Bayern nach der Wahl
Parlamentsalltag mit der rechtsextremen AfD
In den ersten fünf Jahren war es den etablierten Parteien gelungen, die AfD-Abgeordneten im Landtag zumindest ein Stück weit zu isolieren. Nach dem Erstarken der Rechtspopulisten dürfte dies schwieriger werden.
Von Michael Donhauser und Christoph Trost Montag, 16.10.2023, 20:00 Uhr|zuletzt aktualisiert: Montag, 16.10.2023, 17:04 Uhr Lesedauer: 3 Minuten |
14,6 Prozent auf Landesebene – die AfD in Bayern jubelt. Sie wurde drittstärkste Kraft bei der Landtagswahl und ist größte Oppositionsfraktion im Landtag. Künftig werden die vom Verfassungsschutz beobachteten Rechtsextremisten 32 Abgeordnete ins Maximilianeum schicken – bisher waren es 17. Der Wahlerfolg erzeugt einen gewaltigen Nachhall. Ministerpräsident Markus Söder (CSU) fühlt sich schon an die Zeiten der Weimarer Republik erinnert – die schließlich den Nationalsozialisten mit den Weg bereitet hatten. Ob die AfD mit ihren teils stark rechtsgerichteten Thesen etwa in der Asyl- oder auch in der Sozialpolitik weiterhin auf fruchtbaren Boden stößt, wird abzuwarten bleiben.
Für den parlamentarischen Alltag jedenfalls kann das Erstarken durchaus Konsequenzen haben. Bisher hatten sich die etablierten Parteien – von der AfD auch als „Kartellparteien“ beschimpft – erfolgreich gewehrt, die Rechtsextremisten vollends in den Parlamentsalltag zu integrieren. Die AfD-Abgeordneten verhielten sich vielfach wie Fremdkörper – etwa als zwei von ihnen Rechtsradikale in die Räume des Hohen Hauses einluden – und wurden auch so behandelt.
Künftig wird die AfD früher als bisher auf die Reden von Ministerpräsident und Fachministern, etwa nach Regierungserklärungen, antworten und mehr Redezeit in Anspruch nehmen können – die Reihenfolge richtet sich nach der Zahl der Fraktionsmitglieder. Der Münchner Politologie Martin Gross glaubt, dass dies der Partei auch mehr Sichtbarkeit verschaffen wird. „Man ist eben die größte Oppositionspartei und auch die erste Partei, die die Landesregierung dann kritisieren darf, öffentlich in Landtagsdebatten“, sagte er.
Ein AfD-Landtags-Vizepräsident?
Auch auf Ausschuss-Vorsitze kann die AfD künftig leichter zugreifen. So könnte künftig auch ein so heikles Gremium wie der Innenausschuss, in dem sicherheitsrelevante Themen diskutiert werden, von einem AfD-Politiker geführt werden.
Über Jahre versuchte die AfD in ihrer ersten Legislaturperiode, einen Posten als Landtags-Vizepräsident zu ergattern, ebenso wie einen Sitz im parlamentarischen Kontrollgremium. In den geheimen Abstimmungen fielen die Kandidaten aber jedesmal durch. Die Chefin der Bundestagsfraktion, Alice Weidel, nannte das Verhalten der anderen Parteien deswegen „zutiefst undemokratisch“. Denn auch im Bundestag gehörten AfD-Parlamentarier bisher nicht dem Präsidium an. Mit ihrem Protest kam die Partei bisher aber auch beim Bundesverfassungsgericht nicht durch.
Neue Debattenkultur im Landtag
Den Regeln des bayerischen Parlaments zufolge steht eigentlich jeder Fraktion ein Posten als Vizepräsident zu. Andererseits kann niemand dazu gezwungen werden, für einen bestimmten Kandidaten zu stimmen. So blieb der Posten fünf Jahre lang unbesetzt.
Das Amt des Landtagsvizepräsidenten galt lange Zeit eher als ein symbolischer Posten. Doch mit den Abgeordneten der AfD zog auch eine neue Debattenkultur ins Maximilianeum ein. „Der Ton ist wirklich rauer geworden im Bayerischen Landtag, die Debattenkultur hat heftig gelitten, manche Wortbeiträge waren unterirdisch“, sagte die bisherige und wohl auch künftige Parlamentspräsidentin Ilse Aigner (CSU) in ihrer Bilanz der zurückliegenden Legislatur.
Besetzung des Kontrollgremiums
Hatte es zuvor über Jahrzehnte kaum Rügen für Abgeordnete gegeben, musste das Präsidium in den vergangenen fünf Jahren 25 Mal das disziplinarische Mittel zur Hand nehmen. Wie sich die Wortbeiträge und Zwischenrufe unter dem Vorsitz und der Debattenführung eines möglichen AfD-Vizepräsidenten verhalten werden, bleibt zunächst Spekulation.
Noch heikler dürfte die Besetzung des Parlamentarischen Kontrollgremiums sein – dieses überwacht unter anderem die Arbeit des Landesamtes für Verfassungsschutz. Auch aus diesem Gremium wurden die AfD-Abgeordneten bisher ferngehalten. Schließlich beobachten die Verfassungsschützer die AfD, wegen des Verdachts auf verfassungsfeindliche Umtriebe in der Partei. Die „Vertreter des Verfassungsschutzes“ werden auf AfD-Kundgebungen gerne sarkastisch begrüßt – gemeinhin unter dem Johlen der Anwesenden. (dpa/mig) Aktuell Politik
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