Von rechts getrieben
Bundesregierung will Zurückweisungen und Grenzkontrollen ausweiten
Die Bundesregierung gibt dem Druck der Union nach: Sie will Zurückweisungen an deutschen Grenzen ausweiten. In welcher Form Asylsuchende davon betroffen sein werden, will Innenministerin Faeser aber erst vertraulich mit der Union besprechen.
Montag, 09.09.2024, 18:34 Uhr|zuletzt aktualisiert: Montag, 09.09.2024, 18:34 Uhr Lesedauer: 3 Minuten |
Zur Begrenzung der Migration will die Bundesregierung Zurückweisungen an den deutschen Grenzen und damit verbunden die Kontrollen an den deutschen Grenzen ausweiten. Man habe ein Modell für europarechtskonforme und effektive Zurückweisungen entwickelt, die über die bislang erfolgten Zurückweisungen hinausgehen, sagte Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) am Montag in Berlin, verriet aber nicht, in welchem Ausmaß und auf welcher rechtlichen Grundlage Asylsuchende davon betroffen sein sollen. Details will sie zunächst mit Vertretern von CDU und CSU besprechen. Bereits bei der Europäischen Union notifiziert hat die Ministerin derweil die Ausweitung von Grenzkontrollen. Sie setze den „harten Kurs gegen irreguläre Migration“ fort, erklärte Faeser.
Vorübergehend sollen Kontrollen künftig an allen deutschen Landgrenzen stattfinden. Neben den Grenzen zu Österreich, Tschechien, Polen und der Schweiz wird es damit künftig auch Kontrollen an den Übergängen zu den Nachbarländern Frankreich, Luxemburg, den Niederlanden, Belgien und Dänemark geben. Die Ausweitung soll ab dem 16. September für ein halbes Jahr erfolgen. Bis es gelinge, über das vereinbarte Gemeinsame Europäische Asylsystem zu einem effektiven Schutz der EU-Außengrenzen zu kommen, müssten die Binnengrenzen stärker kontrolliert werden, sagte Faeser.
Auslöser Solingen
Seit dem Anschlag in Solingen wird hitzig über die Asylpolitik gestritten. Die Union verlangte wiederholt Zurückweisungen von Flüchtlingen an den deutschen Grenzen, was bislang als schwer vereinbar mit europäischem Recht galt. Selbst wenn ein anderer EU-Staat für das Verfahren eines Asylsuchenden zuständig ist, darf ein Schutzsuchender demnach eigentlich nicht einfach zurückgewiesen werden.
An der Grenze abgewiesen werden derzeit Ausländer, wenn sie keine oder gefälschte Dokumente haben, eine Wiedereinreisesperre vorliegt oder kein Visum oder gültiger Aufenthaltstitel vorhanden ist. Rund 30.000 Zurückweisungen gab es nach Angaben des Bundesinnenministeriums an den bestehenden Grenzkontrollen seit Oktober vergangenen Jahres.
Faeser nennt keine Details
Faeser ging nicht ins Detail bei der Frage danach, in welcher Form dieser Personenkreis künftig ausgeweitet werden soll. Sie sagte nur, die rechtlichen und tatsächlichen Möglichkeiten für Zurückweisungen seien intensiv geprüft worden. Der Fraktion von CDU und CSU im Bundestag sei das mitgeteilt worden. Mit ihnen und Vertretern der Ministerpräsidentenkonferenz will Faeser nach eigenen Worten zunächst vertraulich sprechen, bevor sie öffentlich Änderungen der Zurückweisungspraxis bekanntgibt.
Nach einer erhitzten Debatte über die Migrationspolitik waren Vertreter der Bundesregierung bereits in der vergangenen Woche mit Vertretern der Union und der Länder zu einem ersten Gespräch zusammengekommen. Die Union hatte ein Einverständnis zu Zurückweisungen vonseiten der Bundesregierung zur Voraussetzung für ein weiteres Gespräch gemacht. Es soll an diesem Dienstag stattfinden.
Linke: Koalition lässt sich „von rechts treiben“
Die flucht- und rechtspolitische Sprecherin der Linken im Bundestag, Clara Bünger, kritisierte den Kurswechsel der Regierung. Die Koalition lasse sich „von rechts treiben“. Zudem warf sie SPD, Grünen und FDP Rechtsbruch vor.
Kritik kam auch vom Sachverständigenrat für Integration und Migration, der die Bundesregierung bei diesen Themen berät. „Es braucht grundsätzlich eine europäische Lösung, wenn man die Fluchtmigration besser steuern und begrenzen will – und mehr Kooperation mit Herkunfts- und Transitstaaten“, erklärte der Vorsitzende Hans Vorländer. Wenn die Umsetzung auf europäischer Ebene scheitere, drohe die Gefahr einer Renationalisierung des gesamten Asylsystems. „Das wäre ein Einschnitt von historischem Ausmaß und mit unabsehbaren Folgen“, sagte der Politikwissenschaftler. Grundsätzlichen Zurückweisungen oder einem Aufnahmestopp für bestimmte Gruppen sei „vor diesem Hintergrund aus menschen- und asylrechtlichen sowie aus politischen Gründen eine Absage zu erteilen“. (epd/mig) Leitartikel Politik
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