Kopftuchverbot
Integrationsbeauftragte: Berliner Neutralitätsgesetz „nur scheinbar neutral“
Berlins Integrationsbeauftragte Niewiedzial ist für die Abschaffung des umstrittenen Neutralitätsgesetzes. Das Gesetz sei nur „scheinbar neutral“ und diskriminiere in der Praxis fast ausschließlich muslimische Frauen. Nötig sei vielmehr ein Bekenntnis zu Chancengerechtigkeit.
Von Lukas Philippi Sonntag, 12.02.2023, 20:00 Uhr|zuletzt aktualisiert: Montag, 13.02.2023, 6:21 Uhr Lesedauer: 2 Minuten |
Die Berliner Integrationsbeauftragte Katarina Niewiedzial spricht sich für eine Abschaffung des Berliner Neutralitätsgesetzes aus. „Ich wünsche mir, dass Berlin auf das Gesetz komplett verzichtet, denn es ist nur scheinbar neutral“, sagte Niewiedzial dem „Evangelischen Pressedienst“. Es betreffe fast ausschließlich muslimische Frauen, denen der Zugang zum öffentlichen Dienst verwehrt bleibe, kritisierte sie.
Das Gesetz jetzt nur zu novellieren, hieße in jedem Fall, weitere unbestimmte Rechtsbegriffe einzuführen, warnte die Integrationsbeauftragte: „Man müsste eine alternative gesetzliche Regelung finden, die Kopftuchverbote zulässt, wenn von den Trägerinnen eine vermeintliche Gefahr ausgeht. Die Folge wäre weiterhin eine Rechtsunsicherheit.“
Diskriminierende Hürden geschaffen
Das Bundesverfassungsgericht hat jüngst eine Verfassungsbeschwerde des Landes Berlin gegen ein Urteil des Bundesarbeitsgerichts (BAG) nicht angenommen. Die Erfurter Richter hatten im August 2020 das im Berliner Neutralitätsgesetz festgeschriebene pauschale Kopftuchverbot für muslimische Lehrerinnen an Schulen mit Verweis auf die Religionsfreiheit für gesetzeswidrig erklärt. Ein pauschales Kopftuchverbot dürfe es nicht geben, nur bei konkreter Gefahr für den Schulfrieden, hieß es im BAG-Urteil.
Mit der Option eines gestörten Schulfriedens würden abermals Hürden geschaffen, die auf die konkret Betroffenen diskriminierend wirken, kritisierte Niewiedzial. Letztlich dürfe die Entscheidung darüber, wer an einer Schule unterrichten darf, nicht den Akteurinnen und Akteuren vor Ort überlassen werden.
Brauchen Bekenntnis zu Chancengerechtigkeit
Gebraucht werde stattdessen ein klares Bekenntnis zu Diversität und Chancengerechtigkeit im öffentlichen Dienst, auch für Frauen im Beruf unabhängig von ihrer Religionszugehörigkeit, sagte Niewiedzial: „Damit ist der Verzicht auf ein Neutralitätsgesetz verbunden.“ Sehr gut ausgebildeten Frauen das Tragen von Kopftüchern zu verbieten und in einem Atemzug einen Mangel an Lehrkräften zu beklagen, sei widersprüchlich.
Ob eine Person mit Entscheidungsmacht voreingenommen ist, lasse sich auch nicht an ihrem Erscheinungsbild oder anhand religiöser oder kultureller Merkmale festmachen, betonte sie. Es gebe zudem bereits genug Methoden und Handhabungen, dagegen vorzugehen, wenn jemand voreingenommen und insbesondere verfassungswidrig eingestellt ist: „Etwa das Ablehnungsgesuch bei Verdacht der Befangenheit von Richterinnen und Richtern, durch Beschwerden und Dienstaufsichtsbeschwerden bei Lehrerinnen und Lehrern sowie Polizeibeamtinnen und -beamten.“ (epd/mig) Aktuell Panorama
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