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Demo vor dem Brandenburger Tor gegen den Krieg in Ukraine

Ukraine

Deutschland bereitet sich auf Flüchtlingsaufnahme vor

Das militärische Vorgehen Russlands gegen die Ukraine stößt in Europa auf scharfe Verurteilung. Die EU plant neue Sanktionen. Kanzler Scholz spricht von einem „hohen Preis“ für Russland. Faeser kündigt unbürokratische Aufnahme von Flüchtlingen aus der Ukraine an.

Donnerstag, 24.02.2022, 20:15 Uhr|zuletzt aktualisiert: Donnerstag, 24.02.2022, 19:57 Uhr Lesedauer: 5 Minuten  |  

Nach dem russischen Angriff auf die Ukraine hat Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) ein entschlossenes Handeln der westlichen Verbündeten beschworen. „Wir sind entschlossen und handeln geschlossen. Darin liegt unsere Stärke als freie Demokratien“, sagte Scholz in einer am Donnerstag ausgestrahlten TV-Ansprache. Die EU wollte noch am Donnerstagabend weitere Sanktionen gegen Russland beschließen. Möglich seien Exportkontrollen, Maßnahmen gegen den Finanzsektor, Einschränkungen bei der Visavergabe und Sanktionen gegen Einzelpersonen, hieß es zuvor in Brüssel. Scholz sagte, die Sanktionen würden die russische Wirtschaft hart treffen.

Der Kanzler betonte in seiner an die deutsche Bevölkerung gerichteten Ansprache, die Lage sei „sehr ernst“. „Gerade erleben wir den Beginn eines Krieges, wie wir ihn in Europa so seit mehr als 75 Jahren nicht erlebt haben“, sagte der deutsche Regierungschef. „Gerade zwei Flugstunden von Berlin entfernt sitzen im Moment Familien in Luftschutzkellern, Frauen, Männer und Kinder bangen um ihr Leben.“

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Mit deutlichen Worten verurteilten auch weitere Vertreter der Bundesregierung am Donnerstag das Vorgehen des russischen Staatschefs Wladimir Putin. Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) sagte, dieser Krieg solle vor allem die Hoffnung der Menschen in der Ukraine zerstören, „dass sie nach Jahrzehnten der Unfreiheit ein Recht auf Demokratie, ein Recht auf Frieden und auf eine bessere Zukunft ohne Unterdrückung haben“. Vizekanzler Robert Habeck (Grüne) erklärte: „Dieser Tag ist eine Zäsur für Europa und die Welt.“ Am Sonntag wird es eine Sondersitzung des Bundestags mit einer Regierungserklärung von Scholz zur Lage in der Ukraine geben.

Habeck: Keine Waffenlieferungen an Ukraine

Der russische Angriff befeuerte auch wieder die Frage deutscher Waffenlieferungen an die Ukraine. Habeck, als Wirtschaftsminister zuständig für den Bereich der Rüstungsexporte, schloss diese weiter aus: „Wir werden keine Waffen an die Ukraine liefern.“ Auch Verteidigungsministerin Christine Lambrecht (SPD) verwies auf die restriktive Haltung der Bundesregierung in dieser Frage. Gleichzeitig versicherte sie, Deutschland werde alle Anfragen der Nato-Partner erfüllen.

Derweil boten acht EU-Länder der Ukraine Hilfe im Rahmen des EU-Zivilschutzmechanismus an. Slowenien, Rumänien, Frankreich, Irland, Österreich, Spanien, Schweden und Kroatien hätten sich bereit erklärt, medizinische Ausrüstung, Erste-Hilfe-Sets, Generatoren, Wasserpumpen und Brandschutzausrüstung zu liefern, hieß es aus EU-Kommissionskreisen.

