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Studie

Vor allem Alleinerziehende und Migranten müssen trotz Jobs aufstocken

Rund 860.000 Menschen in Deutschland beziehen laut einer aktuellen Studie trotz eines Jobs Sozialleistungen. Besonders betroffen sind demnach Alleinerziehende und Migranten. Sozialverbände fordern mehr Unterstützung.

Donnerstag, 16.12.2021, 5:24 Uhr|zuletzt aktualisiert: Mittwoch, 15.12.2021, 16:29 Uhr Lesedauer: 3 Minuten  |  

Sozialleistungen trotz Arbeit: Trotz eines Jobs bleiben viele Menschen in Deutschland einer aktuellen Studie zufolge auf Sozialleistungen angewiesen. Mehr als jeder fünfte Leistungsbeziehende nach dem Sozialgesetzbuch (SGB) II gehe im Jahr 2021 einer Erwerbstätigkeit nach, erklärte die Bertelsmann Stiftung am Mittwoch in Gütersloh bei der Präsentation der Studie. Unter den Aufstockern seien überdurchschnittlich viele Alleinerziehende und Migranten. Sozialverbände forderten mehr Maßnahmen gegen Kinder- und Familienarmut.

Laut einer Langzeitanalyse für die Jahre 2010 bis 2018 hätten fast ein Drittel aller Leistungsbeziehenden, die in einer Familie mit Kindern leben, in dieser Zeit einen Job gehabt, hieß es in der Auswertung des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) im Auftrag der Bertelsmann Stiftung. Unter allen Haushaltsformen habe die Gruppe der Alleinerziehenden das höchste Risiko, ihr Arbeitseinkommen aufstocken zu müssen „Es ist erschreckend, dass ein so hoher Anteil der Alleinerziehenden trotz Arbeit auf Transferleistungen angewiesen ist, um das Existenzminimum für sich und ihre Kinder zu sichern“, sagte Anette Stein von der Bertelsmann Stiftung.

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„Hinsichtlich der soziodemographischen und regionalen Merkmale zeigt sich, dass Aufstocker eher in Ostdeutschland leben, ein niedriges Bildungsniveau aufweisen, tendenziell einen schlechteren Gesundheitszustand berichten und häufiger einen Migrationshintergrund haben“ heißt es in der Studie. Düster sieht es auch bei den Aufstiegschancen aus: „Ein Aufstieg ist für Migrant sowie für geringfügig Beschäftigte, Selbständige und Erwerbstätige mit geringem Stundenlohn im Folgejahr signifikant seltener“, so die Studienautoren.

860.000 Menschen müssen aufstocken

Insgesamt arbeitete laut der Studie jeder fünfte Sozialleistungsbeziehende im Jahr 2021 zusätzlich in einem Job. Im Juni dieses Jahres seien es in Deutschland rund 860.000 Menschen gewesen. Fast die Hälfte der Aufstocker (46 Prozent) habe eine geringfügige Beschäftigung, mehr als drei Viertel erhielten einen Niedriglohn.

Die Auswertungen stützen sich den Angaben zufolge hauptsächlich auf das IAB-Panel „Arbeitsmarkt und soziale Sicherung“ (PASS), für das jährlich rund 12.000 Menschen ab 15 Jahren in 8.000 Haushalten zu ihrer materiellen und sozialen Lage befragt werden. Für Familien ließe sich die Situation durch eine Kindergrundsicherung verbessern, wie sie von der neuen Bundesregierung im Koalitionsvertrag vereinbart wurde, erklärte die Bertelsmann Stiftung. Um das hohe Aufstocker-Risiko für geringfügig Beschäftigte zu verringern, sei zudem eine Reform der Minijobs nötig.

SPD: 12 Euro Mindestlohn richtiger Schritt

Die Vorsitzende der SPD-Bundestagsfraktion, Dagmar Schmidt, erklärte, die Zahlen aus der Studie „bestärken uns in unseren Vorhaben, den Mindestlohn auf 12 Euro anzuheben, die Tarifbindung zu stärken, die Betreuungsangebote für Kinder flächendeckend in Deutschland auszubauen und eine Kindergrundsicherung einzuführen“. Als erster Schritt werde der Mindestlohn auf zwölf Euro erhöht und ein Sofortzuschlag für Kinder aus einkommensschwache Familien eingeführt. Zudem solle dafür gesorgt werden, dass der Minijob insbesondere für Frauen zu keiner Teilzeitfalle werde.

Die Präsidentin des Sozialverbandes VdK, Verena Bentele, forderte, die Ampelkoalition solle die Kinderbetreuung ausbauen und Anreize für Arbeitgeber schaffen, Arbeitszeiten flexibler zu gestalten. Zudem warnte sie davor, die Minijobs wie geplant mit einer Erhöhung der Einkommensgrenze auf 520 Euro monatlich noch auszubauen. Minijobs förderten nicht den Einstieg in den regulären Arbeitsmarkt, sondern seien zu einer Armutsfalle für viele Menschen geworden, vor allem für Frauen und Alleinerziehende. Das Deutsche Kinderhilfswerk erklärte, die neue Bundesregierung müsse die Einführung einer Kindergrundsicherung zur Top-Priorität der geplanten Änderungen in der Sozialgesetzgebung machen. (epd/mig) Aktuell Wirtschaft

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