Maschendrahtzaun, Abschiebung, Gefängnis, Grenze
Maschendrahtzaun © Free-Photos @ pixabay.com (Lizenz), bearb. MiG

„Jeder Tag ist sehr hart“

Ein Besuch im Ankunftszentrum Bramsche

Im Ankunftszentrum Bramsche der Landesaufnahmebehörde Niedersachsen kommen Menschen unter, die geflüchtet oder migriert sind. Ein Bewohner lobt die Anlage. Ein anderer ist von Deutschland enttäuscht.

Von Donnerstag, 21.12.2023, 16:00 Uhr|zuletzt aktualisiert: Donnerstag, 21.12.2023, 13:25 Uhr Lesedauer: 4 Minuten  |  

Das Ankunftszentrum Bramsche liegt abseits der Stadt neben Wiesen und Bäumen, ein Zaun umschließt es. Vögel zwitschern, ein Müllabfuhrwagen rollt heran. Dann ist es still, als gebe es die Einrichtung und ihre vielen Menschen nicht.

Am Eingang kontrollieren Sicherheitsleute wie an einem Grenzübergang, wer ein- und ausgeht. Sie müssen auch verhindern, dass ausländische Geheimdienstmitarbeiter, die politische Flüchtlinge ausspähen wollen, in das Zentrum gelangen. Die Asylbewerber dürfen das Gelände verlassen.

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Ein Sicherheitsmann am Tor sagt, dass er seit rund zwei Jahren in Deutschland ist. Während er die Besucher über das Gelände führt, berichtet er, dass es in den vergangenen Wochen ruhiger geworden sei, weil weniger Menschen kämen. Das Zentrum gleicht einer kleinen Stadt: Straßen durchziehen es, Autos sind dort geparkt und Grünflächen angelegt. Vor dem Gebäude des Standortleiters stoppt der Sicherheitsmann. Tischtennisplatten aus Beton, wie man sie von Schulhöfen kennt, stehen davor.

Politischer Auftrag: Leute verwalten

Das Ankunftszentrum in Bramsche ist eines von zwei in Niedersachsen. Das andere befindet sich in Braunschweig. Wer in das Bundesland flüchtet oder migriert, kommt in der Regel zunächst in eines der Zentren. In Niedersachsen verteilt gibt es zudem ein Dutzend weitere Unterkünfte der Landesaufnahmebehörde.

Im Büro berichtet Standortleiter Hendrik Robbers, dass die Asylsuchenden fünf Prozesse durchlaufen: Registrierung, Erstuntersuchung, Aktenanlage, Anhörung und Verteilung in die Kommunen. Ein rein verwaltungstechnisches Herangehen sei das, sagt er. Das klinge furchtbar, aber so sei es. „Wir setzen hier am Ende des Tages den politischen Auftrag um, die Leute entsprechend zu verwalten.“

„Alles läuft reibungslos“

Die Maximalbelegung des Standorts liegt bei 1.200 Menschen. Zum Zeitpunkt des Besuchs im späten November ist das Ankunftszentrum überbelegt. Rund 1.600 Menschen leben dort, weshalb Lagerhallen genutzt werden, um die Asylsuchenden unterzubringen. Zeitweise seien mehr als 2.000 Menschen beherbergt worden. Robbers sagt, wie schon der Sicherheitsmann, dass nun weniger Menschen kämen. Warum die Zahlen fielen, wisse er nicht.

Einer der Asylsuchenden in Bramsche ist Mohammed Shariff Junior. Er steht in einer Schlange vor dem Sanitätshaus. Ein Arm des jungen Mannes aus dem westafrikanischen Liberia ist in einem Gips. Beim Fußballspielen habe er sich den gebrochen, berichtet Shariff Junior Er wurde bereits operiert. „Alles läuft reibungslos“, sagt er über das Ankunftszentrum. Ein anderer Liberianer wird das Zentrum später ebenfalls loben.

Unglücklich über die Unterbringung

Auf dem Weg nach Deutschland habe Shariff Junior Guinea, Mali, Algerien und Tunesien durchquert. Ab Tunesien habe er ein Boot genommen, dann stockt er. Sehr gefährlich sei das gewesen. Es habe einen Unfall gegeben, zwei Dutzend Menschen seien gestorben. Er und andere Passagiere seien von Italienern gerettet worden. „Ich danke Gott dafür, dass ich heute lebe“, sagt er. Dann wird Shariff Junior in das Sanitätshaus gerufen.

Auf der Straße nebenan geht ein Mann, ein kleines Mädchen hat er im Arm. Er heißt Nisar Ahmad und das Mädchen ist seine Tochter. Anders als Shariff Junior ist der Pakistaner unglücklich über die Unterbringung.

Mehr erwartet von Deutschland

Die Duschräume lägen weit von den Zimmern entfernt und seien schmutzig, beklagt er. Das Essen sei nicht genießbar. Immer wieder wiederholt er, dass seine Frau schwanger sei und der Fahrer, der sie abholen und in eine Arztpraxis nach Osnabrück bringen sollte, verspätet angekommen sei. Es wirkt, als sorge sich Ahmad um seine Familie. „Das Leben ist sehr hart“, sagt er. „Jeder Tag ist sehr hart.“

Dann führt er in das Zimmer, in dem seine fünfköpfige Familie lebt. Mehrere Betten sind nebeneinander auf PVC-Boden platziert. Gegenüber steht ein Schrank, dem mehrere Türen fehlen. H-Milch ist gelagert. Ahmad zeigt aufgebracht auf Verfärbungen und Schmutz an den Wänden. Dann geht er zum Schrank. Er sucht ein Dokument hervor. Es ist eine Kopie, auf der „LL.B.“ steht, was Bachelor of Laws bedeutet, ein Hochschulabschluss in Rechtswissenschaft. Von Deutschland habe er mehr erwartet, sagt Ahmad.

Brauchen Betten, Waschräume und Privatsphäre

Robbers führt über das Gelände, vor einer Turnhalle bleibt er stehen. In der Halle sind nur Männer untergebracht. Drinnen riecht es süßlich nach Schweiß, ähnlich wie in einem Klassenfahrtzimmer. Ein Bewohner fragt einen Sicherheitsmann auf Arabisch nach dem WLAN. Man arbeite daran, sagt Robbers zum Mitarbeiter, der übersetzt. Der Fragesteller hört sich das an und wirkt nicht unzufrieden.

Robbers sagt, er wünsche sich, dass es mehr Plätze gebe, um die Neuankömmlinge unterzubringen – in Bramsche oder woanders. Dabei brauche es vernünftige Qualität: ordentliche Betten, Waschräume und Privatsphäre. „Die können wir im Moment nicht immer bieten.“ (dpa/mig) Aktuell Panorama

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