Faeser kündigt unbürokratische Aufnahme von Flüchtlingen an

In Deutschland bereiten sich Bund und Länder unterdessen auf die Aufnahme von Flüchtlingen aus der Ukraine vor. Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) sprach sich für eine unbürokratische Aufnahme aus. Faeser verwies nach einem Gespräch mit den Fachministerinnen und -ministern der Länder auf den Paragrafen 24 im Aufenthaltsgesetz, der auf Grundlage eines EU-Beschlusses Kriegsflüchtlingen aus einem Land vorübergehenden Schutz ermöglicht. Sie empfehle, sich auf diese Möglichkeit vorzubereiten, sagte Faeser.

Das fordert auch Pro-Asyl-Geschäftsführer Günter Burkhardt. Die leidtragende Zivilbevölkerung fliehe in der Regel erst einmal in die direkten Nachbarstaaten, sagte Burkhardt der „Neuen Osnabrücker Zeitung“. Aber auch Deutschland muss nach den Worten von Burkhardt bereit sein, Flüchtlinge aufzunehmen. Das müsse auch für die Tausende von Transitflüchtlingen gelten, die bereits vor anderen Konflikten in die Ukraine geflohen seien. „Darunter sind Menschen aus Syrien, Afghanistan, Tschetschenien und Somalia.“

Pro Asyl fordert Einreiseerleichterungen für Ukrainer

Die Menschenrechtsorganisation forderte die Bundesregierung zudem auf, die Einreise für ukrainische Bürger nach Deutschland zu erleichtern. Die seit 2017 bestehende Möglichkeit für ukrainische Bürger, ohne Visum in die EU einzureisen, sei gerade jetzt überlebenswichtig, schreibt Pro Asyl in einem Positionspapier. Allerdings besäßen nur die wenigsten Ukrainer den dafür geforderten biometrischen Pass. „Daher sollte diese formale Hürde umgehend ausgesetzt werden.“

Auch der Aufenthalt für ukrainische Staatsangehörige, die sich bereits in Deutschland aufhielten, müsse unbürokratisch verlängert werden. „Das schließt selbstverständlich auch einen Abschiebestopp ein“, betonten die Verfasser.

Noch keine verlässliche Flucht-Prognose

Derweil stellen sich die deutschen Städte auf die Aufnahme von Flüchtlingen aus der Ukraine ein. „Wir erwarten in den nächsten Wochen, dass der russische Einmarsch viele Menschen in den betroffenen Regionen zur Flucht zwingen wird“, sagte der Präsident des Deutschen Städtetages, Markus Lewe. Die Städte seien bereit und darauf eingestellt, den betroffenen Menschen Unterkunft und Schutz zu gewähren, ergänzte der Oberbürgermeister von Münster. Für die Flüchtlingsaufnahme müssten sich Bund und Länder eng mit den Kommunen abstimmen, forderte Lewe. Die Städte erwarteten, rechtzeitig über die aktuelle Lage informiert zu werden, sagte der Präsident des kommunalen Spitzenverbands.

Die Innenministerin Faeser betonte hingegen, es könnten noch keine verlässlichen Prognosen über Fluchtbewegungen abgegeben werden. Sie rechne zunächst mit einer Fluchtbewegung innerhalb der Ukraine.

UNHCR meldet erste Fluchtbewegung

Nach UN-Angaben hat diese bereits eingesetzt. Menschen flüchteten aus ihren Häusern auf der Suche nach Sicherheit, erklärte der UN-Hochkommissar Filippo Grandi in Genf. Er sprach auch von ersten Opfern. Die humanitären Folgen der russischen Aggression seien verheerend. Zahllose Leben würden zerrissen, warnte der UN-Hochkommissar für Flüchtlinge. Das Hilfswerk UNHCR, dem Grandi vorsteht, habe seine Präsenz in der Ukraine aufgestockt.

Das UNHCR arbeitet Grandis Worten zufolge mit den Behörden der Ukraine zusammen, um humanitäre Hilfe zu leisten. Die Helfer kooperierten auch mit den Nachbarländern der Ukraine, diese müssten die Grenzen für Flüchtlinge offenhalten. Der Hochkommissar verlangte den Schutz von Zivilisten und zivilen Einrichtungen. Zudem müsse UN-Helfern ungehinderter Zugang zu den Opfern des Krieges gewährt werden. (epd/mig) Leitartikel Politik

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