Wittstock in Brandenburg
Neonazi-Kandidat für Bürgermeisterwahl: „Ich ‚verkloppe‘ keine Ausländer“
Die Bürgermeisterwahl im Herbst in der Stadt Wittstock beschäftigt den Verfassungsschutz. Die Sicherheitsbehörde kennt einen Kandidaten und seine rechtsextremistische Gesinnung seit Jahren. Die Stadt sieht formal die Voraussetzungen erfüllt.
Sonntag, 06.08.2023, 16:00 Uhr|zuletzt aktualisiert: Montag, 20.11.2023, 11:22 Uhr Lesedauer: 3 Minuten |
Zur Bürgermeisterwahl in der Stadt Wittstock im Nordwesten Brandenburgs tritt auch ein Kandidat an, den der Verfassungsschutz als Rechtsextremisten einstuft und beobachtet. Verfassungsschutzchef Jörg Müller sagte am Donnerstag, Sandy Ludwig stehe nicht „auf dem Boden unserer freiheitlichen demokratischen Grundordnung“. Bündnisse gegen Rechtsextremismus bewerten die Kandidatur als alarmierend.
Ludwig, der in Wittstock ein Tattoostudio betreibt, war Mitbegründer der Neonazigruppe „Weiße Wölfe Terrorcrew“, die 2016 verboten wurde. Nach einer Analyse des Verfassungsschutzes wollte die gewaltbereite Gruppe ein am Nationalsozialismus orientiertes politisches System errichten. Eine Razzia gab es damals auch in Wittstock. Der Verfassungsschutz teilte mit: „Nach seiner Haftentlassung ist Ludwig weiterhin in der rechtsextremistischen Szene in der Region eingebunden und auch aktiv.“
Stadt: Kandidat erfüllt Voraussetzungen
Zur Wahl um das Bürgermeisteramt in der rund 15.000 Einwohner großen Stadt am 24. September sind insgesamt vier Kandidaten zugelassen: Für die CDU/Freie Wählergemeinschaft Philipp Wacker, Ralf-Thomas Schulz von der SPD und als Einzelbewerber Karsten Simon sowie Ludwig. Ein hauptamtlicher Bürgermeister oder Oberbürgermeister ist ein Beamter auf Zeit und wird für acht Jahre gewählt.
Ludwig habe die Voraussetzungen für die Zulassung zur Wahl erfüllt, teilte die Stadt Wittstock mit. Unter anderem hatte er laut Verwaltung 47 Unterstützerunterschriften vorgelegt, 44 waren erforderlich. Zudem muss jeder Kandidat selber an Eides statt versichern, dass er nicht von der Wählbarkeit nach dem Brandenburgischen Kommunalwahlgesetz ausgeschlossen ist (Paragraf 65, Absatz 3 des Gesetzes über die Kommunalwahlen im Land Brandenburg). Die „Märkische Allgemeine“ hatte zuvor berichtet und ein Foto gezeigt, auf dem alle vier Bürgermeister-Kandidaten nebeneinander zu sehen sind.
Kein Zweifel an der rechtsextremen Gesinnung
Der Vorsitzende des Aktionsbündnisses Brandenburg gegen Gewalt, Extremismus und Rassismus, Thomas Wisch, teilte in einer Stellungnahme mit, es sei durchaus alarmierend, „dass sich Ludwig offensichtlich so sicher fühlt, dass er sich diesen Sprung in die Öffentlichkeit traut“. Er hoffe, dass Ludwig viel Gegenwind erfahre. Es sei wichtig, ihm „überall Paroli zu bieten“. Auch die anderen Kandidaten und nicht zuletzt die Zivilgesellschaft seien gefragt. Der Sprecher des Bündnisses „Wittstock bekennt Farbe“, Matthias Puppe, sagte der „Deutschen Presse-Agentur“: „Es ist der Versuch der Rechtsextremen, sich hier salonfähig zu machen. Das empfinde ich schon als bedrohlich.“
Verfassungsschutzchef Müller sieht keinerlei Zweifel an der rechtsextremistischen Gesinnung Ludwigs. „Freie Wahlen sind in unserem Land ein fundamentales Recht unserer Demokratie.“ Eine Bewertung von politischen Kandidaturen obliege den Bürgern unseres Landes. Aber Ludwig sei „ganz klar ein erwiesener Rechtsextremist“, sagte Müller. In der Region sei er als Netzwerker und Führungsfigur der rechten Szene zu bewerten. „Die Haftstrafe hat seine rechtsextremistische Haltung da nicht verändert.“
Kandidat „verkloppe“ keine Ausländer
Laut Verfassungsschutz war Ludwig als Ordner auf einer Kundgebung tätig, die die rechtsextremistische Kleinstpartei Der Dritte Weg organisiert habe. „Ob seine Kandidatur zur Wittstocker Bürgermeisterwahl im Zusammenhang mit der Gründung des Landesverbandes Brandenburg der rechtsextremistischen Kleinstpartei „Der III. Weg“ steht, ist derzeit offen“, teilte der Verfassungsschutzchef mit.
Ludwig, der 1981 geboren ist, sagte am Donnerstag: „Ich sehe mich als Nationalisten, als stolzen Deutschen, dem sein Land noch was bedeutet (…). Ich gehe nicht los und verkloppe Ausländer. Ich komme auch super mit vielen Ausländern klar.“ Als Themen in seinem Wahlkampf nannte er „Masseneinwanderung, Sicherheit für die Stadt und Perspektiven für die Jugend“. (dpa/mig) Leitartikel Panorama
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