Rosa Fava, MiGAZIN, Meinung, Rassismus, Diskriminierung, Kommentar
Rosa Fava © Zeichnung: MiG

Antisemitismus

Die IHRA-Definition verhindert keine Kritik Israels

Die IHRA-Antisemitismus-Definition sorgt immer wieder für Diskussionen – zuletzt im Kulturbereich. Ist die Definition tragfähig oder nur eine politische Israel-Haltung? Ein kritischer Einwurf.

Von Dienstag, 23.01.2024, 10:30 Uhr|zuletzt aktualisiert: Dienstag, 23.01.2024, 8:35 Uhr Lesedauer: 13 Minuten  |  

Seit der Explosion von vielfach gewaltvollem Antisemitismus schon direkt nach 7. Oktober, als die Hamas in Israel einfiel und Massaker an der Zivilbevölkerung verübte, gibt es verstärkte staatliche Versuche, Antisemitismus durch Implementierung der Arbeitsdefinition der IHRA, der Internationalen Allianz zum Holocaustgedenken, zu bekämpfen, u.a. auch im Bereich der Kultur. Ältere Diskussionen darum, ob es sich dabei überhaupt um eine tragfähige Definition handele oder vielmehr politische Haltungen gegenüber Israel und seiner Politik in den Kriegen und Auseinandersetzungen mit palästinensischen Organisationen diktiert würden, werden dadurch aktualisiert. Eine nur geringe Rolle spielen dabei die Definition selbst sowie die Frage, inwiefern sie tatsächlich überhaupt die Kritik israelischer Politik einschränkt.

Arbeitsdefinition der International Holocaust Remembrance Alliance (IHRA)

Die eigentliche Definition ist sehr einfach und bezieht sich gar nicht auf Israel: „Antisemitismus ist eine bestimmte Wahrnehmung von Juden, die sich als Hass gegenüber Juden ausdrücken kann. Der Antisemitismus richtet sich in Wort oder Tat gegen jüdische oder nichtjüdische Einzelpersonen und/oder deren Eigentum sowie gegen jüdische Gemeindeinstitutionen oder religiöse Einrichtungen.“

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Offensichtlich definiert diese Arbeitsdefinition jedoch sehr wenig, denn genauso ließe sich definieren: ‚Mysogenie ist eine bestimmte Wahrnehmung von Frauen, die sich als Hass gegenüber Frauen ausdrücken kann. Mysogenie richtet sich in Wort oder Tat gegen weibliche oder nichtweibliche Einzelpersonen und/oder deren Eigentum sowie gegen Einrichtungen von und für Frauen.‘ Frauenbuchläden oder Mädchengruppen in Jugendclubs könnten als Beispiele für Einrichtungen genannt werden, die aus Frauenfeindlichkeit immer wieder angegriffen werden, ebenso feministisch auftretende Männer, die als nichtweibliche Personen dennoch aus Mysogenie angefeindet werden, etwa wegen ihres Eintretens für das Recht auf Abtreibung.

Analog ließe sich definieren ‚Queerfeindlichkeit ist eine bestimmte Wahrnehmung von queeren Personen, die sich als Hass gegenüber Queers ausdrücken kann. Queerfeindlichkeit richtet sich in Wort oder Tat gegen queere oder nichtqueere Einzelpersonen und/oder deren Eigentum sowie gegen queere Einrichtungen.‘ Oder ‚Antischwarzer / -asiatischer / -muslimischer Rassismus ist eine bestimmte Wahrnehmung von Schwarzen / Asiat:innen / Muslim:innen, die sich als Hass gegenüber Schwarzen / Asiat:innen / Muslim:innen ausdrücken kann. Antischwarzer / -asiatischer / -muslimischer Rassismus richtet sich in Wort oder Tat gegen …‘ Das Spiel ließe sich noch mit weiteren Gruppen bzw. jeweils spezifischen Feindlichkeiten fortführen. Die Arbeitsdefinition der IHRA von Antiziganismus ist etwas spezifischer, lässt sich aber auch leicht auf andere Feindbilder übertragen.

