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Kino

Bremer Hausfrau Rabiye Kurnaz gegen George Guantanamo W. Bush

Rabiye Kurnaz gegen George W. Bush: Andreas Dresen und Autorin Laila Stieler verfilmen den Fall Murat Kurnaz als flotte Dramedy, mit dem Fokus auf Mutter Rabiye als sympathische Heldin. Das Versagen Deutschlands in dem Fall kommt zu kurz.

Von Dienstag, 26.04.2022, 20:00 Uhr|zuletzt aktualisiert: Mittwoch, 27.04.2022, 7:46 Uhr Lesedauer: 3 Minuten  |  

Andreas Dresen hat schon oft beweisen, dass er sich wie kaum ein anderer deutscher Regisseur sowohl auf dramatische Ernsthaftigkeit als auch auf bekömmliche Komödienkost versteht. Seine Bandbreite reicht vom leichten Humor in „Sommer vorm Balkon“ und „Whisky mit Wodka“ bis zu tragischen Verwicklungen und Helden in „Halt auf freier Strecke“ und „Gundermann“. Selten allerdings wagte er innerhalb eines einzigen Films einen erzählerischen Spagat wie den, an dem er sich nun in „Rabiye Kurnaz gegen George W. Bush“ versucht.

Der Film erzählt die wahre Geschichte der Bremer Hausfrau Rabiye Kurnaz, deren ältester Sohn Murat im Herbst 2001, nur wenige Wochen nach dem Terroranschlag auf das World Trade Center, unangekündigt zu einer Reise nach Karatschi in Pakistan aufbricht. Zunächst machen die aus der Türkei stammende Rabiye (Meltem Kaptan) und ihr Mann sich nicht zu viele Gedanken, doch dann stehen plötzlich Reporter vor Tür: Hier soll ein Taliban wohnen!

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Ein Fall, der strotzt vor Ungerechtigkeiten

Murat war in Pakistan verhaftet und anschließend von US-Amerikanern nach Guantánamo verschleppt worden. Dort saß er bis auf Weiteres ohne Anklage ein, weil er ins Profil dessen passte, was nach 9/11 als Terrorverdächtiger galt. Der Film zeigt Rabiye als verzweifelt und ratlos, in ihrer Überforderung aber auch als überaus patent.

Dank des Telefonbuchs und ein wenig Glück stößt die temperamentvolle Frau auf den norddeutsch-spröden Anwalt Bernhard Docke (Alexander Scheer), der auf Menschenrechtsfragen spezialisiert ist und sofort erkennt, dass dieser Fall nur so strotzt vor Ungerechtigkeiten. Gemeinsam legen die beiden einen mühsamen Weg durch die Instanzen und Institutionen zurück, der sie bis ins Weiße Haus und auch in die Türkei führt. Und lange dauert: Erst 2006, nach 1.786 Tagen der Internierung, kehrt Murat Kurnaz nach Hause zurück.

Versagen Deutschlands an den Rand gedrängt

Hintergrund: Regisseur Andreas Dresen wolle mit seinem preisgekrönten Film auf Menschenrechtsverletzungen im US-Gefangenenlager Guantánamo aufmerksam machen, wo bis heute 39 Menschen ohne Gerichtsverfahren sitzen. Der Film sei auch ein Versuch, „das Thema wieder in die Öffentlichkeit zu tragen“. Dresen: „Es gibt Folter und Unrecht auch unter dem Deckmantel der Demokratie, nicht nur in Diktaturen.“
Mit Blick auf die damalige Rolle des heutigen Bundespräsidenten Frank-Walter Steinmeier, der 2002 Kanzleramtschef und Geheimdienstkoordinator der Bundesregierung war, sagt Drehbuchautorin Laila Stieler: „Es wäre längst an der Zeit gewesen für eine Reaktion.“ Dresen plädiert für eine „Form von moralischer Wiedergutmachung“. Boulevardmedien hatten Murat Kurnaz als „Bremer Taliban“ betitelt. Auch als seine Unschuld erwiesen war, hat er über drei Jahre in Guantánamo gesessen.

Kurnaz Geschichte wurde hierzulande vielfach erzählt, nicht zuletzt von ihm selbst (seine Autobiografie ist unter dem Titel „5 Jahre Leben“ auch verfilmt worden). Doch Dresen und seine Koautorin Laila Stieler konzentrieren sich nun ganz auf seine Mutter. Tatsächlich ist Rabiye Kurnaz, zumal in Meltem Kaptans energiegeladener Darstellung, eine fantastische Filmheldin: leidenschaftlich und naiv, mit ebenso viel Gerechtigkeitssinn wie Humor gesegnet, unverbogen und quirlig. Eine Figur wie gemacht dafür, eine Feelgood-Geschichte zu schultern, von Dresen warmherzig in Szene gesetzt und durch Scheers reservierten Anwalt wunderbar konterkariert.

Ob dieser Ansatz allerdings der richtige ist, um vom Fall Kurnaz zu erzählen, steht auf einem anderen Blatt. Sowohl Murats traumatische Erfahrungen als auch das Ausmaß des Versagens der deutschen Politik werden in „Rabiye Kurnaz gegen George W. Bush“ arg an den Rand gedrängt. Und der Wahrhaftigkeit seines Films tut Dresen keinen Gefallen mit Kleinigkeiten wie dem Auftreten eines fiktiven, vollkommen uncharismatischen Hollywoodstars oder einem eigenen Cameo-Auftritt als Richter am Supreme Court. (epd/mig) Feuilleton Leitartikel

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