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Frachtschiff (Archiv) © kees torn @ flickr.com (CC 2.0), bearb. MiG

EU-Lieferkettengesetz

Profit statt Menschenrechte – Deutschland hält sich raus

Aus dem Meilenstein im Kampf gegen Ausbeutung von Mensch und Umwelt wird wohl nichts. Wenige Tage vor der Abstimmung ist Arbeitsminister Heil daran gescheitert, seinen Ministerkollegen von der FDP eine Zustimmung zur bereits ausgehandelten EU-Lieferkettenrichtlinie abzuringen. Menschenrechtsorganisationen sprechen von einem Skandal. Der Kanzler sei eingeknickt vor der Wirtschaftslobby.

Dienstag, 06.02.2024, 15:48 Uhr|zuletzt aktualisiert: Dienstag, 06.02.2024, 22:24 Uhr Lesedauer: 3 Minuten  |  

Es sollte ein Meilenstein werden im Kampf gegen Menschenrechtsverletzungen, Kinderarbeit sowie sonstige Ausbeutung von Mensch und Umwelt. Daraus wird wohl nichts. Deutschland wird am kommenden Freitag dem in Brüssel bereits ausgehandelten Kompromiss zum EU-Lieferkettengesetz nicht zustimmen. Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) erklärte am Dienstag in Berlin, die FDP habe das abgelehnt: „Dass sich Deutschland aufgrund einer ideologisch motivierten Blockade der FDP bei der anstehenden Abstimmung enthalten muss, enttäuscht mich sehr“, erklärte Heil. Menschenrechtsorganisationen wie Amnesty International kommentierten die Vorgänge als skandalös.

Heil erläuterte, um eine deutsche Zustimmung zu erreichen, habe er Kompromiss- und Lösungsvorschläge gemacht, die Entlastungen für deutsche Unternehmen ermöglicht hätten. „Die FDP war nicht bereit, diesen Lösungsweg mitzugehen und hat ihn jetzt definitiv abgelehnt“, erklärte der SPD-Politiker. Eine EU-Lieferkettenrichtlinie stärke die Menschenrechte in internationalen Handelsbeziehungen, wenn es etwa darum gehe, Kinder- und Zwangsarbeit zu bekämpfen und schaffe einheitliche Wettbewerbsbedingungen in Europa, erklärte er.

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Initiative verurteilt Rückzug scharf

Die Initiative Lieferkettengesetz verurteilte den deutschen Rückzug scharf. Er schädige das Ansehen Deutschlands als verlässlicher politischer und wirtschaftlicher Partner in der EU und zeige, welche geringe Priorität Menschenrechte sowie Klima- und Umweltschutz für die Bundesregierung haben, erklärte die Organisation.

Bundesfinanzminister Christian Lindner und Justizminister Marco Buschmann (beide FDP) hatten vorige Woche überraschend mitgeteilt, dass sie das auf EU-Ebene bereits vereinbarte Vorhaben nicht mittragen wollen. Das geplante Gesetz gehe weit über das hinaus, was für „praxistauglich und zumutbar“ erachtet werde, erklärten sie. Im Rat der EU habe dies eine Enthaltung Deutschlands zur Folge, die im Ergebnis wie eine Nein-Stimme wirke, fügten sie hinzu.

Auf Kosten von Mensch und Umwelt

Heil hatte die EU-Richtlinie federführend mitverhandelt. In Deutschland gilt bereits seit 2023 ein nationales Lieferkettengesetz. Die geplante EU-Richtlinie, die in nationales Gesetz umgesetzt werden müsste, geht teilweise über das deutsche Gesetz hinaus. Sie soll Unternehmen mit mehr als 500 Beschäftigten und einem weltweiten Umsatz von über 150 Millionen Euro verpflichten, Standards in den Lieferketten sicherzustellen. Anders als das deutsche Gesetz soll die EU-Regelung auch die Möglichkeit für zivilrechtliche Haftungen vorsehen.

Verschiedene deutsche Unternehmen wie Aldi Süd, Kik oder Tchibo sowie der Bundesverband Nachhaltige Wirtschaft riefen die Bundesregierung noch am Dienstag auf, für das EU-Lieferkettengesetz zu stimmen. Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) müsse den bereits ausgehandelten Kompromiss sichern. Die Forderungen des Gesetzes seien angemessen und umsetzbar. Für Unternehmen, die bereits die deutschen Regeln einhalten, bedeute eine europaweite Regelung, „dass Wettbewerbsvorteile auf Kosten von Mensch und Umwelt endlich unterbunden werden“, heißt es in dem Aufruf der Unternehmen.

Vor der Wirtschaftslobby eingeknickt

Die Umwelt- und Menschenrechtsorganisation Germanwatch warf Scholz vor, „sich vom kleinsten Koalitionspartner die Agenda diktieren“ zu lassen. Die FDP wiederum zeige wenige Monate vor den Europawahlen „ein erschreckendes Maß an europapolitischer Verantwortungslosigkeit.“ Auch die katholische Hilfsorganisation Misereor sprach von einem „Einknicken des Bundeskanzlers vor der Wirtschaftslobby“. Das gelte leider auch für Vizekanzler Robert Habeck (Grüne), der allem Anschein nach nicht auf ein Machtwort des Kanzlers gedrängt habe.

Amnesty International nannte Deutschlands Kehrtwende drei Tage vor der entscheidenden Abstimmung im EU-Rat „skandalös“. Obwohl sich SPD, Grüne und FDP verständigt hätten, das EU-Lieferkettengesetz zu unterstützen, habe Deutschland bereits während der Verhandlungen die Regeln wiederholt abgeschwächt. Komme die Richtlinie nun nicht, seien die Leidtragenden der deutschen Entscheidung die Betroffenen: „Menschen, die unter ausbeuterischen Bedingungen arbeiten, die wegen illegaler Zwangsräumungen ihr zu Hause verlieren oder durch Umweltverschmutzung krank werden“. (epd/mig) Leitartikel Wirtschaft

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