Fehlende Spezifik

Deutlich wird, dass die IHRA-Arbeitsdefinition kaum mehr leistet, als überhaupt eine Gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit als solche zu bestimmen. Die eigentlichen Spezifika des Antisemitismus werden dabei gar nicht benannt, auch nicht in den kurzen weiteren Ausführungen und den Beispielen. Dies ist auch deshalb bemerkenswert, weil die IHRA-Definition vor allem von denjenigen Akteur:innen in Politik, Bildung oder Aktivismus propagiert wird, die die Besonderheiten von Antisemitismus gegenüber anderen ideologischen Ungleichheitskonstruktionen und materiellen Macht- / Gewaltverhältnissen und vor allem gegenüber Rassismus hervorheben oder dafür eintreten, Antisemitismus unter vollständig anderen Kategorien als die so genannten Gruppenbezogenen Menschenfeindlichkeiten zu verhandeln. Antisemitismus als verschwörungsideologischer Welterklärungsansatz, als Personifikation gesellschaftlicher Verhältnisse, des Bösen und des Abstrakten, als Abwehr der Moderne und wie er tiefergehend in Wissenschaft und Theorie zu fassen versucht wird, sind in der IHRA-Definition nicht erkennbar. Zentrale Charakteristika wie die Machtzuschreibung an Juden:Jüdinnen macht die Definition nicht sichtbar.

Israel als „jüdisches Kollektiv“ oder als „Staat jüdischer Prägung“

Kritisiert und bekämpft von den einen, propagiert und verteidigt von den anderen wird die IHRA-Definition wegen des auf die eigentliche Definition folgenden Satzes: „Erscheinungsformen von Antisemitismus können sich auch gegen den Staat Israel, der dabei als jüdisches Kollektiv verstanden wird, richten.“ Einige Staaten und Einrichtungen und auch 2017 die Bundesregierung und in der Folge zivilgesellschaftliche und andere Organisationen übernehmen den Satz als integralen Bestandteil der Definition, in leicht abgewandelter, stärker vom englischen Original abweichender Form: „Darüber hinaus kann auch der Staat Israel, der dabei als jüdisches Kollektiv verstanden wird, Ziel solcher Angriffe sein“. Seitens der Kritiker:innen wird der Vorwurf erhoben, die Definition würde jede Kritik an Israel als antisemitisch denunzieren. Dies ist etwas absurd, weil sich unmittelbar nach diesem Satz lesen lässt: „Allerdings kann Kritik an Israel, die mit der an anderen Ländern vergleichbar ist, nicht als antisemitisch betrachtet werden.“

Die Hintergründe der zunächst als basales Handlungsinstrument auf internationaler Ebene vereinbarten Arbeitsdefinition lassen sich dem Zweiten Bericht des Unabhängigen Expertenkreises Antisemitismus entnehmen. Der Bericht erschien im Sommer 2017 wenige Monate vor dem Kabinettsbeschluss im September und empfahl die Übernahme der Arbeitsdefinition. Die ursprünglich 2004/05 durch europäische Menschenrechtseinrichtungen in die Politik eingebrachte Definition sollte Antisemitismus als aktuell virulentes Phänomen sichtbar machen und für die Erfassung und Verfolgung antisemitischer Straftaten eine Grundlage schaffen.

Im Kern der Diskussionen stand neben rechtlichen Fragen immer schon die Abwehr dagegen, das Bestehen eines israelbezogenen Antisemitismus‘ anzuerkennen. Ausgehend vom ersten Bericht des Expert:innenkreises definiert der zweite Bericht Antisemitismus sehr einfach als „Feindschaft gegen Juden als Juden“ und etwas näher als „Sammelbezeichnung für alle Einstellungen und Verhaltensweisen, die den als Juden wahrgenommenen Einzelpersonen, Gruppen oder Institutionen aufgrund dieser Zugehörigkeit negative Eigenschaften unterstellen“ (S. 24). Ausgehend von dieser unspezifischen Bestimmung, die sich mit „Feindschaft gegen Frauen als Frauen“, „Schwarzen als Schwarzen“ usw. parallel setzen lässt, werden grob fünf ältere und zwei jüngere „Ideologieformen“ von Antisemitismus unterschieden, darunter teils „antizionistischer“, teils „israelbezogener Antisemitismus“ benannte Äußerungsformen. Als antisemitisch ließen sich Kritiken Israels bezeichnen, wenn eine „jüdische[..] Prägung des Staates“ als Argument diene (S. 27).

