Wie Rechte reden
Manche Kampfbegriffe klingen erst mal harmlos
Wenn Parlamentarier Begriffe verwenden, die von Rechtsextremisten geprägt wurden, sei Vorsicht geboten, warnen Wissenschaftler. Die menschenfeindlichen Untertöne offenbaren sich oft erst bei genauerer Betrachtung.
Von Anne-Béatrice Clasmann Sonntag, 14.01.2024, 16:00 Uhr|zuletzt aktualisiert: Sonntag, 14.01.2024, 14:19 Uhr Lesedauer: 4 Minuten |
Wenn in rechten Kreisen von „Globalisten“ und „Remigration“ die Rede ist, wissen Gleichgesinnte und Extremismusexperten gleich, was gemeint ist. Für Außenstehende, die sich mit dem Vokabular der Szene nicht auskennen, klingen diese Begriffe womöglich erst einmal harmlos, vielleicht sogar wissenschaftlich. Dabei verbirgt sich hinter dem „Globalismus“ die – nicht selten antisemitisch gefärbte – Verschwörungserzählung, eine globale Elite arbeite angeblich im Geheimen an einer Zerstörung nationaler und kultureller Identitäten.
„Remigration“ bedeutet im rechtsextremistischen Kontext, dass eine große Zahl von Menschen ausländischer Herkunft das Land verlassen soll – unter Umständen auch unter Zwang. Dabei ist der Begriff gleichzeitig so vage, dass man – etwa wenn eine Klage droht – zumindest versuchen kann, sich damit herauszureden, man ziele beispielsweise nur auf eine bessere Durchsetzung der Ausreisepflicht von Menschen ohne Aufenthaltsrecht ab.
Kampf um Begriffe
Zudem kann das Wort je nach Kontext eine ganz unterschiedliche Bedeutung haben. Beispielsweise hat ein Historiker-Forschungsteam der Freien Universität Berlin die „Remigration deutscher Jüdinnen und Juden aus Lateinamerika in die Bundesrepublik Deutschland zwischen 1945 bis etwa 1970“ untersucht.
Besonders augenfällig sind die Bestrebungen einiger Politiker, rechte Kampfbegriffe in den allgemeinen Diskurs einzuspeisen, wenn über Migranten gesprochen wird. Da ist beispielsweise von „Invasoren“ die Rede. Der Begriff schürt Ängste. Der innenpolitische Sprecher der AfD-Bundestagsfraktion, Gottfried Curio, spricht von einem „Ansturm“ und von „illegalen Migranten“.
Der Sachverständigenrat für Integration und Migration (SVR) warnt vor der Verwendung solcher Begriffe. Er empfiehlt, nicht von illegalen oder irregulären Migranten zu sprechen, sondern von „irregulär aufhältigen Migrantinnen und Migranten“.
Übernahme rechter Rhetorik normalisiert
In einer Pressemitteilung zur Einstufung der sächsischen AfD als gesichert rechtsextremistische Bestrebung führt das Landesamt für Verfassungsschutz des Freistaats aus: „Führende Vertreter der Landespartei verwenden in diesem Kontext im öffentlichen Diskurs regelmäßig ideologische Kampfbegriffe der rechtsextremistischen Szene, wie „Der Große Austausch“, „Umvolkung“ oder die Forderung nach „Remigration“. Auch diese Begriffe verbergen ihren rassistischen Kern und ihre Urheberschaft im Nationalsozialismus.“
Besonders problematisch wird es, wenn sich auch demokratische Politiker rechtspopulistischer Rhetorik bedienen. Der Soziologe Wilhelm Heitmeyer antwortete im vergangenen Dezember in einem Interview auf die Frage, welchen Effekt dies habe: „Das Gefährliche ist, dass die Übernahme von rechter Rhetorik dazu führt, dass sie sich normalisiert. Und was erst mal als normal gilt, kann nachher kaum noch problematisiert werden.“
Bemühten sich führende Parteifunktionäre in den Anfangsjahren noch, eine Verwendung bestimmter problematischer Begriffe durch AfD-Mitglieder in der Öffentlichkeit zu verhindern, sieht die Strategie inzwischen anders aus. Begriffe, die zum Jargon der sogenannten Neuen Rechten gehören – dazu zählt der Verfassungsschutz Gruppierungen wie das Institut für Staatspolitik in Sachsen-Anhalt, den Verein „Ein Prozent“ und das Magazin „Compact“ – finden sich teilweise inzwischen auch in Reden, die AfD-Abgeordnete im Plenarsaal des Bundestages halten. Ruben Rupp, Abgeordneter der AfD im baden-württembergischen Landtag, sagt, es sei nötig, „die Remigration schnell und entschieden durchzuführen“.
Grenzen der Meinungsfreiheit
Gleichzeitig bemühen sich Politiker der AfD, Zweifel daran zu nähren, dass es dem Verfassungsschutz in Bund und Ländern um die Sicherung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung geht. So kritisierte etwa der Abgeordnete Martin Reichardt im vergangenen November, dass ins Visier des Verfassungsschutz gerate, „wer in diesem Land von Umvolkung spricht“. Sven Kachelmann von der AfD-Nachwuchsorganisation, Junge Alternative, beklagte bereits 2019, dass ein ethnisch-kultureller Volksbegriff – „pauschal als verfassungsfeindlich angesehen wird“.
Außerdem versuchen Politikerinnen und Politiker der AfD den Eindruck zu erwecken, die Kritik an der Verwendung von Begriffen aus der rechten Szene sei keine Warnung vor dem Einsickern extremistischen Gedankenguts, sondern bloß überzogene politische Korrektheit. Der Ehrenvorsitzende der AfD, Alexander Gauland, führte 2019 aus: „Wir, die AfD, treten dafür ein, dass Meinungsfreiheit nicht nur erhalten bleibt, sondern kämpfen gegen die sogenannte political correctness und Tabuthemen, die uns links-grüne Ideologen mit erhobenem Zeigefinger aufzwingen wollen.“
Renate Köcher, die Geschäftsführerin des Meinungsforschungsinstituts Allensbach, ist zwar auch eine Kritikerin von verengten Meinungskorridoren. In einem Aufsatz für „Libertas – Jahrbuch für Meinungsfreiheit“ führte sie 2021 aus, es sei schlecht, wenn „die Bürger den Eindruck haben, dass sie immer mehr beobachtet und bewertet werden und einem oft kleinteiligen Erziehungsprozess ausgesetzt sind – und sei es auch mit den besten Absichten“. Das bedeutet aus ihrer Sicht aber nicht, dass jeder alles sagen und sogar Hass und Hetze verbreiten könne. Köcher argumentiert, es sei etwas ganz anderes, wenn sich eine Gesellschaft „allgemein akzeptierten und für sinnvoll gehaltenen Normen unterwirft“. (epd/mig) Aktuell Feuilleton
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