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Umstrittener Tweet von Bahar Aslan

„Brauner Dreck“

Netz solidarisiert sich mit rausgeworfener Polizei-Dozentin

Nach einem Tweet ist sie ihren Nebenjob als Hochschuldozentin los: Bahar Aslan, die an der Polizei-Hochschule Gelsenkirchen „interkulturelle Kompetenzen“ vermittelte, wird dies künftig dort wohl nicht mehr tun. Sie hat aber offenbar schon neue Job-Angebote und volle Rückendeckung im Netz. Die Polizei erntet Kritik.

Mittwoch, 24.05.2023, 13:00 Uhr|zuletzt aktualisiert: Mittwoch, 24.05.2023, 10:10 Uhr Lesedauer: 5 Minuten  |  

Die Hochschuldozentin Bahar Aslan hat sich nach ihrem Rauswurf von der Polizei-Hochschule in Gelsenkirchen für Unterstützung und Zuspruch bedankt. Besonders freue sie sich über diverse Jobangebote von Universitäten und Fachhochschulen, twitterte sie in der Nacht zum Dienstag. Aslans Lehrauftrag war wegen eines Tweets nicht erneuert worden.

Die Kritik an ihrem Rauswurf reicht von „Dunkler Tag für die Meinungsfreiheit“ und „Klarer Fall von Cancel Culture“. Aslan räumte aber auch erstmals ein: „Die Ausdrucksweise mag man kritisieren, vielleicht war es eine unglückliche Wortwahl.“

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Aslan: Rauswurf ein bedenkliches Signal

„Es tut mir leid, wenn sich Polizisten angesprochen fühlen, die vorbildlich ihren Dienst tun. Es ging mir um jene Beamtinnen und Beamte, die sich an rechtsextremen Chats beteiligen, die mit ihrer rassistischen Geisteshaltung ganze Dienststellen vergiften. Sie haben das Vertrauen in diese Institution gerade in der migrantischen Community tief erschüttert“, sagte sie „Zeit online“.

Gleichwohl sei sie der Ansicht: „Dass sie mich rauswerfen, ist gesellschaftlich ein bedenkliches Signal. Ich bin überrascht, dass sie das gemacht haben, ohne mit mir zu reden.“ Aslan hatte an der Polizei-Hochschule einen Lehrauftrag für „interkulturelle Kompetenzen“.

Der braune Dreck in den Sicherheitsbehörden

Der Tweet von Aslan lautet: „Ich bekomme mittlerweile Herzrasen, wenn ich oder meine Freund*innen in eine Polizeikontrolle geraten, weil der ganze braune Dreck innerhalb der Sicherheitsbehörden uns Angst macht. Das ist nicht nur meine Realität, sondern die von vielen Menschen in diesem Land.“

Die Hochschule hatte daraufhin am Montag mitgeteilt: „Aus Sicht der Hochschulleitung ist die Dozentin aufgrund ihrer aktuellen Äußerungen ungeeignet, sowohl den angehenden Polizistinnen und Polizisten als auch den zukünftigen Verwaltungsbeamtinnen und -beamten eine vorurteilsfreie, respektive fundierte Sichtweise im Hinblick auf Demokratie, Toleranz und Neutralität zu vermitteln.“

Gewerkschaft der Polizei löst Hass-Welle aus

Michael Mertens, Landesvorsitzender der Gewerkschaft der Polizei (GdP), hatte zuvor am Montag gesagt, eine solche „Pauschalverurteilung der Sicherheitsbehörden geht gar nicht“. Der Fall müsse arbeits- und strafrechtlich aufgearbeitet und geprüft werden. Der nordrhein-westfälische CDU-Innenpolitiker Christos Katzidis sagte, die Äußerung sei „unerträglich und untragbar“. Er erwarte eine strafrechtliche und eine disziplinarrechtliche Prüfung.