Zentrale Elemente des israelbezogenen Antisemitismus gemäß Expertenkreis

Der Unabhängige Expertenkreis beschreibt eine „antisemitische Israelfeindlichkeit“ bzw. den zunehmend „israelbezogen“ genannten Antisemitismus wie folgt: „Dieser wird üblicherweise mit Aussagen erfasst, die eine Kritik an der Politik Israels unter Verwendung antisemitischer Bezüge äußern. Dazu gehört u.a. die Verwendung antisemitischer Assoziationen, die Kennzeichnung einer als negativ bewerteten Politik Israels als ‚typisch jüdisch‘ und die daraus abgeleitete Rechtfertigung der Abneigung gegenüber Juden, der Vergleich Israels mit dem Nationalsozialismus und das Infragestellen der Existenzberechtigung Israels.“ (S. 55)

Ein wichtiger Zusatz ist dabei die hohe Emotionalität, mit der antisemitisch-israelfeindliche Aussagen oft erfolgten. Dies ist ein Hinweis für eine Ressentimentstruktur, wie auch stark emotionale Äußerungen über „die Ausländer/Muslime“ etc. auf Rassismus und weniger auf eine rational fundierte Haltung verweisen.

Aus der kurzen Bestimmung lassen sich im Wesentlichen drei Kernelemente herauskristallisieren:

  • Der Vergleich oder in der Regel die Gleichsetzung der israelischen Politik gegenüber der palästinensischen Bevölkerung mit der nationalsozialistischen Vernichtungspolitik. In Studien wird dies meist mit dem Item „Was der Staat Israel heute mit den Palästinensern macht, ist im Prinzip auch nichts anderes als das, was die Nazis im Dritten Reich mit den Juden gemacht haben“ abgefragt. Diese Gleichsetzung, die Juden:Jüdinnen zu genozidalen Täter:innen macht und so die Schuld der eigenen Nation relativiert, wird in jüngerer Zeit, ausgehend von der Internationalisierung der Diskurse, und je nach Milieu eher mit Rassismus, Kolonialismus oder Apartheid vollzogen. Das Unrecht und die Verbrechen gegen die Menschheit aus der eigenen Vergangenheit werden auf Israel projiziert und dieses Bild überlagert die Wahrnehmung des realen Konflikts.
  • Die Leugnung des Existenzrechts Israels. Dabei wird dem jüdischen Volk – wie auch immer definiert – das Recht auf Nationwerdung durch Installation einer jüdischen Souveränität auf einem Territorium abgesprochen.
  • Die Ineinssetzung von Israel und dem Judentum bzw. die sich wechselseitig befördernde Ablehnung von Israel als wesenhaft jüdisch, etwa im Topos einer „alttestamentarischen Rachsucht“, und von Juden:Jüdinnen wegen der Politik Israels. In Studien wird dies unter dem Item „Durch die israelische Politik werden mir die Juden immer unsympathischer“ abgebildet.

Das letzte Kriterium lässt sich ähnlich auch im Rassismus finden: So war etwa das so genannte Schmähgedicht Jan Böhmermanns gegen den türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdoğan von rassistischen Topoi bestimmt und überlagerte die sachbezogene Kritik an seiner Politik. Ähnlich kam es zu Beginn des russischen Kriegs gegen die Ukraine auch unter Intellektuellen zu rassistischen Äußerungen, die als Kritik der Aggression gelten sollten. Im Falle des israelbezogenen Antisemitismus lässt sich das Judentum aber genauso wenig auf die Nation Israel beziehen wie Muslim:innen auf eine der Islamischen Republiken.

Israelbezogenener Antisemitismus in den Beispielen der IHRA-Definition

Tatsächlich behandeln die meisten der Beispiele im Dokument der IHRA israelbezogene Phänomene, wie sie in der Regel als Argumente und Haltungen in Auseinandersetzungen um Israel und Palästina auftreten; ein Grund, warum sich auch immer wieder einmal der Begriff „nahostkonfliktbezogener Antisemitismus“ findet:

