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Filmemacher Fatih Akın © MiGAZIN

Fatih Akın wird 50

Mischung aus Vertrautheit und Fremdheit, Nähe und Ferne

Begegnung und Versöhnung zwischen den Kulturen sind das Lebensthema des Regisseurs Fatih Akın. Vor 50 Jahren wurde er in Hamburg geboren und wuchs in einem Problemkiez auf. Inzwischen zählt er zu den erfolgreichsten Filmschaffenden in Deutschland.

Von Donnerstag, 24.08.2023, 15:00 Uhr|zuletzt aktualisiert: Donnerstag, 24.08.2023, 13:00 Uhr Lesedauer: 4 Minuten  |  

Als 2017 der neue Film von Fatih Akın auf dem Festival von Cannes Premiere feierte, stand der Stoff exemplarisch für das Schaffen des deutsch-türkischen Regisseurs: Wie fast all seine Filme, die er seit seinem furiosen Debüt „Kurz und Schmerzlos“ gedreht hat, handelt auch „Aus dem Nichts“ von Kollisionen zwischen verschiedenen Kulturen. Vor 50 Jahren, am 25. August 1973, wurde Akın als Sohn türkischer Einwanderer in Hamburg geboren.

In „Aus dem Nichts“ geht es um eine junge Mutter, die bei einem Bombenattentat ihren Mann und ihren Sohn verliert. Ein junges Neonazi-Pärchen gerät in den Fokus der Ermittlungen, doch die von Diane Kruger in ihrem ersten deutschsprachigen Film gespielte Mutter will sich nicht auf einfache Lösungen verlassen. Es geht Akın um Wahrheit und Gerechtigkeit, „sowohl im rechtsstaatlichen als auch im moralischen Sinne“ wie er dem Berliner „Tagespiegel“ damals sagte, darum, wie „widersprüchlich und dehnbar“ diese Begriffe sein können.

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Keine Lust auf Kriminellenrolle

Es ist das Lebensthema des Regisseurs, der im Problemkiez unter gewalttätigen Jugendgangs aufwuchs. Aus diesem Milieu speist sich die ungestüme Energie seiner Filme. Die filmische Karriere von Akın beginnt als Schauspieler. Weil er bald keine Lust mehr hat, auf türkische Kriminelle festgelegt zu werden, schreibt er Drehbücher.

Inspiriert von Filmen wie „Taxi Driver“ oder „Mean Streets“ erkennt er früh den Humus vergleichbarer Geschichten im eigenen Umfeld. Konsequent speisen sich seine Filme seitdem aus persönlichen Beobachtungen und Erfahrungen. Damit verpasst er ihnen eine authentische und unmittelbare Wahrhaftigkeit, die im deutschen Kino der späten 90er Jahre und frühen Nullerjahre mit voller Wucht einschlägt und ihm bald Anerkennung von großen Regisseuren wie Volker Schlöndorff oder Martin Scorsese einbringt.

Wandeln zwischen Welten

Sein erstes großes Meisterwerk „Gegen die Wand“ erzählt 1998 in mitreißenden Bildern vom Freiheitsdrang der Deutschtürkin Sibel (Sibel Kekilli) und davon, wie ihre Bedürfnisse mit den Traditionen ihrer strengen türkischen Familie kollidieren. Aus der strategischen Ehe mit dem sehr viel älteren, seelisch und physisch zerrütteten Alkoholiker Cahit (Birol Ünel) entsteht eine Kraft, die für beide zumindest eine Zeit lang die Rettung ist.

Der Film ist der erste Teil der Trilogie „Liebe Tod und Teufel“, die Akın 2004 in neuem, nachdenklich abgeklärtem Tonfall mit „Auf der anderen Seite“ fortsetzt. Sechs Menschen wandeln zwischen den Welten, zwischen Deutschland und der Türkei, Bremen, Hamburg und Istanbul, zwischen Tod und Leben, und finden trotz tragischer Ereignisse und tödlicher Konfrontationen zueinander. Nicht nur muslimische und christliche Lebenswelten treffen sich da, sondern auch die türkische Schauspiellegende Tuncel Kurtiz aus den Filmen von Yilmaz Güney und der deutsche Fassbinder-Star Hanna Schygulla.

Neue Perspektiven

Aus der Bewegung zwischen Deutschland und der Türkei ergeben sich in Akıns Filmen immer wieder neue Perspektiven. Statt einer Konfrontation der Religionen und Nationalitäten zielt er auf Begegnung und Versöhnung. Überhaupt erzählen viele seiner Filme von Reisen, und damit auch von Austausch und von der Annäherung zwischen den Kulturen.

Persönlich sind seine Geschichten selbst dann, wenn er wie in „Solino“ ausnahmsweise mal ein fremdes Drehbuch verfilmt, das von italienischen Immigranten in den 70er und 80er Jahren erzählt: „Auch meine Familie ist eine Einwandererfamilie, Apulien und Anatolien, wo ist der Unterschied? Genau wie Gigi habe ich einen älteren Bruder, und genau wie Gigi war ich ein kleiner Junge mit einem großen Traum: dem Traum vom Filmemachen“, schreibt er in seiner Autobiografie „Im Clinch“.

Ungestüme Leidenschaft

Zur ungestümen Leidenschaft von Akıns Filmen passt auch der Name, den er 2004 seiner mit Freunden gegründeten Hamburger Produktionsgesellschaft gibt: „Corazon International“. Internationales Herz. Dort produziert er neben eigenen Projekten auch die Herzensfilme von Regisseuren aus seinem Umfeld.

Zwischen den Spielfilmen dreht Akın häufig dokumentarische Brückenfilme, so wie „Denk ich an Deutschland – wir haben vergessen zurückzukehren“ über die Einwanderungsgeschichte seiner Eltern, „Crossing the Bridge – the Sound of Istanbul“, in dem der deutsche Musiker Axel Hacke die türkische Musikszene Istanbuls erkundet, oder „Müll im Garten Eden“ über einen Umweltskandal in einem Dorf am Schwarzen Meer.

Mischung aus Nähe und Ferne

Die Mischung aus Vertrautheit und Fremdheit, Nähe und Ferne schärft Akıns kritischen Blick auf türkisch-deutsche Verhältnisse. Immer wieder macht sie ihn zum Mittler, egal ob er die Zwangsläufigkeit des gewalttätigen Machismo südländischer Gesellschaften infrage stellt, ausgegrenzte kurdische Minderheiten einbezieht oder in „The Cut“ den armenischen Völkermord thematisiert.

Im vergangenen Jahr hat sich Fatih Akın dann wohl in gewisser Weise von der eigenen Jugend verabschiedet, mit „Rheingold“, einem Biopic des Bonner Gangster-Rappers Xatar, der sein erstes Album auf einem eingeschmuggelten Diktiergerät im Gefängnis produzierte. Man darf gespannt sein auf die Haken, die er im zweiten Teil seiner Karriere schlagen wird. (epd/mig) Aktuell Feuilleton

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  1. Levent Öztürk sagt:

    Leider hat Fatih Akin in Deutschland nur deshalb eine Bühne, Applaus und Anerkennung erhalten, weil er nahezu ausnahmslos in seinen Filmen stets die türkische Seite als negativ, schlecht, im Unrecht befindet und verbesserungswürdig dargestellt hat. Er schließt den Kreis wo aus der selben genannten Gründen Personen wie Bülent Ceylan eine Bühne als „Kommedian“ oder Cem Özdemir eine Bühne als Politiker erhalten haben und weiterhin erhalten.