Gedenken mit versöhnlichen Worten

Steinmeier bittet Angehörige von Olympia-Attentatsopfern um Vergebung

Jahrelang hatten Hinterbliebene der Opfer des Olympia-Attentats 1972 um Entschädigung und Entschuldigung gekämpft. Am 50. Jahrestag bat der Bundespräsident um Vergebung und sprach von Versagen Deutschlands. Die Hinterbliebenen zeigten sich versöhnt.

Von Montag, 05.09.2022, 20:30 Uhr|zuletzt aktualisiert: Montag, 05.09.2022, 18:33 Uhr Lesedauer: 3 Minuten  |  

Mit Gedenkveranstaltungen in München und Fürstenfeldbruck haben Deutschland und Israel an die Opfer des Olympia-Attentats von 1972 erinnert. Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier bat die Hinterbliebenen beim zentralen Gedenken zum 50. Jahrestag im Fliegerhorst Fürstenfeldbruck am Montagnachmittag um Vergebung. Er bitte um Vergebung für den mangelnden Schutz der israelischen Athleten und für die mangelnde Aufklärung danach – „dafür, dass geschehen konnte, was geschehen ist“.

50 Jahre habe es bis zu einer Einigung über eine angemessene Entschädigung gedauert. Aber auch die jetzt gefundene Verständigung werde nicht alle Wunden heilen können, räumte Steinmeier ein. „Wir können nicht wiedergutmachen, was geschehen ist, auch nicht, was Sie an Abwehr, Ignoranz und Unrecht erfahren und erlitten haben“, sagte er zu den Hinterbliebenen. „Das beschämt mich.“ Die Geschichte des Attentats sei auch eine Geschichte des Versagens.

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Bereits am Vormittag hatte Münchens Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD) bei einem kleineren Gedenkakt im Olympiapark um Vergebung gebeten. Die Verantwortlichen hätten damals folgenschwere Fehler begangen. „Das tut mir leid. Und ich entschuldige mich dafür.“ Auch der bayerische Ministerpräsident Markus Söder (CSU) sagte in Fürstenfeldbruck, dass Bayern Fehler gemacht habe, weil etwa die Polizei nicht auf einen Terrorakt vorbereitet gewesen sei. „Ich bitte um Verzeihung.“ Das Attentat sei auf ewig mit Deutschland verbunden.

Kommission soll aufarbeiten

Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) bat die Hinterbliebenen im Namen der Bundesregierung um Entschuldigung. Deutschland habe der israelischen Olympia-Mannschaft nicht im Ansatz den Schutz gegeben, der nötig gewesen wäre. Es sei beschämend, dass die Aufarbeitung des Olympia-Attentats nicht längst erfolgt sei. Eine Kommission aus deutschen und israelischen Historikern werde nun mit der Aufarbeitung beauftragt.

Am 5. September 1972 hatten palästinensische Terroristen Mitglieder der israelischen Mannschaft als Geiseln genommen. Die Befreiungsaktion auf dem Fliegerhorst Fürstenfeldbruck scheiterte. Am Ende starben elf Israelis, ein bayerischer Polizist und fünf Terroristen. Die Hinterbliebenen aus Israel kämpften jahrzehntelang um eine Entschädigung, eine Entschuldigung und eine historische Aufarbeitung. Eine Einigung, unter anderem über 28 Millionen Euro Entschädigung, war erst vergangene Woche zustande gekommen.

Einigung in letzter Minute

Unter den Gästen in Fürstenfeldbruck befanden sich auch Israels Staatspräsident Izchak Herzog und Hinterbliebene sowie das gesamte bayerische Kabinett, die Präsidentin der Kultusgemeinde München und Oberbayern, Charlotte Knobloch, und der bayerische evangelische Landesbischof Heinrich Bedford-Strohm. Bis vergangene Woche war nicht klar, ob eine israelische Delegation kommen würde. Die Hinterbliebenen hatten eine Teilnahme von einer Einigung in der Entschädigungsfrage abhängig gemacht.

Der israelische Staatspräsident Herzog dankte Deutschland, besonders seinem „sehr guten Freund Frank-Walter Steinmeier“, für die Entscheidung, Verantwortung für Versäumnisse rund um das Olympia-Attentat zu übernehmen. Dies sein ein moralischer und gerechter Schritt gegenüber den Opfern und der Geschichte. „Die Welt darf nicht vergessen, was 1972 geschah.“ Die jahrzehntelange Gleichgültigkeit sei eine Qual für die Hinterbliebenen gewesen. Am Ende seiner Rede umarmte Herzog Bundespräsident Steinmeier.

„Unser Weg war lang und einsam“

Die inoffizielle Sprecherin der israelischen Hinterbliebenen-Familien, Ankie Spitzer, verlas einen sehr persönlichen Brief an ihren ermordeten Mann André Spitzer. Sie habe nie wirklich Frieden gefunden, auch wenn sie sich ein neues Leben aufgebaut habe. „Unser Weg war lang und einsam“, sagte die 76-Jährige mit Blick auf den jahrzehntelangen Kampf der Hinterbliebenen um Anerkennung ihres Leides. Dieses Loch im Herzen werde nie heilen.

Die Sicherheitsbehörden hätten 1972 auf allen Ebenen versagt, sagte der Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, Josef Schuster. Das Olympia-Attentat sei nicht der erste Anschlag gegen Juden auf deutschem Boden gewesen, seit 1968 habe es diverse Anschläge gegeben, vor allem gegen israelische El-Al-Flugzeuge. Die Einigung in der Entschädigungsfrage sei daher ein wichtiges Zeichen. (epd/mig) Aktuell Politik

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