Flughafenseelsorge
„Nicht allein in der Fremde!“
Hier begegnen sich täglich Zehntausende Menschen vieler Nationen und Religionen: am größten deutschen Flughafen Frankfurt am Main. Mitten im Trubel gibt es eine Oase der Ruhe, die Flughafenseelsorge. Sie nimmt Anteil an Höhen und Tiefen des Lebens.
Von Jens Bayer-Gimm Dienstag, 18.10.2022, 16:00 Uhr|zuletzt aktualisiert: Dienstag, 18.10.2022, 13:58 Uhr Lesedauer: 3 Minuten |
Sie kannten das Land nicht, sie sprachen kein Deutsch, sie hatten ihr Kind verloren: Das Ehepaar aus Taiwan, das am Frankfurter Flughafen ankam, trat seinen bisher schwersten Gang an. Der Sohn hatte ein Schuljahr in Deutschland verbracht – und war bei einem Ausflug in der Weser ertrunken. Bei der Ankunft erwartete die Eltern neben Vertretern der Austauschorganisation auch die evangelische Flughafenpfarrerin Bettina Klünemann. „Ich bin nur mit den Eltern mitgegangen“, erzählt die Pfarrerin. „Entscheidend ist, an der Seite zu stehen und zu zeigen: Du bist nicht allein in der Fremde, auch wenn du ein Kind verloren hast.“
Vor 50 Jahren wurde die kirchliche Flughafenseelsorge in Deutschland gegründet, in Frankfurt am Main. Bereits 1964 hatte der evangelische Frankfurter Pfarrer und spätere hessen-nassauische Kirchenpräsident Helmut Hild die Frage eines Journalisten an die Flughafendirektion weitergereicht, ob beim Neubau auch ein Raum für die religiöse Betreuung von Fluggästen vorgesehen sei. Mit der Eröffnung des Terminals 1 im März 1972 wurde dann auch eine Seelsorgeeinrichtung eröffnet, und am 3. November 1972 folgte die Einweihung der ersten Kapelle in einem deutschen Flughafen.
Der Impuls zum Bau der Kapelle sei von Gastarbeitern ausgegangen, berichtet der katholische Flughafenpfarrer Edward Fröhling. Aus einem Gebetsraum zunächst für Beschäftigte habe sich ein kirchliches Netzwerk auch für Reisende, Flüchtlinge und Obdachlose auf dem Flughafen entwickelt. Inzwischen gibt es in zwei Terminals zehn Gebetsräume für Christen, Muslime und Juden sowie zwei neutrale Räume der Stille. Nach und nach gründeten die Kirchen am Flughafen auch den Kirchlichen Sozialdienst, die Aufsuchende Sozialarbeit, den Flüchtlingsdienst und die Abschiebebeobachtung.
„Religion als Teil des Menschseins“
Die Seelsorger am Flughafen verhelfen auch zu glücklichen Erfahrungen, wie Fröhling erzählt: Am Ostersonntagmorgen war eine Großmutter mit sieben Kindern und Jugendlichen aus der Ukraine am Flughafen gestrandet. Sie hatten Flugkarten nach Irland, aber vom Flughafen Frankfurt-Hahn im rheinland-pfälzischen Hunsrück aus. Die Einladung der Hilflosen zum Gottesdienst und das gemeinsame Essen hinterher habe eine „Ostererfahrung“ bewirkt: „Die Trauer der Flüchtlingsgruppe und ihr Gefühl der Verlorenheit wichen einer Ruhe und Freude.“ Nach einer Woche in der Flüchtlingsunterkunft konnte die Gruppe nach Irland weiterfliegen.
Schwierig bleibe das Anliegen, Seelsorge für die Beschäftigten des Flughafens anzubieten, räumt Pfarrerin Klünemann ein. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter arbeiteten oft ohne Pausen in Schichten und hätten kaum Zeit für die Seelsorge. Toll sei aber, dass der Flughafenbetreiber Fraport „Religion als Teil des Menschseins“ begreife und Räume zur Besinnung und zum Gebet bereitstelle. „Wir sind anders als alle anderen, wir haben Zeit“, beschreibt Klünemann die Sonderstellung der Seelsorger. Dies schätzt auch der Flughafenbetreiber.
Menschen unterschiedlichster Herkunft, Religion und Kultur
Am Flughafen träfen täglich Menschen unterschiedlichster Herkunft, Religion und Kultur aufeinander, erklärt die Fraport AG. Wer in der Hektik des Alltags und des Reisens ein vertrauliches Gespräch suche, Hilfe benötige oder ein hoffnungsvolles Wort brauche, könne sich an die Flughafenseelsorge wenden. Sie kümmere sich jeden Tag darum, Menschen auf ihrem Weg Halt zu geben und trage damit zu einer guten Reise bei. Auch die Bundespolizeidirektion am Flughafen lobt die Seelsorge: „Sie ist als wichtiger Baustein am Flughafen nicht mehr wegzudenken.“
Für Dienstag (18. Oktober) haben Klünemann und Fröhling zu einer ökumenischen Jubiläumsfeier eingeladen. Zu Gottesdienst und Empfang werden Gäste von Kirchen, Fraport, Betriebsräten, Bundespolizei und Fluggesellschaften erwartet. Die evangelische Pfarrerin und ihr katholischer Kollege am Flughafen blicken nach vorn: „Die Kirche wächst hier“, sagt Fröhling. Die Beziehungen zu anderen Religionen sollten stärker werden, ergänzt Klünemann: „Wir entwickeln uns zu einem Team von Menschen unterschiedlicher Herkunft, Nationalität und Religion“. (epd/mig) Aktuell Panorama
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