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Dr. Zeyneb Sayılgan © bearb. MiG

Ramadan

Drei Gründe, warum wir den Fastenmonat schätzen können

Ramadan ist der schönste Monat für Muslime auf der ganzen Welt. Aber warum? Ist es nur der Verzicht oder steckt mehr dahinter? Und was hat das mit Freiheit zu tun?

Von Donnerstag, 07.03.2024, 10:36 Uhr|zuletzt aktualisiert: Donnerstag, 07.03.2024, 9:50 Uhr Lesedauer: 4 Minuten  |  

Ramadan – der schönste Monat für etwa zwei Milliarden Muslime auf der ganzen Welt – steht vor der Tür. Der 10. März signalisiert den Beginn des Fastenmonats, in dem Muslime beginnen, dreißig Tage lang jeden Tag von Sonnenaufgang bis Sonnenuntergang zu fasten. Bevor Sie fragen: Ja! Noch nicht einmal ein Tropfen Wasser ist erlaubt! Und hier ist ein hilfreicher Leitfaden zum Erlernen einiger Grundlagen.

Als eine besondere Zeit der Selbstreflexion lädt der Ramadan Muslime ein, zu ihrem spirituellen Kern zurückzukehren. Man lebt im Schnellmodus und alles wetteifert um unsere Aufmerksamkeit. Der Ramadan ist ein Moment der inneren Einkehr, indem man seinem geistigen Leben mehr als sonst Beachtung schenkt. Es ist eine Zeit tiefer Selbstwahrnehmung und eine Neubewertung unserer Beziehung zu Gott und unseren Mitmenschen.

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Es erscheint widersprüchlich, einen Monat zu feiern, der die Menschen dazu motiviert, auf existenzielle Bedürfnisse wie Nahrung und Wasser zu verzichten. Aber weil der Ramadan uns dazu ermutigt, unsere beste Version zu entdecken, ist er ein freudiger Moment tiefer Selbstfindung. Es gibt viele Gründe, warum wir als religiös vielfältige Gesellschaft den Monat Ramadan schätzen können. Lassen Sie mich nur drei nennen.

Innere Freiheit

„Sind wir wirklich frei, wenn wir ständig den Dingen nachjagen, die uns die Konsumkultur vorschreibt?“

Freiheit – ein Wert, den wir alle schätzen. Aber sind wir wirklich frei, wenn wir ständig den Dingen nachjagen, die uns die Konsumkultur vorschreibt? Dann fühlen wir uns durch zu viel Unnütz in unseren Häusern und ungesunde Nahrung in unserem Körper überfordert. Verglichen mit anderen Lebewesen, hat nur der Mensch den freien Willen, sogar zu seinen existenziellen Bedürfnissen wie Nahrung und Wasser NEIN zu sagen. Im Ramadan entdeckt der Mensch seine Fähigkeit wieder, sich von allem Unwesentlichen zu befreien. Wenn jemand selbst bei seinen Grundbedürfnissen Selbstbeherrschung zeigen kann, ist er in der Lage, viel mehr zu erreichen. Das ist eine tiefgreifende Erfahrung. Das Potenzial zur wahren menschlichen Befreiung zu entdecken bedeutet, alles zu negieren, was den Geist und die Seele belastet.

Im Ramadan streben die Menschen im höchsten Maß nach spiritueller Selbstdisziplin, indem sie die sieben Tore des Herzens bewusster einsetzen: Augen, Ohren, Mund, Magen, Füße, Hände und Genitalien werden mehr denn je in einer Weise beansprucht, die sie als ein heiliges Vertrauen des Schöpfers anerkennt. Der Mensch wird aufgefordert, all seine Sinne in Einklang zu bringen und sich besonders auf diese innere Dimension des Fastens zu konzentrieren. Deshalb sagte der Prophet Muhammad sinngemäß: „Wer beim Fasten schlechte Worte und Taten nicht unterlässt, von dem braucht auch Gott nicht, dass er auf Essen und Trinken verzichtet.“ Jedem Drang nachzugeben, ist kein Akt der Freiheit. Um gesunde, einheitliche und lang anhaltende Freude, Frieden und Freiheit zu erlangen, distanzieren wir uns stattdessen von niedrigen Wünschen. Dabei entdeckt man die befreienden Elemente der Abstinenz, der Geduld und der Mäßigung wieder – Werte, die der Koran besonders preist.

Dankbarkeit

„Genügsamkeit ist ein unerschöpflicher Reichtum.“

Oftmals ist es die Abwesenheit von Dingen, die uns dazu bringt, ihren wahren Wert zu erkennen und sie mehr zu schätzen. Am Ende eines langen Fastentages kann ein Stück trockenes Brot so gut schmecken. Wie kostbar empfindet man das Wasser, wenn der erste Tropfen durch den Körper fließt. Wir brauchen nicht viel, um zufrieden zu sein, wie diese prophetische Überlieferung es zum Ausdruck bringt: „Genügsamkeit ist ein unerschöpflicher Reichtum.“

Dankbarkeit auszudrücken ist nicht nur gesund, sondern auch Teil der spirituellen DNA. Existenzielle Dankbarkeit ist die Erkenntnis, dass wir ohne einen barmherzigen und weisen Schöpfer am Werk nicht existieren können. Ohne diese höhere Macht, die das Universum so fein abgestimmt hat, ist die Menschheit nicht in der Lage, sich zu ernähren.

Bescheidenheit

Dieses Bewusstsein lädt einen Menschen zu echter Demut und Bescheidenheit ein. Alle Nahrung auf dem Tisch kann nur durch die vielen Hände genossen werden, die sie berührt haben. In meiner eigenen Familie lesen wir oft die Etiketten auf den Produkten, um ihren Ursprungsort herauszufinden: Bananen aus Guatemala, Gurken aus Indien, Kaffee aus Äthiopien, Schokolade aus Belgien – der Mensch ist Teil eines voneinander abhängigen, komplexen Lebensnetzes. Wir können nicht ohne einander sein.

Im Ramadan würdigen die Menschen diese sozialen Verbindungen mehr denn je, indem sie sich aktiver in die Gemeinschaftsarbeit einbringen, in Empathie wachsen, diejenigen versorgen, denen es weniger gut geht, indem sie sich versöhnen und um Vergebung bitten. Meinung

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