28. April 2013
10 Jahre AfD Brandenburg – Von Euro-Kritik zur Islamfeindlichkeit
Als sich die AfD vor zehn Jahren in Brandenburg gründete, ging es noch um den Kampf gegen den Euro. Recht folgten Flüchtlings- und Islamfeindliche Töne. Seit fast drei Jahren beobachtet der Verfassungsschutz die Partei als rechtsextremistischen Verdachtsfall.
Von Oliver von Riegen Donnerstag, 27.04.2023, 21:00 Uhr|zuletzt aktualisiert: Sonntag, 30.04.2023, 12:25 Uhr Lesedauer: 4 Minuten |
Die Brandenburger AfD strebt zehn Jahre nach ihrer Gründung im kommenden Jahr Regierungsverantwortung an – zugleich wird sie vom Verfassungsschutz als rechtsextremistischer Verdachtsfall beobachtet. Doch die Landesvorsitzende Birgit Bessin zeigt sich im Jahr vor der Wahl selbstbewusst. Das Ziel sei, ab Herbst 2024 „wieder für Ordnung und Politik“ zum Wohle des Volkes und mit dem Volk zu sorgen.
Mit welchem Koalitionspartner das gehen könnte, ist völlig unklar. Bessin sieht aber für ihre Partei Rückenwind: In der jüngsten Umfrage für den RBB liegt die AfD auf Platz 1 gleichauf mit der CDU – und vor der seit über 30 Jahren in Brandenburg regierenden SPD. Und bei der Landratswahl im Kreis Oder-Spree landete die AfD erst vor kurzem im ersten Wahlgang mit Kandidat Rainer Galla vorn, eine Stichwahl gegen SPD-Bewerber Frank Steffen steht aus.
Vor zehn Jahren ging es recht klein los: Die AfD gründete sich am 28. April 2013 hinter verschlossenen Türen im Nauener Ortsteil Groß Behnitz im Havelland. Im Mittelpunkt stand damals inhaltlich noch die Kritik am Euro. In Umfragen lag die Partei zunächst bei 3 Prozent. Seit der Kommunalwahl 2014 war die AfD in elf Kreistagen und den Stadtverordnetenversammlungen Potsdam, Frankfurt/Oder, Brandenburg/Havel und Cottbus vertreten. Und seit der Landtagswahl 2014 ist die Alternative für Deutschland (AfD) im Landesparlament.
Neue Themen: Flüchtlinge und Islam
Recht bald danach begann sie, Flüchtlinge und Islam als Themen zu setzen. Von Beginn an gab es Personalquerelen. Vor der Landtagswahl 2019 lag die AfD in Umfragen teils vor der SPD. Der Wahlkampf spitzte sich auf das Duell SPD gegen AfD zu – bei der Wahl siegte die SPD dann mit einigem Abstand.
Der Aufstieg der AfD in Brandenburg und ganz Deutschland ist eng mit Alexander Gauland verknüpft. Der frühere Staatssekretär in Hessens Staatskanzlei wurde im Februar 2014 Landes- und im Oktober Fraktionschef. Er gab den Kurs der AfD vor und war über mehrere Jahre zentrale Figur der Partei in Brandenburg.
Nach seinen Worten durchlief die AfD programmatische Entwicklungen. „Sie ist mittlerweile fest innerhalb der politischen Landschaft in Brandenburg verankert und kann hier, wie auch in ganz Ostdeutschland, als Volkspartei bezeichnet werden.“
Experte: AfD Brandenburg Schrittmacher der Radikalisierung
Der Extremismusforscher Gideon Botsch sieht den Landesverband in Brandenburg dagegen in einer Sonderrolle: Er bezeichnet die AfD Brandenburg als Schrittmacher bei der Radikalisierung – von Anfang an und maßgeblich durch Gaulands Wirken. Mit seiner Hilfe seien auch die radikalsten Kräfte in der Partei rund um Andreas Kalbitz und Björn Höcke in führende Positionen gekommen, sagt der Politikwissenschaftler, der die Forschungsstelle Antisemitismus und Rechtsextremismus am Moses Mendelssohn Zentrum der Uni Potsdam leitet.
Brandenburgs früherer Landes- und Fraktionschef Kalbitz und Thüringens Fraktionschef Höcke zählten zum „Flügel“, einer rechtsnationalen Strömung in der AfD. Sie löste sich 2020 formell selbst auf. Im gleichen Jahr erklärte der AfD-Bundesvorstand mehrheitlich die Mitgliedschaft von Kalbitz wegen früherer Kontakte im rechtsextremen Milieu für nichtig. Dagegen wehrt sich Kalbitz juristisch, blieb aber Mitglied der Landtagsfraktion.
AfD-Sympathien für Pegida
Ebenfalls 2020 stufte der Brandenburger Verfassungsschutz die AfD als rechtsextremistischen Verdachtsfall ein. Verfassungsschutzchef Jörg Müller begründete dies mit extremistischen Positionierungen von AfD-Mitgliedern, einem starken Einfluss des „Flügels“ und nachweislichen personellen und strukturellen Verflechtungen der AfD Brandenburg mit anderen rechtsextremistischen Strukturen. Kalbitz bezeichnete er als „erwiesenen Rechtsextremisten“. Innenminister Michael Stübgen (CDU) sagte: „Der „Flügel“ ist längst der ganze Vogel.“
Gut eineinhalb Jahre nach Gründung des Landesverbands war das noch anders. Brandenburgs Verfassungsschutz-Chef Carlo Weber sagte 2014, die AfD sei für den Verfassungsschutz kein Beobachtungsobjekt. „Es gibt allerdings Aktivisten und Äußerungen innerhalb der AfD mit nicht unproblematischem Hintergrund.“ Schon damals hielt die AfD die Asylpolitik für verfehlt und zeigte Verständnis für die anti-islamischen „Pegida“-Demonstrationen.
Die Annullierung der Parteimitgliedschaft für Kalbitz war nur scheinbar eine Zäsur. Der Ex-Landeschef ist weiter politisch aktiv. „Meine Aktivitäten und mein Einsatz im Sinne der AfD sind ja ungebrochen“, sagt Kalbitz und sieht für sich „anhaltend großen Zuspruch aus den Reihen der AfD, weit über Brandenburg hinaus“. Seit 2022 führt Birgit Bessin die Landespartei.
Landesverfassungsschutz prüft Neubewertung
Sie deutet an, was ihr Thema im Wahlkampf werden könnte: Bessin bezeichnet eine Ignoranz herkömmlicher Parteien „gegenüber dem weiter anschwellenden Flüchtlingsstrom“ als eines der drängendsten Probleme.
Der Verfassungsschutz Brandenburg beobachtet die AfD bisher als rechtsextremistischen Verdachtsfall. Hinreichende Belege für eine Hochstufung als gesicherte rechtsextremistische Bestrebung hat die Behörde nach Angaben von Innenminister Michael Stübgen (CDU) bisher nicht. „Wenn wir sie hätten, würden wir es tun“, sagte Stübgen in der vergangenen Woche.
Zumindest die AfD-Jugend Junge Alternative (JA) wird vom Bundesamt für Verfassungsschutz inzwischen als gesichert rechtsextremistische Bestrebung beobachtet. Der Landesverfassungsschutz prüft daher eine Neubewertung der JA – deren neuer Chef Hannes Gnauck kommt aus Brandenburg. (dpa/mig) Aktuell Politik
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