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Visum für Deutschland (Symbolfoto) © 123rf.com

Unzählige Formulare

Ministerin Gentges plant Turbo für Fachkräfteverfahren im Südwesten

In Baden-Württemberg fehlen fast 100.000 Fachkräfte - mit steigender Tendenz. In Zukunft sollen die Lücken vermehrt mit Menschen aus dem Ausland gefüllt werden. Doch die Hürden bei den Ämtern sind hoch.

Von und Montag, 26.06.2023, 15:00 Uhr|zuletzt aktualisiert: Montag, 26.06.2023, 12:44 Uhr Lesedauer: 4 Minuten  |  

Politik und Wirtschaft fordern seit langem mehr Tempo bei der Fachkräfteeinwanderung. „Die Ausländerbehörden vor Ort sind deutlich überlastet“, sagte Migrationsministern Marion Gentges (CDU) der Deutschen Presse-Agentur in Stuttgart. Nun will sie den Turbo einlegen – und macht einen Vorschlag, wie Behördengänge für Fachkräfte und Unternehmen abgekürzt werden können. Ein Überblick über die wichtigsten Fragen und Antworten zum Thema.

Warum brauchen wir Fachkräfte aus dem Ausland?

Die Wirtschaft in Baden-Württemberg klagt schon seit Jahren darüber, keine qualifizierten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu finden. Es herrscht annähernd Vollbeschäftigung. Viele offene Stellen bleiben unbesetzt. Zugleich verabschieden sich die Baby-Boomer – also die geburtenstarken Jahrgänge von 1955 bis 1969 – allmählich aus der Arbeitswelt. Nach Prognosen des Baden-Württembergischen Industrie- und Handelskammertags könnten 2035 im Südwesten bis zu 903.000 Fachkräften fehlen. Eine Lücke, die auch von den nachfolgenden Jahrgängen nicht geschlossen werden kann.

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„Dieses Thema ist schon länger virulent. Aber die Dramatik steigt im Grunde jeden Tag“, sagte der designierte Präsident der Stuttgarter Industrie- und Handelskammer (IHK), Claus Paal. Seine IHK ist bei dem Thema federführend unter den Kammern im Land. „Wir sind schon in der Situation, dass der Fachkräftemangel ein Wachstumshindernis geworden ist. Es gibt Betriebe, die deshalb nur reduziert arbeiten können.“

Wie sieht das aktuelle Verfahren aus? Und wo gibt es Probleme?

Je nach Verfahren stellt der Bewerber seinen Antrag für das Visum in seinem Heimatland. Mittels einer Vollmacht kann das jedoch auch das Unternehmen bei der örtlichen Ausländerbehörde machen. Letzteres ist beim beschleunigten Fachkräfteverfahren der Fall. Die Behörde prüft dann die Voraussetzungen und holt die Bundesagentur für Arbeit mit ins Boot. Wenn die Papierangelegenheiten erledigt sind, erhält die Fachkraft bei der Botschaft im Ausland ihr Visum zur Einreise.

Derzeit gibt es 137 untere Ausländerbehörden im Land. Paal klagte unter anderem über den hohen Bürokratieaufwand. Es müssten unzählige Formulare ausgefüllt werden und manchmal seien diese auch je nach Ausländerbehörde unterschiedlich. An erster Stelle wird nach Angaben der IHK immer geprüft, ob alle Voraussetzungen erfüllt werden: Dazu zählen unter anderem Sprachkenntnisse und Berufsabschluss. Dennoch könnten die Verfahren viele Monate in Anspruch nehmen.

Was plant Migrationsministerin Gentges?

Die CDU-Politikerin will die Verfahren beschleunigen – und dafür eine zentrale Stelle zur Bearbeitung der Verfahren schaffen. Dabei geht es insbesondere um das beschleunigten Fachkräfteverfahren, das es seit 2020 gibt. Die neue Stelle könne man nach eigenem Ermessen anrufen.

Das heißt, Unternehmer vor Ort können sich wie bisher an die für sie zuständige Ausländerbehörde wenden. „Das wird er, meiner Auffassung nach, überall dort tun, wo er schon enge Anbindungen an diese Behörde hat“, sagte Gentges. Es gebe aber auch viele, die keinen speziellen Ansprechpartner hätten, bei denen das in ihrem Betriebsalltag einfach nicht so häufig vorkomme. Und hier komme dann diese neue Einrichtung zum Zug, die mit rund 30 Beschäftigten auskommen soll.

Wo soll die Behörde ihren Sitz haben?

Die Behörde soll alle Anträge digital verarbeiten. Gentges kann sich die Ansiedlung daher sowohl beim Migrationsministerium als auch bei einem der vier Regierungspräsidien vorstellen. „Diese Stelle sollte mit allen, die an diesem Verfahren beteiligt sind, also Bundesagentur für Arbeit, Berufsanerkennungsstellen und auch den Welcome-Centern eng vernetzt werden.“ Damit sollen deutliche Verfahrensverkürzungen und inhaltliche Verbesserungen erreicht werden. Die neue Einrichtung soll außerdem auch die unteren Ausländerbehörden beraten.

Wie ist der weitere Zeitplan?

Gentges will den Vorschlag nun schnell ins Kabinett einbringen. Ihr Ziel sei, dass möglichst nach der Sommerpause zu tun, sagte sie. Die Personalkosten belaufen sich demnach auf weniger als drei Millionen Euro im Jahr. An dieser Stelle könnte es noch haken: Denn für das Vorhaben sind im aktuellen Haushalt noch keine Mittel vorgesehen.

Wie reagiert die Wirtschaft auf die Idee?

Die Wirtschaft drängt die Politik im Land seit Jahren, die Verfahren zu beschleunigen. Paal begrüßte Gentges‘ Vorschlag daher – mahnt bei der Umsetzung aber Tempo an. „Wir haben eine Herausforderung vor uns, die wir wirklich angehen müssen. Ich kann daher nur an alle Verantwortlichen appellieren, sich das ernsthaft anzuschauen und zeitnah zu beschließen“, sagte er.

Fachkräfte aus dem Ausland benötigten schnell Gewissheit bei dem Thema. „Das Verfahren darf höchstens ein paar Monate dauern. Ein halbes Jahr ist schon zu lang“, sagte er. „Die Fachkräfte springen sonst irgendwann wieder ab, Deutschland ist ja nicht alleine auf der Welt und Baden-Württemberg auch nicht. Wir stehen ja im Wettbewerb.“

Wie reagieren Politik und Verbände auf Gentges Vorstoß?

Der Vorschlag findet breite Zustimmung. Die dringend benötigte Zuwanderung von Fach- und Arbeitskräften werde nur gelingen, wenn die Verfahren gestrafft und die Prozesse beschleunigt werden, so die Unternehmer Baden-Württemberg. Wirtschaftsministerin Nicole Hoffmeister-Kraut (CDU) sagte, von der Einrichtung profitierten die internationalen Fachkräfte und ihre Arbeitgeber vor Ort. Und der Grünen-Abgeordnete Daniel Lede Abal wies darauf hin, dass es die Rechtsgrundlage bereits seit drei Jahren gebe. Sozialminister Manne Lucha (Grüne) will im Zuge des Fachkräftebedarf im Bereich Gesundheit und Pflege mit Gentges einen Runden Tisch einrichten, um die Verfahren bei der Zuwanderung zu beschleunigen. (dpa/mig) Aktuell Politik

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