Nebenan
Die dümmste Generation
Protestiert man da, wo man den Verkehr lahmlegt, ist es falsch, protestiert man da, wo man das nicht tut, ist es auch nicht richtig. Irgendwas is immer - beinahe wie mit den Ausländern.
Von Sven Bensmann Montag, 28.11.2022, 16:00 Uhr|zuletzt aktualisiert: Montag, 28.11.2022, 10:28 Uhr Lesedauer: 4 Minuten |
„Stehen Sie ein für Ihre Überzeugungen, gehen Sie demonstrieren. Es sei denn natürlich, es regnet. Oder es is n bisschen kühl. Oder dem Regime passt es gerade nicht.“ So oder so ähnlich hallt es nach aus der letzten Woche. Der DFB und einige andere europäische Fußballverbände hatten den Kampf um die „one love“-Binde zum letzten Gefecht aufgeblasen, der last stand, die entscheidende Schlacht gegen den Unrechtsstaat Katar, für den ultimativen Sieg der Menschenrechte. Dafür, so wurde uns vergewissert, war der DFB bereit, alles zu opfern.
Und dann drohte die FIFA mit einer Gelben Karte für einen dieser rasierten Affen – und der DFB erlebte sein Stalingrad, er knickte ebenso schnell ein, wie die anderen glorlosen Sieben. Oder sechs. Da scheinen sich die Berichterstatter nicht einig zu sein. Und ist ja auch völlig egal, wie viele da nichts gemacht haben.
Ich war ja kurz versucht zu sagen: Fußball ist eben nichts für Männer – den sollten wir den Frauen überlassen. Die Frauen kämpfen, auf dem Platz und daneben. In Katar und im Iran, in den USA und in Deutschland. Wenn jemand richtig einstecken kann, dann ja wohl eine Frau. Ist was dran.
„Is wie mit den Ausländern: Wenn sie arbeiten, dann nehmen sie anständigen Deutschen die Arbeit weg, wenn sie es nicht tun, dann wollen sie bloß in die soziale Hängematte. Irgendwas is immer.“
Richtig einstecken können auch die Mädels und Jungs (und alle dazwischen und außerhalb) von der Letzten Generation. Die haben ja zuletzt den Rat der Bevölkerung befolgt, und, statt Kunstwerke zu beprotestieren, was der Durchschnittsdeutsche einfach nicht kapiere, den Berliner Chaosflughafen BER blockiert. Hat dann aber auch wieder niemandem gefallen: Mann kann es halt einfach niemandem recht machen. Protestiert man da, wo man den Verkehr lahmlegt, ist es falsch, protestiert man da, wo man das nicht tut, ist es auch nicht richtig. Fast könnte man meinen, es gehe gar nicht um die Protestform per se, sondern darum, dass diese Gesellschaft ganz allgemein nicht an ihre Untätigkeit in Sachen Klimaschutz erinnert werden will – beinahe wie mit den Ausländern: Wenn sie arbeiten, dann nehmen sie anständigen Deutschen die Arbeit weg, wenn sie es nicht tun, dann wollen sie bloß in die soziale Hängematte. Irgendwas is immer.
Was uns aber alle auf die Palme bringen sollte, ist, wenn aus der Politik dann auch noch ein O-Ton kommt, dass es ja völlig unmöglich sei, eine Infrastruktur wie die deutschen Flughäfen zu schützen. Nicht bloß deshalb, weil diese auch ein Ziel für Moskau sein könnten, geschenkt (die russische Armee scheint dieser Tage kaum schlagkräftiger als die Bundeswehr), sondern, weil es doch auf der Hand läge, wie sich alle deutschen Flughäfen nachhaltig vor dieser neuen Klima-RAF (UuuuuUUUuuuuuhhh, gruseln Sie sich auch schon?) schützen ließen: Deutschland müsste lediglich die internationalen Verträge, die es unterzeichnet hat, auch umsetzen, und so die Weichen für eine Zukunft stellen, in der es sich, mit den Worten der Dummschwätzer der CDU, gut und gerne leben ließe.
„Stattdessen werden unschuldige Menschen, die ihr Recht auf freie Meinungsäußerung ausüben könnten, in Bayern mittlerweile schon in Präventivhaft genommen: Iran lässt grüßen – Gottesstaaten sind eben alle gleich.“
Mehr isses ja gar nicht.
Stattdessen werden unschuldige Menschen, die vielleicht bald ihr Recht auf freie Meinungsäußerung ausüben könnten, in Bayern in Präventivhaft genommen und einen Monat lang weggesperrt: der Iran lässt grüßen – Gottesstaaten sind eben alle gleich. Ein brillanter Mann hat einmal gesagt: „Ich habe ja nichts gegen die Klassenjustiz. Mir gefällt nur die Klasse nicht, die sie macht.“ Dem ist an dieser Stelle dann auch nichts mehr hinzuzufügen.
Von der Rentnerrepublik als solcher und von Deutschland im Besonderen ist es aber offensichtlich schlicht und einfach zu viel verlangt, dass sie auch an ihre Enkel dächte. Bisher jedenfalls. Vielleicht muss einfach nur noch mehr passieren, bis die Politik nicht mehr nur mit billigen Abwehrgesten reagiert. Hoffen wir deshalb mal, dass unsere Gesellschaft sich die letzten 100 Jahre etwas weiterentwickelt hat – damals konnte das Frauenwahlrecht beispielsweise, nämlich auch nicht mit Kartoffelbrei und Sekundenkleber erkämpft werden: die Suffragettenbewegung im UK musste erst die Schaufenster von Kaufhäusern einwerfen (270 Fenster im Einkaufsviertel des Londoner Westend allein am 1. März 1912, laut Wikipedia), Häuser anzünden und eine ganze Reihe von Bombenanschlägen auf Briefkästen, Postämter und eine große Zahl weiterer öffentlicher Gebäude ausführen, aufgrund deren schierer Menge selbst der IS vor Neid erblasste. Auch wenn es in der Klimafrage unbestritten um weit mehr geht, als „nur“ das Frauenwahlrecht, könnte ich nämlich sehr gut auf so eine gut zwei Jahre andauernde Welle von Bombenanschlägen (die damals auch nur freiwillig aufgrund des Weltkriegs ausgesetzt wurde, ansonsten vielleicht noch für Jahre weitergeführt worden wäre) auf die heimische Infrastruktur verzichten.
Zeit also, dass Deutschland der radikalen Mitte den Vogel zeigt und Schlimmeres verhindert, indem es das tut, von dem alle wissen, dass es überfällig ist – und damit meine ich nicht das Herbeifaseln einer Öko-RAF. Meinung
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