, wenn er zwischendurch in sein Herkunftsland reist.
Die Neuregelung zu den Heimreisen wäre mit erheblichem Verfahrensaufwand für das Bamf verbunden, gibt Philipp Wittmann, Richter am Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg, zu bedenken. Aufgrund von Vorgaben des Europarechts und der Genfer Flüchtlingskonvention sei im Regelfall am Ende auch nicht mit einer Abschiebung des Betroffenen zu rechnen, sondern höchstens mit einer Statusverschlechterung. Ein anerkannter Flüchtling könne dann etwa den sogenannten subsidiären Schutzstatus erhalten oder aufgrund eines nationalen Abschiebungsverbots bleiben. (dpa/mig) Aktuell Panorama
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