Geld für AfD-nahe Stiftung?

Karlsruhe pocht auf mehr Transparenz bei der Stiftungsförderung

Bisher haben die anderen Parteien verhindern können, dass die AfD-nahe Desiderius-Erasmus-Stiftung Millionen aus dem Bundeshaushalt bekommt. Das Problem: Die Förderkriterien sind nirgendwo sauber geregelt. Das fällt der Politik jetzt auf die Füße.

Von Mittwoch, 22.02.2023, 19:00 Uhr|zuletzt aktualisiert: Mittwoch, 22.02.2023, 17:30 Uhr Lesedauer: 5 Minuten  |  

Der Staat fördert die Arbeit der politischen Stiftungen Jahr für Jahr mit einem hohen dreistelligen Millionenbetrag – jetzt muss erstmals in einem Gesetz sauber geregelt werden, wer wie viel bekommt und wer warum leer ausgeht. Das Bundesverfassungsgericht beanstandete am Mittwoch in einem großen Urteil die bisherige jahrzehntelange Praxis. Geklagt hatte die AfD, weil die ihr nahestehende Desiderius-Erasmus-Stiftung (DES) derzeit als einzige ohne Förderung auskommen muss. (Az. 2 BvE 3/19)

Das Urteil bedeutet nicht automatisch, dass der DES künftig Geld aus dem Bundeshaushalt zusteht. Die Karlsruher Richterinnen und Richter stellten aber für das Jahr 2019 fest, dass die AfD wegen des fehlenden Gesetzes in ihrem Recht auf Chancengleichheit verletzt wurde. Die Klage hatte sich auch auf andere Jahre bezogen. Diese Anträge erklärte der Zweite Senat aber größtenteils für unzulässig.

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Für das Jahr 2022 ist noch alles offen. Dieser Antrag wurde abgetrennt, um darüber zu einem späteren Zeitpunkt zu entscheiden.

Um diese Summen geht es:

Die Verteilung der sogenannten Globalzuschüsse ist Teil der jährlichen Haushaltsverhandlungen im Bundestag. Diese Mittel kommen vom Innenministerium und sind für die gesellschaftspolitische Bildungsarbeit bestimmt. Allein hierfür sind in diesem Jahr 148 Millionen Euro eingeplant, 2019 waren es rund 130 Millionen Euro.

Außerdem erhalten die sechs geförderten parteinahen Stiftungen noch beträchtliche Summen für ihre Auslandsarbeit und ihre Stipendien von den Ministerien für Entwicklung und Bildung sowie vom Auswärtigen Amt. So kamen 2019 insgesamt rund 660 Millionen Euro vom Bund zusammen. Zum Vergleich: Die – ebenfalls kürzlich von Karlsruhe beanstandete – absolute Obergrenze für den staatlichen Anteil der Parteienfinanzierung lag zuletzt bei rund 205 Millionen Euro.

So funktioniert die Stiftungsförderung bisher:

Richtschnur für die Förderung war vor allem ein Karlsruher Urteil aus dem Jahr 1986. Darin steht, dass „alle dauerhaften, ins Gewicht fallenden politischen Grundströmungen in der Bundesrepublik Deutschland angemessen berücksichtigt“ werden müssen.

Für die praktische Umsetzung hatten die Stiftungen 1998 selbst einen Vorschlag gemacht. In einer gemeinsamen Erklärung heißt es, ein geeigneter Anhaltspunkt dürfte „eine wiederholte Vertretung“ der entsprechenden Partei im Bundestag sein, und zwar zumindest einmal in Fraktionsstärke. Der Verteilungsschlüssel sollte sich an den Wahlergebnissen der Parteien bei vier Bundestagswahlen orientieren.

Die DES bekommt kein Geld, obwohl die AfD 2021 zum zweiten Mal nach 2017 in den Bundestag eingezogen war. Seit 2022 steht neu im Haushaltsgesetz, dass die Zuschüsse nur Stiftungen gewährt werden, „die nach ihrer Satzung und ihrer gesamten Tätigkeit jederzeit die Gewähr bieten, dass sie sich zu der freiheitlichen demokratischen Grundordnung im Sinne des Grundgesetzes bekennen“.

