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Dramatischer Rettungseinsatz im Mittelmeer (Archiv) © Twitter/@MSF_Sea

Gefährliche Fluchtroute

Private Schiffe retten Hunderte Geflüchtete im Mittelmeer

Erneut haben private Initiativen in kurzer Zeit Hunderte Geflüchtete im Mittelmeer gerettet. Für die „Ocean Viking“ soll es gar der größte Einsatz bisher gewesen sein. Das Erstaufnahmelager von Lampedusa ist überfüllt. Grünen-Politiker fordert Bundespolizei-Einsatz im Mittelmeer.

Sonntag, 13.08.2023, 16:00 Uhr|zuletzt aktualisiert: Sonntag, 13.08.2023, 13:36 Uhr Lesedauer: 4 Minuten  |  

Hilfsorganisationen haben erneut Hunderte Geflüchtete im Mittelmeer gerettet. Allein die „Ocean Viking“ kam 623 Menschen zu Hilfe. 369 Überlebende durften das Schiff am Samstag in Empedocle auf Sizilien verlassen, wie die Organisation SOS Méditerranée, die das Schiff betreibt, mitteilte. Es habe sich um den bisher größten Einsatz der „Ocean Viking gehandelt“, schrieben die Seenotretter auf der Plattform X, ehemals Twitter. Weitere Rettungsschiffe privater Initiativen brachen am Wochenende zum Einsatz auf.

Insgesamt hatte die „Ocean Viking“ den Angaben zufolge Ende vergangener Woche innerhalb von 48 Stunden 15 Rettungseinsätze absolviert. Dem Schiff wurden demnach zwei Häfen für Überlebenden zugewiesen. Die noch auf der „Ocean Viking“ verbliebenen Menschen würden nach dem Zwischenhalt auf Sizilien nach Civitavecchia gebracht, nahe der italienischen Hauptstadt Rom. Am Freitagabend hatte SOS Méditerranée zunächst mitgeteilt, dass der erste Teil der Geflüchteten nach Lampedusa gebracht werde.

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Bis auf einen spielten sich laut SOS Méditerranée alle Einsätze auf der Route zwischen der tunesischen Hafenstadt Sfax und der italienischen Insel Lampedusa ab. Diese Rettungen seien von den italienischen Behörden koordiniert worden.

Italien weist erneut weit entfernten Hafen zu

Die „Humanity 1“ war mit 106 Geflüchteten auf dem Weg zum norditalienischen Hafen Ancona. Die Menschen waren bei zwei Einsätzen am Freitag in internationalen Gewässern vor Libyen gerettet worden. Ancona sei 1.400 Kilometer entfernt, kritisierte die deutsche Initiative SOS Humanity, die das Schiff betreibt, auf X. „Die erschöpften Überlebenden müssen so vier Tage auf einen sicheren Ort warten.“ Die italienische Regierung steht in der Kritik, Seenotretter durch die wiederholte Zuweisung weit entfernter Häfen zu schikanieren.

Die „Aurora“ der Organisation Sea-Watch rettete am Samstag ebenfalls 22 Menschen südlich von Lampedusa. Die italienischen Behörden hätten dem Schiff den sizilianischen Hafen von Pozzallo zugewiesen, teilte Sea-Watch auf X mit. Dieser sei etwa zwölfmal so weit entfernt wie Lampedusa.

Weitere Schiffe retten dutzende Geflüchtete

Auch kleinere Schiffe hatten in den vergangenen Tagen jeweils Dutzende Geflüchtete gerettet. Das Segelschiff „Astral“ der spanischen Organisation „Open Arms“ erreichte am Samstag mit 59 Überlebenden an Bord Sizilien. Die Menschen waren den Angaben zufolge in der Nacht auf Freitag von vier überfüllten Booten evakuiert worden. Die „Nadir“ der Hamburger Initiative Resqship war am Freitagabend ebenfalls mit 54 Überlebenden auf dem Weg nach Lampedusa.

Derweil brachen weitere Rettungsschiffe am Wochenende auf. Die „Sea-Eye 4“ machte sich am Samstagmorgen vom spanischen Hafen Burriana aus auf den Weg zum dritten Einsatz dieses Jahres, wie die gleichnamige Organisation mitteilte. Die spanische „Open Arms“ startete am Samstag aus Brindisi im Süden Italiens.

Fast 1.000 Menschen erreichen Lampedusa

Derweil berichtet die Nachrichtenagentur Ansa am Sonntag, fast 1.000 Menschen hätten von Samstag bis Sonntag die italienische Mittelmeerinsel Lampedusa erreicht. In der Nacht zum Sonntag seien 277 Menschen in sechs Booten von der italienischen Küstenwache auf die Insel gebracht. Am Samstag kamen knapp 718 Menschen in 27 Booten an. Sie stammten aus dem Kongo, der Elfenbeinküste, Burkina Faso, Kamerun, Guinea, Nigeria, dem Senegal und Mali, meldete Ansa. Sie gaben demnach an, von den tunesischen Küstenstädten Sfax, Gabès und Mahdia abgefahren zu sein. Das Erstaufnahmelager von Lampedusa ist überfüllt. In dem für 400 Menschen ausgerichteten sogenannten Hotspot befinden sich zurzeit mehr als 2.000 Menschen.

Das Mittelmeer zählt zu den gefährlichsten Fluchtrouten weltweit. Nach Angaben der Internationalen Organisation für Migration (IOM) kamen seit Beginn des Jahres fast 2.100 Menschen bei der Überfahrt ums Leben, oder sie werden vermisst. Die Dunkelziffer dürfte weit höher liegen. Eine staatlich organisierte Rettungsmission der Europäischen Union gibt es derzeit nicht.

Grünen-Politiker: Bundespolizei-Einsatz im Mittelmeer

Der Grünen-Innenpolitiker Julian Pahlke hat deshalb vorgeschlagen, Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) solle die Bundespolizei anweisen, im Mittelmeer Bootsmigranten vor dem Ertrinken zu retten. „Solange es keine europäische Seenotrettung gibt, sollte die Bundespolizei von der Innenministerin in einen humanitären Hilfseinsatz geschickt werden“, sagte der Bundestagsabgeordnete der „Deutschen Presse-Agentur“. Die Bundespolizei verfüge schließlich auch über Schiffe, die für einen solchen Einsatz durchaus geeignet wären, fügte er hinzu.

In der Bundesregierung und bei der Gewerkschaft der Polizei (GdP) stieß sein Vorschlag nicht auf positive Resonanz. Andreas Roßkopf, Vorsitzender des GdP-Bezirks Bundespolizei und Zoll, sagte, dies gehöre nicht zu den Aufgaben der Bundespolizei. Er betonte: „Wir haben klare Aufgabenzuweisungen. Dies gehört primär nicht dazu.“

Regierung strebe EU-Seenotrettungsmission an

Das Bundesinnenministerium nahm zu dem Vorstoß des Grünen-Politikers nicht Stellung. Aus dem von Pahlkes Parteifreundin Annalena Baerbock geführten Auswärtigen Amt verlautete, die Bundesregierung strebe weiterhin eine „staatlich koordinierte und europäisch getragene Seenotrettung im Mittelmeer an“.

Vor allem aus den nordafrikanischen Ländern Libyen und Tunesien treten Geflüchtete in oft nicht seetauglichen Booten die Überfahrt an. Aus Tunesien gab es zuletzt vermehrt Berichte über Gewalt gegen dort lebende Migrantinnen und Migranten. (epd/dpa/mig) Aktuell Panorama

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