Historiker
Unionsvorstoß zu Asylrecht „parteistrategische Symbolik“
Für den Historiker Jonathan Spanos kommt der Asyl-Vorstoß der CDU nicht überraschend. Für Ordnungspolitiker sei das Asylrecht schon immer eine Herausforderung gewesen. In der Praxis sei der Vorschlag nicht umsetzbar.
Von Franziska Hein Mittwoch, 26.07.2023, 15:00 Uhr|zuletzt aktualisiert: Mittwoch, 26.07.2023, 11:50 Uhr Lesedauer: 2 Minuten |
Der Unionsvorschlag zur Abschaffung des individuellen Asylrechts in der EU ist laut dem Historiker Jonathan Spanos „parteistrategische Symbolik“. Es gehe dabei in erster Linie um Symbolpolitik und Identitätsfragen, sagte Spanos dem „Evangelischen Pressedienst“. „Diskussionen über den Asylartikel im Grundgesetz muss man als Identitätsdebatten über das Selbstverständnis der deutschen Gesellschaft verstehen.“ Denn fast alle Migrationsforscher seien der Meinung, dass es rechtlich und politisch unrealistisch sei, dies umzusetzen – unabhängig davon, wie der Vorschlag moralisch zu bewerten sei.
Der Parlamentarische Geschäftsführer der Unionsfraktion im Bundestag, Thorsten Frei (CDU), hatte in der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ dafür plädiert, das Individualrecht auf Asyl in der Europäischen Union abzuschaffen. Stattdessen solle es Kontingente geben, bei der die EU jährlich bis zu 400.000 Schutzbedürftige aufnimmt.
CDUs Asyl-Vorstoß nicht überraschend
Spanos, der über die Rolle des Protestantismus in den deutschen Asyldebatten promoviert hat, sagte, dieser Vorschlag sei durch die Positionierung des CDU-Parteivorsitzenden Friedrich Merz und die Vorstellung begründet, die AfD inhaltlich stellen zu wollen. Merz versuche, immer wieder solche Akzente zu setzen.
Blicke man hingegen als Zeithistoriker auf das Thema, komme der Vorschlag nicht überraschend. „Wenn man sich mit den Asyldebatten der 70er bis 90er Jahre beschäftigt, sieht man, es ist ein wiederkehrendes Thema“, sagte er. Die Grundfrage, ob man das individuelle Asylrecht schleifen oder abschaffen möchte, sei schon in den 80er Jahren intensiv verhandelt worden. Denn schon damals hätten einige den Eindruck gehabt, dass das Asylsystem sich in der Krise befunden habe. Schon ab Mitte der 80er sei in Wahlkämpfen von verschiedenen Unionspolitikern die Forderung erhoben worden, das individuelle Asylrecht abzuschaffen.
Asylrecht war für Ordnungspolitiker schon immer Herausforderung
Wer einem konservativen ordnungspolitischen Denken folge, für den sei das Asylrecht immer eine Herausforderung, weil es dem Interesse entgegenstehe, die Grenzen des Nationalstaats genau zu kontrollieren. Die Idee, dass das Asylrecht unabhängig von der Art der Verfolgung jedem zustehe, habe auch in der Union immer viele provoziert, sagte Spanos.
Dabei spiele aktuell etwa für den Großteil syrischer und ukrainischer Flüchtlinge die Frage des individuell einklagbaren Asylrechts keine große Rolle. Der Vorstoß zielt seiner Meinung nach vor allem auf andere Migrantengruppen, etwa aus Nordafrika, die nach Deutschland kämen und Asyl beantragen könnten. Auch wenn ihre Erfolgschancen nicht besonders groß seien, ermögliche ihnen der individuelle Asylrechtsschutz eine längere Bleibemöglichkeit. (epd/mig) Aktuell Politik
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