  • Der Vorwurf gegenüber den Juden als Volk oder dem Staat Israel, den Holocaust zu erfinden oder übertrieben darzustellen. Oftmals wird der Mord an den Juden:Jüdinnen als (einzig gültige) Legitimation der Gründung Israels nach dem Teilungsplan der UNO angesehen. Indem der Holocaust geleugnet oder relativiert wird, soll die Existenz Israels delegitimiert werden.
  • Der Vorwurf gegenüber Juden, sie fühlten sich dem Staat Israel oder angeblich bestehenden weltweiten jüdischen Interessen stärker verpflichtet als den Interessen ihrer jeweiligen Heimatländer. Ähnliche Vorbehalte gibt es gegenüber Menschen mit Einwanderungsgeschichte und/oder doppelter Staatsbürgerschaft, bei dem oben bereits erwähnten Unterschied, dass weltweit die meisten Juden:Jüdinnen gar keine Verbindungen nach Israel aufweisen. Die Vorstellung ist, dass es ein „Weltjudentum“ gebe, was nicht einfach ‚Juden in aller Welt‘ oder Diaspora meint, sondern die Phantasie einer irgendwie organisierten, verschworenen Interessensgemeinschaft mit Zentralinstanz in Israel.
  • Das Aberkennen des Rechts des jüdischen Volkes auf Selbstbestimmung, z.B. durch die Behauptung, die Existenz des Staates Israel sei ein rassistisches Unterfangen.
  • Die Anwendung doppelter Standards, indem man von Israel ein Verhalten fordert, das von keinem anderen demokratischen Staat erwartet oder gefordert wird. Dieser Punkt ist sehr unbestimmt, in der Regel wird als Beispiel angeführt, dass in den Vereinten Nationen Staaten, in denen grundlegende Menschenrechte keine Geltung haben, Israel beständig für Menschenrechtsverletzungen verurteilen. Aktuell im Gazakrieg kann als Doppelstandard gewertet werden, dass von Israel zu Recht die Einhaltung des Internationalen Kriegs- und humanitären Rechts eingefordert wird, die Hamas als nichtstaatlicher Akteur aber formal nicht einmal an dieses Recht gebunden scheint und zudem als Aggressorin zunehmend unsichtbar wird.
  • Das Verwenden von Symbolen und Bildern, die mit traditionellem Antisemitismus in Verbindung stehen (z.B. der Vorwurf des Christusmordes oder die Ritualmordlegende), um Israel oder die Israelis zu beschreiben. Eine Parole wie „Kindermörder Israel“ fällt in diese Kategorie. Ein sachliches Benennen der Tatsache, dass im gegenwärtigen Krieg zwischen Hamas (sowie Islamischem Dschihad) und Israel sehr viele palästinensische Kinder sterben, sowie die Suche nach den Ursachen dafür, ist selbstverständlich kein Antisemitismus. In jedem Krieg soll der Gegner dämonisiert werden, und das „Morden“ von Kindern, Frauen, Zivilist:innen sowie das Gerücht der Organentnahme sind die klassischen Topoi dafür, den Feind als die Personifikation des Bösen darzustellen, der legitimerweise bekämpft werden dürfe. Im Falle Israels knüpft die Fokussierung auf Kinder an tiefsitzende antijüdische Feindbilder an.
  • Vergleiche der aktuellen israelischen Politik mit der Politik der Nationalsozialisten.
  • Das kollektive Verantwortlichmachen von Juden für Handlungen des Staates Israel.

Dämonisierung. Doppelstandards, Delegitimation

Wie sich zeigt, sind es eine gute Handvoll Kriterien, die Antisemitismus in der Kritik Israels erkennbar machen sollen. Es zeigt sich ebenso, dass Achtsamkeit gegenüber Antisemitismus keine Besonderheit bei der Betrachtung der Kritik Israels sein sollte, da sich teilweise analog verfahren lässt, um Rassismus beispielsweise in der Kritik palästinensischer, kurdischer oder türkischer, russischer Politik in Kriegen und Konflikten, die aus sich heraus Feindbilder generieren, herauszukristallisieren.

Als weiterer Versuch, die Kriterien für Antisemitismus in der Kritik Israels zu vereinfachen, ist der so genannte 3D-Test verbreitet: Wird Israel dämonisiert, also in Anlehnung an die Verteufelung der Juden:Jüdinnen als „der Jude unter den Staaten“ behandelt, so eine gängige, auf den Historiker Léon Poliakov zurückgeführte Formel? Gibt es doppelte Standards? Und werden, darauf läuft es hinaus, Israels Gründung und Bestehen delegitimiert? Die letzten beiden Ds finden sich direkt als Beispiele in der IHRA-Definition, die Dämonisierung indirekt, sowohl in den klassischen antisemitischen Topoi als auch in der Gleichsetzung mit dem Nationalsozialismus als Chiffre für das Böse.

