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Ein Antragsformular (Symbolfoto) © Krissie @ pixabay.com (Lizenz), bearb. MiG

Über Hürden hinweg

„Stadtteileltern“ begleiten Migrantenfamilien in Ludwigshafen

Für Migranten und Flüchtlinge ist es nicht leicht, in der deutschen Gesellschaft „anzukommen“. Bei einem Projekt der pfälzischen Diakonie in Ludwigshafen unterstützen ehrenamtliche Helfer bedürftige Familien in zwei sozialen Brennpunkten.

Von Dienstag, 24.10.2023, 15:00 Uhr|zuletzt aktualisiert: Dienstag, 24.10.2023, 10:10 Uhr Lesedauer: 3 Minuten  |  

„Wir kämpfen“, sagt Fatme Rashid mit entschlossener Miene. Noch läuft nicht alles rund für die Familie der 43-jährigen Kurdin aus Syrien, die seit sieben Jahren in Deutschland lebt. „Wir wollen Arbeit finden, auf eigenen Füßen stehen“, sagt die ehemalige Grundschullehrerin aus Aleppo in fast fehlerfreiem Deutsch. Doch eine große Hürde gibt es noch: Die Behörden müssen erst ihre Ausbildungsdokumente und die ihres Ehemannes anerkennen.

„Das schaffen wir schon“, sagt Christiane Dörsch, die die in Ludwigshafen-Oggersheim wohnende Flüchtlingsfamilie betreut. Seit Juli ist die ehemalige Managerin aus Altrip ehrenamtlich für das neue Projekt „Stadtteileltern für Stadtteilfamilien“ tätig: Vor allem bedürftige migrantische Familien sollen in den Ludwigshafener Stadtteilen Hemshof und nördliche Innenstadt bei der Integration begleitet werden. Diese sind soziale Brennpunkte mit hoher Armut und Arbeitslosigkeit. Die Projektleitung hat die pfälzische Diakonie inne, Kooperationspartner sind die Stadt Ludwigshafen und die BASF SE.

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„Täglich fünf bis zehn Wörter“

„Ich lerne Deutsch, täglich fünf bis zehn Wörter“, erzählt Fatme Rashid stolz. „Und wenn es nicht klappt, bin ich traurig.“ Gerne würde sie wieder in ihrem alten Beruf, vielleicht aber auch als Dolmetscherin arbeiten, fügt sie an. Die Tochter Silan (zehn), die ein astreines Hochdeutsch spricht, ist in der Grundschule, der Sohn Sidar (fünf), im Kindergarten. Der Älteste, der 16-jährige Saiwan, macht sich prächtig auf der Realschule plus – später will er vielleicht ein duales Studium absolvieren.

Etwas Sorge macht Fatme Rashid allerdings ihr Ehemann Walat: Der 48-jährige Telekommunikationsmanager fertige nun als Hilfsarbeiter „Keramikteile für Autos“, sagt sie. Walat Rashid fühle sich unterfordert, drohe depressiv zu werden – auch wegen traumatisierender Fluchterfahrungen: Islamistische Extremisten schossen auf die kurdische Familie, die über gefährliche Wege nach Deutschland flüchtete.

„Sie ist unsere Freundin geworden“

„Das kann doch nicht wahr sein, dass Walat so einen Job macht, das ist nicht gut“, befindet Christiane Dörsch. Den Kontakt zu den Rashids fand sie als „Lernpatin“ für die Tochter Silan. Nun hilft sie der Familie, in ihrer neuen Heimat „anzukommen“: Sie begleitet sie auf Ämter, zu Ärzten und in die Schulen, telefoniert und hilft beim alltäglichen „Papierkram“. „Sie ist unsere Freundin geworden“, sagt Fatme Rashid dankbar.

Ziel sei es, etwa 30 Ehrenamtliche für das bis Ende 2025 laufende Projekt zu finden, informiert Petra Michel, Leiterin des „Hauses der Diakonie“ in Ludwigshafen. Sechs Frauen und ein Mann aus verschiedenen Nationalitäten engagierten sich bisher. „Das ist zu wenig“, sagt die Sozialpädagogin. Mit Schulungen und Workshops sollen die „Stadtteileltern“ professionell begleitet werden.

Bewältigung des Alltags

Viele der in den beiden Stadtteilen lebenden Familien benötigten etwa wegen Sprachproblemen Hilfen, um ihren Alltag zu bewältigen, berichtet Michel. Dazu zählten Behördengänge, die Suche nach einem Kita-Platz oder einfach die Kontaktaufnahme zu den Nachbarn im Quartier. Die „Stadtteileltern“ verpflichteten sich, wöchentlich bis zu fünf Stunden für „Stadtteilfamilien“ da zu sein und erhielten dafür auch eine Aufwandsentschädigung.

Vor allem das Ausfüllen von Formularen sei für viele Zuwanderer und Flüchtlinge „ein absoluter Dschungel“, weiß Christiane Dörsch, die über eine Schulsozialarbeiterin auf die Familie Rashid aufmerksam wurde. „Ich wollte einfach helfen, damit sie hier einen Weg finden“, sagt Dörsch. Fatme Rashid, die vielleicht noch einmal studieren will, nickt: „Syrische Menschen sind fleißig. Sie geben nicht auf, sie kämpfen.“ (epd/mig) Aktuell Panorama

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