Zeitbombe Sahelregion
Nach Abzug droht humanitäre Katastrophe
Bei der Krisenbekämpfung in Westafrika war Deutschland im Fahrwasser Frankreichs unterwegs - mit wenig Erfolg. Wie kann es weitergehen in einer Region, in der sich Extremismus ausbreitet und Russland und China an Einfluss gewinnen? Zwei Minister rücken zum Ortsbesuch an.
Von Carsten Hoffmann und Christina Peters Mittwoch, 12.04.2023, 18:00 Uhr|zuletzt aktualisiert: Mittwoch, 12.04.2023, 14:45 Uhr Lesedauer: 4 Minuten |
Kursbestimmung im Westen Afrikas: Nach der Entscheidung zum Abzug der Bundeswehr aus Mali und für ein stärkeres Engagement im benachbarten Niger stecken Verteidigungsminister Boris Pistorius und Entwicklungsministerin Svenja Schulze (beide SPD) das weitere Engagement Deutschlands in der Sahelregion ab. Binnen eines Jahres soll die Bundeswehr Mali verlassen, im benachbarten und aussichtsreicheren Niger aber mit einer neuen Militärhilfe-Mission loslegen. Insgesamt wird Deutschland in der Sahelregion wohl mehr auf zivile Mittel setzen. Mehr als 2,5 Milliarden Euro wurden seit 2013 schon bereitgestellt.
Der Konflikt am südwestlichen Rand der Sahara ist für den Westen auch aus strategischer Sicht zu einer Zeitbombe geworden. Militante Rebellen breiten sich ausgehend vom Norden Malis seit 2012 wie ein Krebsgeschwür in der Region aus. Das Dreiländereck zwischen Mali, Niger und Burkina Faso ist zu einer der gefährlichsten Regionen der Welt geworden.
Menschen, Drogen und Waffen werden durch die Sahelzone geschmuggelt. Die bitterarmen Binnenstaaten in Westafrika sitzen auf umfangreichen Vorkommen von Gold, Uran und Öl. Ein unheilvoller Mix aus Klimawandel, wirtschaftlicher Ausweglosigkeit und einer Spirale blutiger Gewalt spielt Extremisten weiter in die Hände, die nun auch die bislang stabilen westafrikanischen Küstenstaaten wie Ghana und die Elfenbeinküste ins Visier nehmen.
Vier Millionen Menschen auf der Flucht
Tausende Zivilisten sterben bei Anschlägen der Terrorgruppen, die sich Al-Kaida und der Terrormiliz „IS“ angeschlossen haben, oder leiden vor allem in Mali und Burkina Faso zunehmend unter Gegenangriffen der Armeen und Paramilitärs, die mit immer härteren Mitteln versuchen, die Kontrolle zurückzuerlangen.
Der Blutzoll des Konflikts hat sich in den drei Staaten Mali, Burkina Faso und Niger, in denen insgesamt rund 70 Millionen Menschen leben, binnen weniger Jahre vervielfacht. Die Konfliktdaten-Organisation ACLED zählte allein 2022 rund 10.000 Tote in den drei Ländern, darunter neben Rebellen und Soldaten mindestens 4.000 Zivilisten. Dazu kommen Verletzte, Traumatisierte, Verschleppte und Vertriebene.
Nach Angaben des UN-Flüchtlingswerks waren Ende März rund vier Millionen Menschen in den drei Ländern auf der Flucht – mehr als die Hälfte davon nur in Burkina Faso, wo Terrorgruppen mittlerweile wohl das halbe Staatsgebiet kontrollieren. Der rasante Durchmarsch der Islamisten in Burkina Faso hat den unbeliebten Ex-Kolonialherren Frankreich, dessen Soldaten gegen die Dschihadisten helfen sollten, den letzten Rückhalt gekostet. Wie zuvor Mali sucht auch die Putschregierung in Ouagadougou nun den Draht zu Moskau.
Nach Abzug droht humanitäre Katastrophe
Malis Militärregierung brach schon 2021 mit den Franzosen und setzt seitdem auf russische Militärhilfe – offiziell in Form von Ausbildern, inoffiziell wohl mit bis zu 2.000 Söldnern der Wagner-Gruppe, denen schwerste Menschenrechtsverletzungen vorgeworfen werden. Die Blauhelme der UN-Mission Minusma werden dagegen an der kurzen Leine gehalten. Doch der Partnerwechsel hat die Lage für Bamako nicht verbessert, im Gegenteil. „Im Zentrum des Landes hat sich der Konflikt noch verschärft, weil die Russen so brutal vorgegangen sind. Massaker an Zivilisten haben den Rebellen noch mehr Zulauf verschaffen“, sagt Sahelexperte Ulf Laessing, der das Büro der CDU-nahen Konrad-Adenauer-Stiftung für die Region leitet.