Die bewusst vereinfachende 3D-Formel, die auf einen früheren israelischen Minister zurückgeht und daher oft als politisch belastet abgelehnt wird, gilt manchmal als klare Checkliste, verschiebt tatsächlich aber die Diskussionen darauf, ob eine Äußerung überhaupt eine Dämonisierung, einen Doppelstandard oder eine Delegitimierung darstelle. Die Ineinssetzung von Juden:Jüdinnen und Israel wird von den drei D nicht erfasst, weil nicht die Gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit „Feindschaft gegen Juden als Juden“ bestimmt werden soll, sondern eben die Übertragung der ressentimenthaften Feindschaft auf einen Staat. Insofern wird der israelbezogene Antisemitismus auch als Umwegkommunikation bezeichnet: Da nach 1945 Antisemitismus diskreditiert war, suchte sich das Ressentiment neue Bahnen als scheinbar rationale politische Kritik.

IHRA-Definition als Pappkamerad

Wer sich durch die IHRA-Definition in der Rede- und Meinungsfreiheit in Bezug auf die Kritik Israels eingeschränkt sieht, sollte sich vielleicht introspektiv einige Fragen stellen: Warum will ich die Existenz Israels delegitimieren, warum bewerte ich das Land strenger als andere, warum sehe ich in seiner Politik die Verkörperung des Bösen, warum will ich traditionelle antisemitische Bilder auf Israel beziehen, warum sehe ich das Land als Kollektivjuden und leite ich daraus meine Abneigung gegenüber Juden:Jüdinnen ab, …? Wahrscheinlich wird sich niemand diese Intentionen zuschreiben, aber das ist es, was in der Definition steht. Die Definition sagt nicht, eine Kritik israelischer Politik sei nur unter Rückgriff auf Antisemitismus möglich und daher verboten, das behaupten lediglich diejenigen, die sie derart zu einem Pappkameraden aufbauen.

Wenn es Definitionen mit Beispielen gäbe, die darauf hinweisen, dass man bei der Kritik Chinas nicht von roboterartigen Menschenmassen, die die Märkte überfluten oder bei der Kritik Griechenlands nicht von arbeitsscheuen Südländern sprechen sollte, wäre das, außer für Rassist:innen, ein hilfreicher Hinweis. Genauso die Erinnerung daran, dass solche Rassismen die Abneigung und Gewalt gegen Menschen befördern: Zu Beginn der Coronapandemie wurden verstärkt chinesisch gelesene Menschen oder Restaurants angegriffen, während der griechischen Staatsschuldenkrise fanden Menschen mit griechischem Namen Drohungen in ihre Briefkästen. Rassistische China-, Griechenland-, Türkei- oder Russlandkritik hat aber nie das Ausradieren des Staates aus den Landkarten zum Inhalt, im Falle Israels aber schlagen dämonisierende und delegitimierende Sichtweisen in dieselbe Kerbe wie die Ideologien und die Gewalt der islamistischen und/oder nationalistischen Feinde Israels, die ein Palästina vom Jordan bis zum Mittelmeer ohne Israel zu schaffen versuchen. Wie auch immer der Slogan „From the river to the sea, Palestine will be free” gemeint sei, spielt er der Hamas und anderen Feinden Israels in die Hände. Die IHRA-Definition allein kann weder solche Slogans erläutern noch ersetzt sie die Auseinandersetzung mit den Zielen der israelfeindlichen Akteure. Sie bietet aber die Ansatzpunkte dafür, Feindschaft gegen Israel und falsche Narrative als Antisemitismus zu erkennen.

Gewalt gegen Juden:Jüdinnen als „Israelkritik“

Der Überfall der Hamas auf Israel hat seinen antisemitischen Selbstzweck deutlich offenbart und genauso deutlich ist nach dem 7. Oktober geworden, dass Juden:Jüdinnen weltweit gewaltvoll für die Politik Israels in Verantwortung genommen werden. Es gibt insofern ein direktes ‚Durchschlagen‘ der so genannten Israelkritik in Ausgrenzung, Feindseligkeit und Gewalt gegen Juden:Jüdinnen, das sich bei jeder kriegerischen Eskalation im Konflikt zeigt. Die IHRA-Definition selbst ist kaum mehr als das Bekenntnis, Antisemitismus als Problem anzuerkennen und den israelbezogenen Antisemitismus dabei einzubeziehen, mit Beispielen dafür, welche zentralen Äußerungsformen es gibt. Was auch immer der Grund für die starke Abwehr ist, an der Definition selbst liegt es nicht. Meinung

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