Aslan sprach von einer Verleumdungskampagne, an der sich zu ihrem Erstaunen GdP-Landeschef Mertens beteiligt habe: Es habe sich bei ihrem Tweet nicht um eine Pauschalverurteilung aller Polizisten gehandelt, wie dieser behaupte. „Dachte, dass es Konsens ist, dass wir klare Kante gegen Rechts zeigen. Habe mich offensichtlich geirrt“, twitterte sie. Über das Agieren der Gewerkschaft sei sie „sehr erstaunt“. Sie bekomme nun Hass-Botschaften im Minutentakt.

Bezirksregierung prüft Vorgang

Aus dem NRW-Schulministerium hieß es, zum konkreten Einzelfall könne man keine Stellung nehmen. Grundsätzlich gelte aber, dass Lehrer zwar die Meinungsfreiheit des Grundgesetzes genießen, besonders als Beamte aber bei politischen Äußerungen zu Mäßigung und Zurückhaltung aufgerufen seien. Hauptberuflich unterrichtet Aslan an einer Gelsenkirchener Hauptschule.

Vor diesem Hintergrund prüften die personalrechtlich zuständigen Bezirksregierungen grundsätzlich auch Äußerungen von Lehrern auf Twitter. Die zuständige Bezirksregierung Münster werde den Vorgang prüfen. Dort bestätigte ein Sprecher, man werde den aktuellen Vorgang als Schulaufsicht prüfen.

Netz solidarisch mit Aslan

Im Netz schlägt der Fall hohe Wellen. Zahlreiche Persönlichkeiten solidarisieren sich mit Aslan, die Polizei erntet deutliche Kritik. Rechtsanwältin Asha Hedayati sieht in der Causa Aslan „ein eindrückliches Lehrstück über deutsche Verhältnisse“, in denen People of Colour „in allen Bereichen härter bewertet, verurteilt, mundtot gemacht werden, ihre Jobs und schlimmstenfalls ihr Leben verlieren“.

Ähnlich sieht das Selmin Çalışkan, frühere Generalsekretärin der deutschen Sektion von Amnesty International. Die Entlassung von Bahar Aslan sei „ein Skandal“ für die demokratische Verfasstheit deutscher Institutionen. „Die Polizei soll uns vor Rechtsmotivierten schützen. Nicht die Kritikerin gehört gestoppt, sondern die nachweisliche Unterwanderung der Polizei durch rechte Netzwerke.“, kritisiert Çalışkan auf Twitter.

Bittere Wahrheiten

Seda Başay-Yıldız, NSU-Opferanwältin, schreibt auf Twitter: „Tatsächlich bewege ich mich aus Gründen so unauffällig wie möglich in Frankfurt, um bloß in keine (Polizei-)Kontrolle zu geraten. Was ist daran so schwer zu verstehen, dass die Verunsicherung groß ist, weil man grad nicht weiß mit wem man es zu tun hat?“

Laut Bettina Kohlrausch, Soziologin und Hochschullehrerin an der Universität Paderborn, ist es „sehr besorgniserregend“, wenn die Thematisierung rechtsradikaler Strukturen innerhalb demokratischer Institutionen, wie der Polizei, sanktioniert wird. Georg Restle, Journalist, twittert: „Dass die Polizei ein erhebliches Problem mit rechtsextremen Zirkeln in ihren Reihen hat, gehört … zu den bitteren Wahrheiten in diesem Land. Darauf hinzuweisen ist ein Verdienst, kein Kündigungsgrund.“

Very long way to go

Kritik erntet die Polizei auch von Ronen Steinke, Journalist und Buchautor: „Der Beruf des Polizisten, der Polizistin, erfordert Courage nach außen wie auch nach innen. Auch gegen Rechtsverletzungen oder Ressentiments in den eigenen Reihen muss man den Mund aufbekommen. Eine Polizeihochschule NRW, die dies nicht will, kann abtreten“.

Der Kriminologe und Autor des Buches „Die Polizei – Helfer, Gegner, Staatsgewalt“, Tobias Singelnstein, macht auf einen weiteren Punkt aufmerksam: Der Fall zeige „wie unter einem Brennglas, wie wenig Verständnis der Mainstream in der Polizei für die Perspektive von Menschen hat, die von Rassismus betroffenen sind. Very long way to go.“ (dpa/mig) Aktuell Panorama

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