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"Tausendundeine Nacht: Das Buch der Liebe" erschienen beim C.H.Beck Verlag

Von der Liebe erzählt

Tausendundeine-Nacht-Übersetzerin Claudia Ott legt neuen Band vor

Durch den ehemaligen Heuschober im Heidedorf Beedenbostel weht ein Hauch von Orient. Hier übersetzt die Arabistin Claudia Ott nach uralten Handschriften Geschichten aus „Tausendundeine Nacht“. Im jetzt erscheinenden dritten Band geht es um die Liebe.

Von Donnerstag, 21.07.2022, 17:30 Uhr|zuletzt aktualisiert: Donnerstag, 21.07.2022, 9:17 Uhr Lesedauer: 3 Minuten  |  

Ihre handschriftlichen Übersetzungen legt Claudia Ott nicht einfach aufgeschlagen auf den Tisch. In den von einer Freundin in Rot und Gold eingebundenen Büchern steckt viel Herzblut, entsprechend sorgsam geht sie damit um. Und doch sind sie nur ein Zwischenschritt zu dem Band, der am 14. Juli im Verlag C.H. Beck erscheint. „Tausendundeine Nacht – Das Buch der Liebe“ ist das dritte Buch, das Ott nach historischen Handschriften mit den Geschichten der berühmten Erzählerin Schahrasad (Scheherazade) übersetzt hat.

„In jedem Band stecken vier Jahre Arbeit“, sagt die Arabistin. Sie klappt zunächst einen hölzernen Buchständer auf, der in Damaskus eigens für sie gefertigt wurde und mit Intarsien geschmückt ist. Auf diesem Klapptisch in Form eines auf die Seite gelegten X öffnet sich das Buch gerade so weit, dass die Seiten nicht verschlagen. „Das ist eine ganz tolle Kultur“, sagt die Übersetzerin aus dem niedersächsischen Beedenbostel: „So werden Buch und Einband geschont.“

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Claudia Ott gilt als eine der führenden Kennerinnen der morgenländischen Erzählungs-Sammlung „Tausendundeine Nacht“. 2004 machte sie für ihre Neuübersetzung erstmals die älteste erhaltene arabische Fassung in deutscher Sprache zugänglich. Für „Das Buch der Liebe“ greift sie erneut auf einige der ältesten erhaltenen Handschriften zurück, die bis in frühe 15. Jahrhundert reichen. Teils hat sie für die vier Kapitel Fragmente zusammengeführt.

„Und keiner hat sie je übersetzt“

Die Erzählungen von Tausendundeiner Nacht wurden durch eine Übersetzung des Franzosen Antoine Galland (1646-1715) einst in Europa populär. Doch Galland ging teils frei mit den Vorlagen um und fügte andere mündliche Erzählungen ein. Claudia Ott hat für ihr neues Buch in verschiedenen Bibliotheken original arabische Handschriften aufgetan. Eine von ihnen lagerte seit 1862 in der Berliner Staatsbibliothek – „und keiner hat sie je übersetzt“, berichtet sie.

Otts Übertragungen werden von Rezensenten als poetisch und sinnlich gelobt. Auch die Art, wie sie übersetzt, hat darauf Einfluss. Zunächst erfasst sie den Kern handschriftlich, gleich neben den Kopien des Originals, dann notiert sie wieder per Hand die sprachlichen Details, der mit Gedichten angereicherten Erzählungen. „Das Schwierigste ist das Versmaß“, sagt die Übersetzerin.

„Das Schwierigste ist das Versmaß“

Durch Otts Büro, in einem früheren Heuschober im Heidedorf Beedenbostel bei Celle weht ein Hauch von Orient. Unter den Balken hängen Messingleuchten. In einer Halterung an der Wand finden sich mehrere orientalische Rohrflöten, die zu den Instrumenten gehören, die sie spielt. Über die Rücken von Wörterbüchern und Lexika in den Borden ziehen sich – farbig und golden illustriert – arabische Buchstaben. „Das wichtigste ist für mich das arabisch-arabische Wörterbuch“, sagt sie. „20 Bände voll schöner Zitate.“

Noch ein zweites Mal schreibt Claudia Ott ihre Übersetzungen komplett handschriftlich ab, jede Geschichte in eines der rot-goldenen Blankobücher. Aus diesen trägt sie die Texte dann vor. Für das „Buch der Liebe“ fanden sich während eines Stipendiums in der Künstlerresidenz Chretzeturm in Stein am Rhein und bei Ott zu Hause „auf dem literarischen Hühnerhof“ Interessierte, die dabei mit ihr am Feinschliff arbeiteten. Aus „warte auf mich bis um die Zeit des Morgengebetes“ wurde so „warte auf mich bis zum Morgengebet“, gibt sie ein Beispiel.

Nach der Fluchtbewegung 2015

Claudia Ott hat unter anderem in Tübingen und Jerusalem Islamwissenschaften, Arabistik, Iranistik und andere orientalische Fächer studiert und 1998 in Berlin mit einer Arbeit zur arabischen Epik promoviert. Nachdem 2015 viele Flüchtlinge nach Deutschland gekommen sind, hat sie mit Unterstützung des evangelischen Kirchenkreises Celle ein Ensemble mit arabischsprachigen Musikern ins Leben gerufen.

Claudia Ott spricht viel, schnell und voller Begeisterung, wenn sie von den jetzt übersetzten Erzählungen berichtet. Das „Buch der Liebe“ enthalte die einzige Unterweltfahrt der arabischen Kultur, sagt sie. Ein Lindwurm entführt die Braut eines verliebten Beduinen. Dessen Suche nach ihr führt ihn auch in die Unterwelt, vor den Thron des Teufels. „Was dann passiert, müssen alle selbst nachlesen“, sagt sie schmunzelnd und in der Tradition der Schahrasad- „Sie ist die Erfinderin des Cliffhangers“, erläutert Ott. „Sie hat immer aufgehört, wenn es am spannendsten war.“ (epd/mig) Aktuell Feuilleton

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