Experten kritisieren
Demokratische Parteien haben Anteil an den Wahlerfolgen der AfD
Kontakte zwischen AfD-Politikern und Identitären sind nicht neu. Weshalb sorgt eine Zusammenkunft in Brandenburg jetzt dennoch für Aufsehen? Und: Welchen Anteil haben demokratische Parteien an den Wahlerfolgen der AfD?
Von Anne-Béatrice Clasmann Sonntag, 14.01.2024, 21:00 Uhr|zuletzt aktualisiert: Sonntag, 14.01.2024, 17:19 Uhr Lesedauer: 4 Minuten |
Wenn sich Politiker und Aktivisten der rechten Szene vernetzen, geht es oft darum, wie neue Anhänger für die gemeinsame Sache gewonnen werden könnten. Bei dem vom Medienhaus Correctiv beobachteten informellen Treffen in einer Villa bei Potsdam, bei dem unter anderem mehrere Politiker der AfD zugegen waren, lag der Schwerpunkt woanders. Vielleicht ist die Aufregung, die der Bericht darüber ausgelöst hat, auch deshalb so groß.
Denn bei dem diskreten Vernetzungstreffen wurden nach Auskunft von Teilnehmern Ideen vorgestellt, wie mehr Ausländer Deutschland verlassen und mit welchen Mitteln man Deutsche mit Einwanderungsgeschichte zur Assimilation drängen oder zur Auswanderung bewegen könnte.
Das Treffen fällt in eine Zeit, in der die AfD in bundesweiten Wählerumfragen vor Bekanntwerden des Berichts stabil über 20 Prozent liegt. In Sachsen, Thüringen und Brandenburg, wo dieses Jahr Landtagswahlen anstehen, ist der Zuspruch für die Partei aktuell noch größer.
Justizminister warnt vor „PR-Sieg für die AfD“
Das Bundesamt für Verfassungsschutz berichtet regelmäßig über intensive Vernetzungsbemühungen im rechtsextremistischen Spektrum und stuft die AfD inzwischen als Verdachtsfall in diesem Spektrum ein. Der Nachrichtendienst weist zudem seit Monaten darauf hin, dass in der Partei „starke verfassungsfeindliche Strömungen bestehen, deren Einfluss weiter zunimmt“.
Die AfD versucht ihrerseits, sich juristisch gegen die Beobachtung als Verdachtsfall zur Wehr zu setzen. Hierzu wird für Ende Februar eine Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts in Münster erwartet. Politiker wie die SPD-Vorsitzende Saskia Esken rufen zwar jetzt schon nach einem Verbotsverfahren gegen die AfD. Vor dem Ende dieses noch laufenden Verfahrens hat so eine Forderung aber wahrscheinlich wenig Aussicht auf Erfolg. Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) mahnt zudem zur Vorsicht. Er sagt, wer einen solchen Antrag stelle, müsse sich seiner Sache sehr sicher sein. Andernfalls drohe „ein PR-Sieg für die AfD“.
Politologe: Unionspolitiker fördern Rechtsruck
Eine Partei kann laut Grundgesetz verboten werden, wenn sie aktiv-kämpferisch gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung vorgeht und gewisse Erfolgsaussichten hat. Beantragt werden kann ein Verbotsverfahren in Karlsruhe von Bundestag, Bundesrat oder Bundesregierung.
Der Berliner Politologe und langjährige Beobachter der AfD, Hajo Funke, sieht vor allem drei Gründe für den wachsenden Zuspruch, den die AfD seit einigen Monaten erhält. Er sagt, viele Bürger zweifelten an der Fähigkeit der Ampel-Regierung, in Krisenzeiten gute Lösungen zu finden an und nähmen eine „soziale Schieflage“ wahr. Außerdem profitiere die AfD von einer „Erosion der Demokratie“ und einem wachsenden Anteil von Wählern mit „rassistischer Überzeugung“. Hierzu tragen nach seiner Überzeugung auch „rechtspopulistische Äußerungen“ von führenden Vertretern von CDU, CSU und Freien Wählern bei.
AfD will „Hebel der Macht“
Wer die AfD im Jahr 2024 verstehen wolle, müsse nicht auf die Co-Vorsitzenden, Alice Weidel und Tino Chrupalla, schauen, meint Funke. Innerparteilich gäben vielmehr Politiker wie der Thüringer AfD-Landeschef, Björn Höcke, und der Spitzenkandidat der AfD für die Europawahl, Maximilian Krah, den Ton an. Anders als noch vor Jahren, als sich Politiker wie Jörg Meuthen oder Frauke Petry bemüht hatten, die AfD zu einer Partei zu machen, die koalitionsfähig ist, setzt Höcke auf eine andere Strategie.
Wie die aussieht, wurde beispielsweise bei einer Rede Höckes in Gera im Oktober 2022 deutlich. Damals sagte der Thüringer Landesvorsitzende, er fühle sich ohnmächtig, „weil wir noch die Hebel der Macht nicht in den Händen halten“. Bereits 2016 sagte er in einem Interview: „Selbstverständlich wollen wir mitregieren, aber nicht als Juniorpartner einer Koalition, die letztendlich dann doch von einer Altpartei dominiert wird“.
AfD „immer wieder verharmlost“
Damit es für eine radikale Partei wie die AfD auch langfristig keine Machtoption gebe, müssten sich „die Demokraten jetzt zusammenraufen“, findet der Politologe Funke. Der Bundesverband Mobile Beratung, dessen Mitglieder Beratung zum Umgang mit Rechtsextremismus, Rassismus, Antisemitismus, Antifeminismus und Verschwörungstheorien anbieten, kritisiert in seinem Jahresrückblick, Vertreter demokratischer Parteien – insbesondere aus dem konservativ-bürgerlichen Spektrum – hätten die AfD 2023 „immer wieder verharmlost“. Rechte Narrative seien teils übernommen worden, was zu deren Normalisierung beigetragen habe. „Anders gesagt: Sie haben sich von der AfD vor sich hertreiben lassen“, heißt es in dem Rückblick weiter.
Auch innerhalb der AfD hat sich der Diskurs verschoben. Vor Jahren hatte sich die Parteispitze noch bemüht, Mitglieder davon abzuhalten, in der Öffentlichkeit Schlagworte der rechtsextremistischen Identitären Bewegung zu verwenden. Dabei geht es vor allem um rassistische Begriffe, die nach Einschätzung des Verfassungsschutzes eine Missachtung der Menschenwürde und des Diskriminierungsverbots darstellen. Inzwischen tauchen solche Begriffe auch in Bundestagsreden und anderen öffentlichen Verlautbarungen von Spitzenpolitikern der AfD auf. (dpa/mig) Aktuell Politik
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