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Lange Wartezeiten

Zwei Rettungsschiffe dürfen über 400 Flüchtlinge nach Italien bringen

Nach vielen Tagen Ausharren im Mittelmeer wurden zwei Rettungsschiffen mit mehr als 400 Menschen an Bord Hafen zugewiesen. Seenotretter kritisieren die langen Wartezeiten und warnen vor mehr Toten im Mittelmeer. Seit Jahresbeginn werden 810 Menschen vermisst.

Donnerstag, 09.06.2022, 16:00 Uhr|zuletzt aktualisiert: Donnerstag, 09.06.2022, 12:32 Uhr Lesedauer: 3 Minuten  |  

Zwei private Rettungsschiffe haben von Italien die Erlaubnis erhalten, mehr als 400 Flüchtlinge an Land zu bringen. Nach vielen Tagen Ausharren im Mittelmeer sei der Crew der „Sea-Watch 3“ der Hafen der sizilianischen Stadt Pozzallo zugewiesen worden, teilte die gleichnamige Organisation am Donnerstag mit. Einige der 344 Geretteten waren seit dem 2. Juni an Bord.

Im gleichen Hafen können auch die 92 Menschen an Bord der „Mare Jonio“ der italienischen Organisation Mediterranea Saving Humans an Land gehen. Die Besatzung des Schiffes hatte die Menschen am Pfingstwochenende aus zwei Booten in Seenot gerettet und dringend die Erlaubnis für einen Hafen beantragt. Am Mittwoch hatten die Helfer nach mehrfacher Bitte angekündigt, in Anbetracht schlechter Wetterbedingungen ohne Erlaubnis im Süden Siziliens einen Hafen für die Anlandung anzusteuern, sollten sie nicht sofort einen Hafen zugewiesen bekommen.

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Lange Wartezeit hat verheerende Auswirkungen Psyche

In internationalen Seerechtsübereinkommen ist festgelegt, dass die Seebehörden verpflichtet sind, Schiffen nach Rettungen innerhalb einer angemessenen Frist einen sicheren Hafen zuzuweisen. „Doch im zentralen Mittelmeer sitzen NGO-Schiffe, die Rettungseinsätze durchführen, immer länger mit Überlebenden an Bord auf See fest,“ kritisiert Sophie Beau von der Seenotrettungsorganisation SOS Mediterranee. Angaben der Organisation zufolge ist die Wartezeit von Überlebenden an Bord von Seenotrettungsschiffen im Vergleich zu 2021 um durchschnittlich zwei Tage auf 8,2 im laufenden Jahr angestiegen.

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Die lange Zeit auf See habe verheerende Auswirkungen auf den physischen und psychischen Zustand der Menschen an Bord. In den vergangenen zwei Jahren mussten zahlreiche Gerettete während dieser Wartezeiten aus medizinischen Gründen per Patrouillenschiff oder Hubschrauber von zivilen Rettungsschiffen evakuiert werden, mehrere Überlebende sprangen über Bord.

„Zahl der Toten im Mittelmeer könnte steigen“

„Wenn dieser beunruhigende Trend anhält, könnte sich die humanitäre Krise im zentralen Mittelmeer in den Sommermonaten erneut zuspitzen, wenn aufgrund besserer Wetterbedingungen mehr Menschen die gefährliche Überfahrt über das zentrale Mittelmeer versuchen“, warnt Beau und appelliert an die EU, ihrer rechtlichen und moralischen Verantwortung gerecht zu werden. Sonst könne „die Zahl der Toten im Mittelmeer könnte steigen“ und die humanitäre Notlage „mit hoher Wahrscheinlichkeit noch weiter verschärfen.“

Die Besatzung der „Sea-Watch 3“ hatte die Menschen in sechs Einsätzen vom 2. bis 6. Juni an Bord genommen. Am Mittwochabend hatte sie ebenfalls dringend um einen Hafen ersucht. Den Geretteten gehe es von Stunde zu Stunde schlechter, erklärten die Helferinnen und Helfer nach der dritten Evakuierung aus medizinischen Gründen. Insgesamt sieben Gerettete und vier Angehörige mussten als Notfall vom Schiff geholt werden.

Keine staatliche Seenotrettung im Mittelmeer

Im Mittelmeer gibt es keine staatlich organisierte Seenotrettungsmission. Lediglich die Schiffe privater Organisationen halten Ausschau nach in Not geratenen Flüchtlingen und Migranten. Immer wieder dauert es viele Tage, bis die italienischen Behörden den Rettungsschiffen einen Hafen zuweisen. Malta gibt seit Jahren keine Erlaubnisse mehr.

Das Mittelmeer zählt zu den gefährlichsten Fluchtrouten der Welt. Laut der Internationalen Organisation für Migration (IOM) sind seit Beginn dieses Jahres bislang 810 Menschen bei der Überfahrt ums Leben gekommen oder werden vermisst. Die Dunkelziffer dürfte weit höher liegen. Die Organisationen weigern sich, die Überlebenden nach Libyen zu bringen, von wo aus viele Flüchtlinge in See stechen, weil ihnen dort Folter und andere Menschenrechtsverletzungen drohen. (epd/mig) Aktuell Panorama

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