Dagegen sind die Bundeswehrsoldaten und andere Blauhelme in Mali stark eingeschränkt worden. Es wird praktisch nur noch im weiteren Umfeld des Feldlagers in Gao aufgeklärt. Die für einen größeren Radius aus Deutschland bereitgestellten Drohnen haben von den Militärmachthabern keine Genehmigung zum Einsatz, was einem Flugverbot gleichkommt. „Eine Wiederaufnahme des Einsatzbetriebs der Drohnen ist trotz intensiver Bemühungen der Minusma und deutscher Stellen unverändert nicht absehbar“, heißt es in einem Bericht an den Bundestag, der der Deutschen Presse-Agentur vorliegt. Bis Mai 2024 will die Bundesregierung die deutschen Soldaten abziehen.
Im Norden Malis kann nach dem Abzug der Deutschen allerdings eine humanitäre Katastrophe drohen. Mehr als 100.000 Binnenflüchtlinge leben in Camps im Nordosten des Landes unweit des Stützpunkts – noch sorgt die Anwesenheit der Bundeswehr, die im Gegensatz zu vielen anderen Truppenstellern der UN-Mission sichtbar auch außerhalb des Feldlagers präsent ist, für Sicherheit. „Jetzt, wo alle ihre Zelte abbrechen, braut sich da eine neue Krise zusammen“, warnt Laessing.
Leben in extremer Armut
Aller Fokus des Westens liegt nun auf dem Niger – dem drittärmsten Land der Welt, das entgegen des Trends in den Nachbarstaaten vor anderthalb Jahren den ersten demokratischen Machtwechsel in seiner Geschichte erlebte. NGOs und Militärangehörige halten Einzug in der plötzlich boomenden Hauptstadt Niamey. US-Außenminister Antony Blinken besuchte vor einem Monat als allererster amtierender US-Außenminister das Land und lobte die Regierung von Präsident Mohamed Bazoum als „Vorbild an Widerstandsfähigkeit, Vorbild an Demokratie, Vorbild an Kooperation“ in der Region.
Tatsächlich sind die nigrischen Streitkräfte in einem besseren Zustand als die der Nachbarn. Auch Erfolge wie die Vermittlung bei der Freilassung eines Franzosen und eines US-Amerikaners aus jahrelanger Al-Kaida-Geiselhaft in Mali sind gut für das Image. Die Zahl der Anschläge ging zuletzt etwas zurück. Die Rebellen hätten „sich nicht so festgesetzt wie in Burkina Faso und Mali, obwohl sie ganze Landstriche unsicher machen“, sagt Laessing.
Doch außerhalb der großen Städte ist in Niger der Staat kaum präsent. Von einer Fläche, die dreieinhalb mal so groß wie Deutschland ist, sind zwei Drittel Wüste. Niger hat die höchste Geburtenrate und die jüngste Bevölkerung der Welt – Kinder unter zehn Jahren machen mehr als ein Drittel der rund 26 Millionen Einwohner aus. Mehr als 40 Prozent der Menschen leben in extremer Armut. (dpa/mig) Aktuell Ausland
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Überall, wo es für den Westen sehr wertvolle Rohstoffe und Bodenschätze gibt, gibt es marodierende und diese Regionen destabilisierende extremistische Terrorgruppierungen, das ist in Syrien (Öl und Gas), in Irak (Öl und Gas), Afghanistan (Seltene Erden), Libyen (Öl und Gas) und auch in der Sahelzone (Seltene Erden, Lithium) so. Die Terrororganisation PKK im Nordirak wurde von EU-Ländern sowie USA mit Waffen versorgt, der sogennate Islamische Staat wurde bewaffnet, weil im Irak zufällig Waffenlager schlecht bewacht wurden, Al Kaida (vorher Muhadschedin) in Afghanistan wurde von den USA bewaffnet, die YPG als der syrische Ableger der Terrororganisation PKK wird heute noch von den USA bewaffnet und die in Nigeria (Erdöl) und Mali (Lithium) wütende Terrorgruppe Boko Haram haben ihre Waffen auch nicht von den Japanern oder Albanern sondern von den üblichen Verdächtigen! Dieses Vorgehen sollte bei der Betrachtung dieser Krtisengebiete stets berücksichtigt werden.