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Bundesrat © LoboStudioHamburg @ pixabay.com (Lizenz), bearb. MiG

„Union gescheitert“

Bundesrat billigt Doppelpass und strenge Abschiebungsregeln

Gesetze zur schnelleren Einbürgerung und Abschiebungen passierten den Bundesrat. Die Diskussion geht aber weiter: Union will das neue Staatsbürgerschaftsgesetz bei erster Gelegenheit wieder rückgängig machen - und das individuelle Asylrecht gleich mit abschaffen.

Sonntag, 04.02.2024, 12:05 Uhr|zuletzt aktualisiert: Sonntag, 04.02.2024, 17:23 Uhr Lesedauer: 5 Minuten  |  

Der Bundesrat hat am Freitag zwei weitere Bausteine der neuen Migrationspolitik der Ampel-Koalition gebilligt. Während die von Anfang an umstrittene Reform des Staatsangehörigkeitsrechts auch in der Länderkammer am Freitag noch zu einem Schlagabtausch führte, wurden gegen die Verfahrenserleichterungen für Abschiebungen lediglich Bedenken geäußert, was die Praxistauglichkeit der neuen Bestimmungen angeht.

Der Bundesrat verzichtete zum Staatsbürgerschaftsrecht auf die Anrufung des Vermittlungsausschusses. Das neue Gesetz sieht vor, dass Zuwanderer bereits nach fünf Jahren Aufenthalt in Deutschland Staatsbürger werden können, vorausgesetzt sie können ihren Lebensunterhalt ohne staatliche Hilfe bestreiten. Bisher müssen sie mindestens acht Jahre im Land leben. Bei guten Leistungen in Schule oder im Job, guten Sprachkenntnissen oder ehrenamtlichem Engagement soll die Einbürgerung schon nach drei Jahren möglich sein.

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Wer einen deutschen Pass haben möchte, soll seinen alten dafür nicht mehr aufgeben müssen. Das gilt jetzt schon für EU-Bürger und Staatsbürger zahlreicher weiterer Staaten, aber beispielsweise nicht für Menschen aus der Türkei. Die Reform betrifft auch Deutsche, die Bürger eines weiteren Staats werden möchten. Sie benötigen dafür keine spezielle Genehmigung der deutschen Behörden mehr. Ohne diese Erlaubnis verlor man bisher die deutsche Staatsbürgerschaft beim Erwerb einer weiteren.

Aus für selektiven Doppelpass

Die Ministerpräsidentin von Rheinland-Pfalz, Malu Dreyer (SPD), warb im Bundesrat für die Reform. Dagegen erklärte Baden-Württembergs Innenminister Thomas Strobl (CDU) als Stellvertreter des Ministerpräsidenten, es werde mit den Plänen der falsche Weg beschritten. Er sagte, dass Einbürgerungen derzeit im Schnitt erst nach 16,3 Jahren erfolgten, liege erstens daran, dass eine echte Integration inklusive Spracherwerb Zeit brauche. Zweitens fehlten in den zuständigen Behörden jetzt schon die Kapazitäten. Das habe zur Folge, dass Ausländer, die alle Kriterien erfüllten, von der Antragstellung bis zur Einbürgerung oft sehr lange warten müssten.

Demgegenüber zeigen Studien, dass viele Menschen, obwohl sie alle Voraussetzungen erfüllen, aufgrund der gesetzlichen Hürden keinen Einbürgerungsantrag stellen. Der bürokratische Aufwand wiederum führt zu langen Bearbeitungszeiten. So wird das Einbürgerungspotenzial in Deutschland im EU-Vergleich kaum ausgeschöpft.

Kein Einbürgerungstest für „Gastarbeiter“

Wer als „Gastarbeiter“ in die Bundesrepublik gekommen ist oder als Vertragsarbeiter in die DDR, muss zur Einbürgerung künftig nur mündliche Deutschkenntnisse nachweisen. Für Menschen aus diesen beiden Gruppen wird zudem kein Einbürgerungstest mehr verlangt. Wer den deutschen Pass möchte, muss den eigenen Lebensunterhalt und den unterhaltspflichtiger Angehöriger selbst bestreiten können. Wer unverschuldet doch auf Sozialhilfe oder Grundsicherung angewiesen war, für den galt bislang eine Ausnahmeregelung – diese soll es künftig aber nur noch für bestimmte Gruppen und Fälle geben. Diese Änderung erntet scharfe Kritik von Sozialverbänden.

