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Moldawien

Erster Frontex-Einsatz am Rand eines Kriegsgebiets geplant

Bereits in wenigen Tagen könnte die Republik Moldau Einheiten der EU-Grenztruppe Frontex kommandieren, die Verlegung wird bereits vorbereitet. Ein derzeit verhandeltes Statusabkommen mit der Regierung in Chisinau müsste aber Einsätze in Transnistrien, wo Russland Militär stationiert hat, ausschließen.

Von Freitag, 11.03.2022, 13:52 Uhr|zuletzt aktualisiert: Montag, 14.03.2022, 7:37 Uhr Lesedauer: 4 Minuten  |  

Im Eilverfahren wollen die EU-Kommission und die Mitgliedstaaten im Rat ein sogenanntes Statusabkommen mit der  Regierung der Republik Moldau abschließen. Anschließend soll die EU-Grenzagentur Frontex Einheiten für das „Migrationsmanagement“ an die dortige Grenze zur Ukraine entsenden. So steht es in der Pressemitteilung der Kommission vom Donnerstag.

Sowohl die Kommission als auch der Rat arbeiten mit Hochdruck an dem geplanten Einsatz, erst gestern wurden die Botschafter aller EU-Mitgliedstaaten in einer Sondersitzung darüber in Kenntnis gesetzt. Vor Aufnahme der Verhandlungen für ein Statusabkommen mit Moldawien muss der Rat der Kommission ein entsprechendes Mandat erteilen. Hierzu hat die Kommission im Eilverfahren einen Vorschlag vorgelegt.

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EU finanziert Ausrüstung zur Grenzüberwachung

Nur mit einem Statusabkommen darf Frontex operative Einsätze in einem Land außerhalb der Europäischen Union durchführen. Das erste derartige Abkommen schloss die Kommission 2019 mit Albanien, später folgten Montenegro und Serbien. Als erstes afrikanisches Land könnte Senegal auf Basis eines Statusabkommens bald einer Frontex-Mission zustimmen, „technische Verhandlungen“ sollen bereits begonnen haben. Ähnliche Pläne, jedoch noch keine Gespräche gibt es für Marokko.

Die Republik Moldau hat selbst um den Frontex-Einsatz gebeten, Gespräche zu dessen Ausgestaltung haben bereits begonnen. Nach Abschluss des Statusabkommens erfolgt die Verwendung der Frontex-Einheiten unter der Leitung der moldawischen Behörden. Zu den anvisierten Aufgaben nennt die Kommission „Registrierung und Grenzkontrollen“, allerdings sind davon auch Grenzeinsätze umfasst. 2008 haben die Kommission und die moldawische Regierung bereits ein Arbeitsabkommen geschlossen, es ermöglicht unter anderem die Zusammenarbeit im Bereich der Ausbildung.

Mit der Entsendung der EU-Grenzpolizei dürfte ein EU-Beitritt, wie ihn die moldawische Regierung angesichts des Krieges in der Ukraine vergangene Woche beantragt hat, greifbarer werden. Bislang besteht nur ein Assoziierungsabkommen, es soll das Land die Standards der EU heranführen. Hierzu hat die Kommission bereits zahlreiche Maßnahmen für die Verbesserung von Grenzkontrollen und Grenzüberwachung Moldawien finanziert. Im Projekt „EU4Border Security“ erhalten die Behörden neue Ausrüstung für die Beobachtung der rund 2.000 Kilometer langen Landgrenzen mit 74 Grenzübergängen. Weitere Gelder stammen aus dem jährlichen EU-Aktionsprogramm für die östliche Nachbarschaft.

„Eingefrorener Konflikt“ Transnistrien

Das Statusabkommen soll sich an einer Mustervereinbarung orientieren, die die Kommission nach den Erfahrungen in Albanien, Montenegro und Serbien entworfen hat. Darin sind etwa Exekutivbefugnisse, der Einsatz von Waffen und die volle Immunität der eingesetzten Beamt:innen vor Strafverfolgung im Einsatzstaat geregelt. Allerdings muss die Vereinbarung mit Moldawien an einem wesentlichen Punkt davon abweichen. Denn auch die Kommission ist sich laut der Pressemitteilung bewusst, dass der Frontex-Einsatz an einer „Grenze mit einem aktiven Kriegsgebiet“ erfolgen würde. Gemeint ist damit die Ukraine. In Moldawien befindet sich aber auch die selbsternannte und international nicht anerkannte Transnistrische Moldauische Republik, die als „eingefrorener Konflikt“ seit 1990 von Russland unterstützt wird.

Transnistrien steht nicht unter Kontrolle der moldawischen Regierung in Chisinau. Angeblich hat Russland in der östlich des Flusses Dnister gelegenen Region mehr als eintausend Soldat:innen stationiert. Sollte die russische Regierung im Krieg gegen die Ukraine auch Odessa einnehmen, stünden zusätzliche Truppen keine 100 Kilometer von Transnistrien entfernt. Beobachter:innen warnten auch davor, dass Russland einen „Korridor“ von Odessa nach Transnistrien planen könnte.

Deshalb wird das Statusabkommen mit Moldau vermutlich einen Einsatz in Transnistrien ausschließen. Allerdings könnte Frontex wie bisher mit der Grenzunterstützungsmission EUBAM für Moldau zusammenarbeiten. Mit dieser „technischen Beratungsmission“ wollte die EU die Bemühungen Moldaus und der Ukraine um die Verwaltung ihrer gemeinsamen Grenze und die Beilegung des Transnistrien-Konflikts unterstützen. Über 16 Jahre befand sich das Hauptquartier von EUBAM Moldawien in Odessa.

Auch Schengen-Staaten sollen sich beteiligen

Gewöhnlich liegen zwischen dem Abschluss eines Statusabkommens und dessen Umsetzung mehrere Monate. Für einen sofortigen Einsatz von Frontex müsste deshalb das vorläufige Inkrafttreten des Vertrages von den EU-Mitgliedstaaten im Rat beschlossen werden. Auch das EU-Parlament muss am Ende zustimmen. Falls sich auch die Schengen-Staaten Schweiz, Norwegen, Island und Liechtenstein an dem Einsatz beteiligen wollen, müssen deren Regierungen eigene Abkommen mit der Republik Moldau abschließen.

Frontex will ihren Einsatz in Rumänien um 150 Beamt:innen und 45 Patrouillenfahrzeuge aufstocken und hierzu Truppen der „Ständigen Reserve“ von anderen Standorten in die Region verlegen. Ein Teil davon soll an der moldawischen Grenze stationiert werden. Es liegt nahe, dass es sich hierbei um eine Vorbereitung des Einsatzes in der Republik Moldau handelt.

Vermutlich werden auch einzelne Mitgliedstaaten Personal nach Moldawien entsenden. Die Bundespolizei hat laut Medienberichten bereits 200 Beamt:innen an die ukrainische Grenze in Rumänien sowie Polen geschickt. Das ist in etwa das Dreifache der ansonsten jeden Tag in Frontex-Missionen eingesetzten Bundespolizist:innen. Aktuell Politik

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