Nach rechten Vorfällen

Ermittlungen, Aufarbeitung und Demonstration nach dem Schulausflug

Nach rechtsextremen Vorfällen und rassistischen Anfeindungen in Südbrandenburg steckt die Polizei in den Ermittlungen. Schulbehörden arbeiten die Geschehnisse auf. Beratungsstellen schlagen indes Alarm.

Dienstag, 09.05.2023, 19:00 Uhr|zuletzt aktualisiert: Dienstag, 09.05.2023, 18:00 Uhr Lesedauer: 4 Minuten  |  

Nach rechtsextremen Vorfällen in einer Schule in Burg und rassistischen Anfeindungen gegen eine Berliner Schulklasse in Heidesee stehen Ermittlungen und Aufarbeitung im Fokus. Die Polizei befragt noch in dieser Woche Schülerinnen und Schüler zu dem rassistischen Vorfall in einer Freizeiteinrichtung am Frauensee. In Cottbus findet am Dienstag vor dem Schulamt eine Kundgebung gegen Diskriminierung und Rechtsextremismus an Schulen statt.

Unterdessen sind Beratungsstellen für Opfer rechter, rassistischer und antisemitischer Gewalt alarmiert über zunehmende Aggression gegen Kinder und Jugendliche. Sie registrieren eine Zunahme rassistisch motivierter Angriffe gegen Kinder und Jugendliche.

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Ermittlungen nach rassistischen Anfeindungen in Heidesee

Nach rassistischen Beleidigungen in einer Ferien- und Freizeitanlage im südbrandenburgischen Heidesee durch eine Jugendgruppe aus der Region sollen die betroffenen Berliner Schülerinnen und Schüler noch in dieser Woche von der Polizei befragt werden. Brandenburger Polizisten würden dazu in die Hauptstadt fahren, sagte die Sprecherin der Polizeidirektion Süd, Ines Filohn am Dienstag. Sie sprach von intensiven Ermittlungen. „Wir brauchen etwas Aussagekräftiges, was auch vor Gericht verwendbar ist.“

Der Staatsschutz ermittelt wegen des Verdachts der Volksverhetzung und Bedrohung. Von 28 Personen wurden bereits die Identitäten festgestellt, laut Polizei sollen vier bis fünf Jugendliche „aktiv“ geworden sein.

Die Berliner Schülerinnen und Schüler, die größtenteils einen Migrationshintergrund haben, waren in einer Ferienanlage in Heidesee (Dahme-Spreewald) untergebracht, als sie in der Nacht zum Sonntag von anderen Gästen rassistisch beleidigt wurden. Aus einer Gruppe heraus, die in derselben Ferienanlage am Frauensee Geburtstag feierte, sei die Schulklasse „fremdenfeindlich“ beschimpft und bedroht worden, so die Polizei. Einige der Betroffenen seien erkennbar muslimischen Glaubens und hätten Kopftücher getragen. Eine körperliche Auseinandersetzung konnte die Polizei verhindern.

SPD-Politiker sieht „gesamtgesellschaftliche Entwicklung“

Der Berliner SPD-Abgeordnete Marcel Hopp warnte davor, nach den rassistischen Drohungen zur Tagesordnung überzugehen. Er sieht den Vorgang in einem größeren Zusammenhang. „Ich würde nicht von einem Einzelfall sprechen. Das findet ja nicht im luftleeren Raum statt“, sagte er der Deutschen Presse-Agentur auch mit Hinweis auf den sogenannten Brandbrief von Lehrkräften an einer Schule in Burg zum Thema Rechtsextremismus. „Wir haben eine gesamtgesellschaftliche Entwicklung in Brandenburg und in Gesamt-Ostdeutschland, ein Erstarken der AfD“, sagte er. „Das ist schon besorgniserregend.“

Unterdessen warnte der AfD-Bundestagsabgeordnete und Landratskandidat von Dahme-Spreewald, Steffen Kotré, davor, die Jugendgruppe aus der Einrichtung in Heidesee zu diffamieren. Er habe mit ihnen gesprochen. „Man darf nicht jede Auseinandersetzung zwischen Jugendlichen zu einem fremdenfeindlichen Zwischenfall aufbauschen“, so Kotré.

Demonstration nach rechtsextremen Vorfällen an Schule in Burg

Die Lehrkräfte, die in einem anonymen Brief rechtsextreme Vorfälle an ihrer Schule in Burg öffentlich gemacht haben, wollen an diesem Dienstag gemeinsam mit anderen Lehrern, Schülern und Eltern gegen Diskriminierung und Rechtsextremismus demonstrieren. Die Verfasser des Briefes beklagen, dass sie täglich mit Rechtsextremismus, Sexismus und Homophobie konfrontiert seien. Die Kundgebung vor dem Cottbuser Schulamt findet unter dem Motto „Vielfalt statt Einfalt – Schule ohne Diskriminierung“ statt. Initiiert hat den Protest das Bündnis „Schule für mehr Demokratie“.

Trotzdem die Verfasser des anonymen Briefs den offiziellen Dienstweg über die Schulbehörden nicht eingehalten haben, drohen ihnen keine dienst- oder arbeitsrechtlichen Konsequenzen. Das stellte das Bildungsministerium am Dienstag klar und wies gleichzeitig anders lautende Medienberichte entschieden zurück. „Wer vor Fällen mit Extremismus an Schulen nicht die Augen verschließt, handelt im Sinne von Demokratie und Toleranz“, hieß es.

Lehrkräfte hatten mit ihrem anonymen Brief zunächst die Medien informiert. Inzwischen hat die Prüfung und Aufarbeitung der Vorfälle durch die Behörden begonnen.

Beratungsstellen: Mehr Angriffe auf Kinder und Jugendliche

Beratungsstellen für Opfer rechter, rassistischer und antisemitischer Gewalt zeigen sich alarmiert über die nach ihren Erkenntnissen zunehmende Aggression gegen Kinder und Jugendliche. Rassistisch motivierte Angriffe gegen Kinder und Jugendliche hätten sich innerhalb von einem Jahr fast verdoppelt und beeinflussten den Alltag der betroffenen Familien massiv, sagte Sultana Sediqi vom Thüringer Verein „Jugendliche ohne Grenzen“ am Dienstag in Berlin. Bei der Vorstellung der Jahresbilanz des Verbands der Beratungsstellen für Betroffene rechter, rassistischer und antisemitischer Gewalt (VBRG) verwies sie auch auf den Vorfall im brandenburgischen Heidesee.

Laut Bilanz ereigneten sich insgesamt im Jahr 2022 täglich bis zu fünf rechte Angriffe allein in den zehn Bundesländern, in denen Anlaufstellen für Betroffene diese systematisch erfassen. 2861 Menschen seien in Ostdeutschland, Baden-Württemberg, Berlin, Hamburg, Nordrhein-Westfalen und Schleswig-Holstein direkt von politisch rechts motivierten Angriffen betroffen gewesen. Darunter waren 520 Minderjährige nach 288 betroffenen Kindern und Jugendlichen in 2021. (dpa/mig) Aktuell Panorama

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