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Rechtsextreme und Reichsbürger stürmen bei einer Demo gegen Corona-Schutzmaßnahmen am 29. August 2020 den Reichstag © MiG

Keine Entwarnung

Experte: Parteien sind getrieben von Rechtsaußen

Rechtsextreme Aktivitäten, antisemitische Vorfälle, das Erstarken der AfD: Der Leiter des Demokratiezentrums Hessen sieht das Land in einer ernsten Lage. Und er erwartet eine weitere Verschärfung der Probleme.

Mittwoch, 31.01.2024, 9:16 Uhr|zuletzt aktualisiert: Mittwoch, 31.01.2024, 9:16 Uhr Lesedauer: 3 Minuten  |  

Der Leiter des Demokratiezentrums Hessen, Reiner Becker, fürchtet eine weitere Zunahme von Rechtsextremismus und Demokratiefeindlichkeit in Hessen und Deutschland. Es gebe keinerlei Anlass für Entwarnung, sagte der Politikwissenschaftler von der Marburger Philipps-Universität der Deutschen Presse-Agentur. Besonders das Erstarken der rechtspopulistischen AfD bereitet Becker Sorgen. Die Partei als „parlamentarischer Arm von Teilen der rechtsextremen Bewegung“ habe sich mittlerweile „vollständig etabliert“. Die Entwicklung gehe auch mit einer gewissen Gewöhnung einher, wie gesellschaftliche und politische Diskurse inzwischen geführt würden, findet der Experte. Da die gesellschaftlichen Herausforderungen und Krisen tendenziell zunehmen, dürften sich die Probleme noch verschärfen.

Er verwies etwa auf den russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine und die fast eine Million Geflüchtete, die Deutschland aufgenommen habe, auf die Ängste, die mit dem Krieg einhergehen, sowie auf Energiekrise und Inflation. Die etablierten Parteien seien beim Thema Flucht und Migration „sehr getrieben von Rechtsaußen“ – dies zeige sich nicht nur in Deutschland, sondern europaweit. Mit dem Thema habe die AfD auch bei den Landtagswahlen punkten können – und dies vor allem im ländlichen Raum, wo sie in einigen Dörfern zur stärksten Kraft geworden sei.

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Das „Original“

Auch das Thema Bewältigung des Klimawandels dürfte hier eine Rolle gespielt haben – angefangen von der Debatte um das Gebäudeenergiegesetz bis hin zur Mobilität auf dem Land, wie Becker sagte. Die AfD habe schon früh das Potenzial des komplexen Problems Klimawandels erkannt, das alle Lebensbereiche der Menschen betreffe. Indem sie die Existenz eines menschengemachten Klimawandels abstreite, suggeriere sie auch ihren Anhängerinnen und Anhängern, dass sie nichts dagegen unternehmen müssten. Dies widerspreche „der wissenschaftlichen Erkenntnis, die jetzt wirklich schon seit Jahrzehnten vorliegt, vollständig“, sagte Becker.

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Ihre Wählerschaft finde die Partei nicht nur in ländlichen Regionen, sondern auch in Stadtteilen, in denen viele Menschen mit geringem Einkommen leben, sowie bei Bürgerinnen und Bürgern, die Angst vor sozialem Abstieg hätten. Den Menschen werde klar, dass das „Wohlstandsversprechen“, das die Bundesrepublik lange Zeit prägte, nicht mehr einlösbar sei, sagte Becker. Wenn eine Partei dies aufgreife und erkläre, dass sich nichts verändern müsse und zugleich Gesellschaftsbilder einer „vermeintlich guten alten Zeit“ anbiete, „dann kann das natürlich auch verfangen“.

AfD gewinnt „ständig“

Auch am Koalitionsvertrag von CDU und SPD in Hessen zeigt sich für Becker, dass die AfD „ständig“ gewinnt – etwa wenn man das Gender-Verbot betrachtet, ein seit Jahren von Rechtsaußen „künstlich aufgebauschtes Thema“, wie der Experte sagte. Dieser Prozess dürfte sich auch mit anderen Themen künftig fortsetzen. Hier habe sich die AfD eindeutig professionalisiert und schaffe es, sich jeweils als „Original“ darzustellen und andere Parteien vor sich her zu treiben.

Prägend für den Wandel der politischen Kultur seien auch die sozialen Medien. Mit Blick auf den Krieg im Nahen Osten beispielsweise werde auf Plattformen wie Tiktok oder Instagram in hoher Frequenz teils Propaganda und scheinbares Wissen vermittelt. Diese direkte Ansprache von Menschen durch Parteien, Influencerinnen und Influencer via Social Media und an den etablierten Medien vorbei bestimme maßgeblich, wie sich gerade junge Menschen informieren, sagte Becker. Hier seien auch die Schulen dringend gefordert, sich stärker für politische Bildung zu engagieren. (dpa/mig) Aktuell Politik

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