Diese Vorgaben macht jetzt Karlsruhe:

Die Richter gehen davon aus, dass die Stiftungen maßgeblich zur Verbreitung der politischen Vorstellungen der jeweiligen Parteien beitragen. Sie leisteten wichtige Forschungsarbeit und spielten auch beim Gewinnen von Nachwuchs eine Rolle – dank der Fördermillionen: „Es wäre realitätsfern, anzunehmen, dass der Einsatz dieser Mittel keine Relevanz für den politischen Wettbewerb entfaltete.“

Der Ausschluss der DES sei damit ein Nachteil für die AfD, die 2019 drittstärkste Fraktion im Bundestag und in allen Landesparlamenten vertreten gewesen sei. Der Senat schließt zwar nicht aus, dass es dafür gute Gründe gegeben haben könnte. Der Eingriff in den politischen Wettbewerb sei aber nicht zu rechtfertigen, solange die Kriterien für die Förderung nirgendwo gesetzlich geregelt sind.

Ein Förderausschluss einzelner Stiftungen wäre nach den Worten von Vizegerichtspräsidentin Doris König allein „zum Schutz gleichwertiger Verfassungsgüter“ möglich. „Als ein solches gleichwertiges Verfassungsgut kommt insbesondere der Schutz der freiheitlichen demokratischen Grundordnung in Betracht“, sagte sie bei der Verkündung. Zu den Anforderungen und Konsequenzen einer solchen Regelung äußerten sich die Richter aber ausdrücklich nicht.

Diese Auswirkungen hat das Urteil:

Der FDP-Abgeordnete Thorsten Lieb sagte in Karlsruhe, das Gericht habe klare Kriterien vorgeben. „Insofern kann sich das Parlament an die Arbeit machen, und dieser Aufgabe stellen wir uns natürlich.“

Der Parlamentarische Geschäftsführer der SPD-Fraktion, Johannes Fechner, erklärte: „Wir werden nun zügig in die Beratungen für ein Stiftungsgesetz einsteigen mit dem Ziel, dass Verfassungsfeinde keine Steuergelder bekommen.“ Auch Grünen-Fraktionsvize Konstantin von Notz teilte mit, das Gesetz müsse umgehend erarbeitet werden, man werbe „für ein gemeinsames Vorgehen aller demokratischen Fraktionen“.

Der Bund der Steuerzahler mahnte an, dabei auch Kürzungspotenziale auszumachen. Die Zuschüsse an die Stiftungen seien im letzten Jahrzehnt im Vergleich zum Gesamtetat überproportional gewachsen.

Die DES geht davon aus, dass ihr Förderung zusteht. „Der Spielraum ist nicht so weit, wie manche sich das wünschen würden, sondern es sind Rahmenbedingungen festgelegt, die einzuhalten sind“, sagte die Stiftungsvorsitzende Erika Steinbach. „Da alle diese Dinge von uns eingehalten werden, müsste es mit dem Teufel zugehen, wenn wir keine Mittel erhalten.“ Für 2019 hatte die Stiftung 900.000 Euro gefordert. Der stellvertretende AfD-Bundessprecher Peter Boehringer sagte, er gehe davon aus, dass es eine Nachzahlung geben müsste.

Die Stiftung klagt derzeit auch vor den Verwaltungsgerichten auf Auszahlung von Zuschüssen für die Jahre 2018 bis 2021. In erster Instanz war die Klage erfolglos, dagegen ging die DES in Berufung.

Außerdem steht noch die Karlsruher Entscheidung zum Jahr 2022 aus. Diesen Antrag, bei dem es auch um den neuen Vermerk im Haushaltsgesetz zur Verfassungstreue geht, hatte die Partei erst sehr kurzfristig vor der Verhandlung im Oktober nachgeschoben. König sagte, das werfe neue verfassungsrechtliche Fragen auf. (dpa/mig) Leitartikel Recht

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