Die Grünen-Migrationsexpertin, Filiz Polat, sagte nach der Entscheidung: „Der Doppelpass kommt. Auch der letzte Versuch der Union ist gescheitert, mit einem Antrag aus Bayern das Gesetz im Bundesrat noch aufzuhalten. CDU und CSU seien offenbar noch immer nicht „in der modernen Einwanderungsgesellschaft angekommen, die es in Deutschland längst gibt“, sagte die Bundestagsabgeordnete.

Union will Einbürgerungsgesetz rückgängig machen

Die stellvertretende Vorsitzende der Unionsfraktion, Andrea Lindholz, sagte: „Im Falle eines Regierungswechsels würde ich im Bereich der Migrationspolitik als Erstes das Ampel-Gesetz zur Änderung des Staatsangehörigkeitsrechts rückgängig machen.“ Die CSU-Politikerin kritisierte: „Wenn wir sehen, welche inakzeptablen Einstellungen man bei einigen der Menschen findet, die in den vergangenen Jahren und Jahrzehnten eingebürgert wurden, kann die Antwort doch nicht sein, die Hürden für die Einbürgerung zu senken.“

Auch das sogenannte Rückführungsverbesserungsgesetz fand am Freitag die nötige Unterstützung. Das vom Bundestag im Januar beschlossene Gesetz hat zum Ziel, dass insbesondere Straftäter, Gefährder und Schleuser schneller abgeschoben werden. Es enthält eine Reihe von Maßnahmen, um den Vollzug der Abschiebung effektiver zu machen und die Ausreisepflicht von Menschen ohne Bleiberecht besser durchsetzen zu können.

Debatte um Anwaltspflicht bei Abschiebungen

So erhalten Behörden mehr Möglichkeiten, Ausreisepflichtige aufzufinden, ihre Identität anhand von Dokumenten zu klären und ein Untertauchen zu verhindern. Beispielsweise wird die Höchstdauer des Ausreisegewahrsams von bislang 10 Tagen auf 28 Tage verlängert. Außerdem sollen Behördenvertreter in Gemeinschaftsunterkünften auch andere Räume als das Zimmer des Abzuschiebenden betreten dürfen.

Eine dringende Bitte gab die Länderkammer der Bundesregierung zu dem Gesetz mit auf den Weg. Sie wünscht sich eine Klarstellung dazu, wann genau die Berufung eines Anwalts für Menschen vorgesehen ist, die von einer Rückführungsmaßnahme betroffen sind. Denn eine Mehrheit der Länder befürchtet, dass – wenn dies noch vor der richterlichen Anordnung von Abschiebungshaft oder Ausreisegewahrsam passieren sollte – die Rückführung nicht vereinfacht, sondern sogar erschwert oder verhindert werden könnte, weil die Betroffenen dadurch praktisch gewarnt würden. Hessens Ministerpräsident Boris Rhein (CDU): „Das kostet Zeit und Steuergeld.“ Das Gesetz sieht vor, dass bei Abschiebungshaft oder Ausreisegewahrsam dann, wenn es im betreffenden Fall noch keinen Rechtsbeistand gab, ein Anwalt beigeordnet werden kann.

Söder will „weg vom individuellen Recht auf Asyl“

Der bayerische Ministerpräsident Markus Söder (CSU) geht derweil deutlich weiter in seinen Forderungen. „Wir müssen weg vom individuellen Recht auf Asyl hin zu einem objektiven Anspruch“, sagte er der „Rheinischen Post“. Außerdem müsse man prüfen, „ob in bestimmte Teile von Syrien abgeschoben werden kann“, erklärte er. Auch „das Bürgergeld sollte gestrichen werden für jemanden, der neu nach Deutschland kommt“, sagte Söder weiter. „Außerdem sollte der Zugang für Asylbewerber in soziale Sicherungssysteme frühestens nach fünf Jahren statt wie bisher nach 18 Monaten erfolgen.“

Im Umgang mit der AfD plädierte Söder dafür, die Partei stärker inhaltlich zu stellen. „Die Idee des Austritts Deutschlands aus Europa, die menschenunwürdigen Aussagen über Kinder mit Behinderung von Björn Höcke, das Schwadronieren über Deportationen deutscher Staatsbürger – das ekelt einen an“, sagte er. Dass seine Forderungen nach Abschaffung des individuellen Asylrechts, Abschiebungen in nicht sichere Länder oder die Streichung von Sozialleistungen für Asylbewerber ebenfalls AfD-Politik sind, blieb unkommentiert. (dpa/epd/mig) Leitartikel Politik

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