„Epidemie der Gleichgültigkeit“

Papst: Mittelmeer wird zum „Grab der Menschenwürde“

Mit Dank an die Seenotretter und scharfer Kritik an der europäischen Flüchtlingspolitik ist Papst Franziskus nach Marseille gereist. Das Mittelmeer, einst „größtes Friedhof Europas“, werde zu einem „Grab der Menschenwürde“, sagte er.

Sonntag, 24.09.2023, 16:00 Uhr|zuletzt aktualisiert: Sonntag, 24.09.2023, 12:49 Uhr Lesedauer: 2 Minuten  |  

Eine „Epidemie der Gleichgültigkeit“ in der Gesellschaft hat Papst Franziskus bei einem Besuch in Marseille am Wochenende beklagt. An der französischen Mittelmeerküste stellte er vor allem den Umgang mit Flüchtlingen und Migranten ins Zentrum seiner Mahnung: Das Mittelmeer werde zu einem „Grab der Menschenwürde“.

Der Papst warnte in seiner Predigt zum Abschluss der Marseille-Reise am Samstagnachmittag im Stadio Vélodrome vor Gleichgültigkeit und Verhärtung gegenüber Migranten, ungeborenen Kindern oder einsamen alten Menschen. Vor rund 67.000 Gläubigen sprach er von einer wahren Epidemie. An der Feier in dem Mehrzweckstadion nahm auch der französische Staatspräsident Emmanuel Macron teil, mit dem sich Franziskus zuvor persönlich zu einem Gespräch getroffen hatte.

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Papst kritisiert EU-Politik scharf

Die Messe setzte den Schlusspunkt des sogenannte Mittelmeer-Treffens, das in diesem Jahr unter dem Motto „Mittelmeer – Mosaik der Hoffnung“ stattfand. Bei der Begegnung von Vertretern verschiedener Religionen und Konfessionen, Politikern, Akteuren der Zivilgesellschaft und jungen Menschen aus den Ländern des Mittelmeerraums machte Papst Franziskus in einer eindringlichen Ansprache am Samstagmorgen ebenfalls die Situation von Geflüchteten zum Thema.

Dabei kritisierte er die Politik der Europäischen Union scharf. Ein Schmerzensschrei erklinge lauter als alles andere, sagte das Oberhaupt der katholischen Kirche. Das Mittelmeer, die Wiege der Zivilisation, werde zum „Grab der Menschenwürde“. In früheren Reden hatte der Papst das Mittelmeer öfter bereits als „größten Friedhof Europas“ bezeichnet.

Papst: Zukunft liegt nicht in der Abschottung

Marseille sei seit Jahrhunderten ein offener Hafen, andere Häfen hingegen hätten geschlossen, sagte Franziskus mit Bezug auf die aktuellen Diskussionen um Migration und Flüchtlinge. Worte wie „Invasion“ schürten die Ängste der Menschen, erklärte er. „Aber diejenigen, die ihr Leben auf dem Meer riskieren, sind keine Invasoren, sie suchen Aufnahme.“ Es brauche eine „europäische Verantwortung“. Der Papst kündigte an, er ziehe eine Bischofskonferenz für den Mittelmeerraum in Betracht.

Die Zukunft liege nicht in der Abschottung. „Zu sagen ‚genugÄ, bedeutet hingegen die Augen zu verschließen; der Versuch, sich heute ‚selbst zu retten‘, wird sich morgen in eine Tragödie verwandeln“, mahnte das Kirchenoberhaupt. „Künftige Generationen werden uns danken, wenn es uns gelungen ist, die Bedingungen für eine unvermeidliche Integration zu schaffen, während sie uns die Schuld geben werden, wenn wir lediglich eine sterile Assimilation betrieben haben.“ Integration sei mühsam, aber eine weitsichtige Vorbereitung auf die Zukunft, sagte Franziskus.

Papst dankt privaten Seenotrettern

Papst Franziskus war am Freitag extra für das Treffen nach Marseille gereist. Bereits am Abend nach seiner Ankunft verurteilte er bei einem Termin in Sichtweite eines Denkmals für Ertrunkene den Tod Tausender Menschen im Mittelmeer und dankte privaten Seenotrettern für ihren Einsatz.

In seiner Botschaft zum 109. Welttag der Migranten und Flüchtlinge am Sonntag betonte der Papst die Wichtigkeit von Freiheit. Sie solle die Entscheidung, das eigene Land zu verlassen, immer kennzeichnen. (epd/dpa/mig) Aktuell Panorama

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