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Evakuierung aus Afghanistan © Bundeswehr

Visa-Verfahren umgestellt

Hunderte Menschen per Luftwaffe aus Afghanistan ausgeflogen

Die Evakuierungsflüge aus Afghanistan dauern an, doch viele Menschen kommen gar nicht erst zum Flughafen. Ein deutscher Botschafter versucht die Taliban zu überzeugen, afghanische Ortskräfte internationaler Organisationen passieren zu lassen.

Donnerstag, 19.08.2021, 5:24 Uhr|zuletzt aktualisiert: Mittwoch, 18.08.2021, 17:44 Uhr Lesedauer: 3 Minuten  |  

Die internationale militärische Evakuierungsoperation aus Afghanistan geht voran. Bis Mittwochmittag brachten Flieger der Luftwaffe rund 450 Menschen aus der afghanischen Hauptstadt Kabul nach Taschkent im benachbarten Usbekistan. Laut Auswärtigem Amt waren unter den Passagieren der ersten vier deutschen Flüge 189 Deutsche sowie 202 afghanische Staatsangehörige – beispielsweise Familienangehörige von deutschen Staatsbürgern und Ortskräfte deutscher Organisationen. Die sogenannte Luftbrücke soll, solange es die Sicherheitslage zulässt, fortgesetzt werden.

Am Sonntag haben die radikalislamischen Taliban in dem Land am Hindukusch die Macht übernommen. Am Dienstag versprachen sie bei ihrer ersten Pressekonferenz afghanischen Mitarbeitern der internationalen Streitkräfte eine Amnestie. Diese Ankündigungen werden mit Misstrauen betrachtet: Denn gerade Afghanen, die für internationale Militärs gearbeitet haben, müssen befürchten, dass die Extremisten sich an ihnen rächen.

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Vor der Machtübernahme der Taliban hatten erst etwa 2.400 Ortskräfte ein deutsches Visum erteilt bekommen – dabei hätten Tausende mehr eine Berechtigung dazu. Nun sollen so viele gefährdete Afghaninnen und Afghanen wie möglich über die Evakuierungsflüge in Sicherheit gebracht werden. Laut Innenministerium bekommen sie eine Aufenthaltserlaubnis aus humanitären Gründen in Deutschland. Mehrere Bundesländer erklärten sich zur Aufnahme bereit.

Auswärtiges Amt stellt Visa-Verfahren um

Ein Sprecher des Auswärtigen Amtes stellte klar, dass die Betroffenen ohne vorheriges Visa-Verfahren evakuiert und auf Charterflüge gesetzt würden. Das Verfahren werde anschließend in Deutschland erledigt. Wer auf den deutschen Listen stehe, brauche zudem keine Arbeitsverträge als Nachweis, sondern lediglich die Dokumente zur Identifikation. Bis zum Einmarsch der Taliban in Kabul verlangte Deutschland von Ortskräften, dass sie ein Visa beantragen, sicher einer Sicherheitsüberprüfung unterziehen und die Reise nach Deutschland aus eigener Tasche bezahlen.

Aktuell herrsche eine extrem chaotische und angespannte Situation auf dem Zufahrtsweg zum Flughafen, weil viele verzweifelte Menschen versuchten, Zugang zu bekommen, sagte der Sprecher. Wegen dieser Lage sowie wegen der Checkpoints der Taliban sei es möglich, dass es vielen Leuten gar nicht erst gelinge, den Flughafen zu erreichen. Der deutsche Botschafter Markus Potzel reiste nach Katar in die Hauptstadt Doha, um dort mit den Taliban darüber zu verhandeln, dass die Ortskräfte durchgelassen werden.

Bundeswehr-Mandat

In Berlin brachte das Kabinett das Bundeswehr-Mandat für die Evakuierungs-Operation nachträglich auf den parlamentarischen Weg. Das ist bei Gefahr im Verzug möglich. Im Mandat beruft sich Deutschland auf die „fortgeltende Zustimmung“ der afghanischen Regierung sowie auf das Völkergewohnheitsrecht, wonach Staaten ihre eigenen Staatsangehörigen aus einem anderen Land evakuieren dürfen. Der Einsatz ist bis zum 30. September befristet und hat die Obergrenze von 600 Streitkräften.

Internationale Hilfsorganisationen wollen ihre Arbeit in Afghanistan indes fortsetzen. Neben dem UN-Flüchtlingshilfswerk (UNHCR), der Weltgesundheitsorganisation, der Welthungerhilfe, Caritas International und der Organisation International Rescue Committee (IRC) wollen auch die „Ärzte ohne Grenzen“ dort aktiv bleiben: Sie setzen ihre Projekte in fünf Provinzen fort, unter anderen in Helmand und Kandahar. Nach dem Ende der Kämpfe sei die Zahl der Patientinnen und Patienten deutlich angestiegen, teilte die Hilfsorganisation mit.

Zwei Millionen Kinder unternährt

Auch die Organisation Save the Children bleibt vorerst im Land. Es sei noch ein internationaler Mitarbeiter in Afghanistan, sagte der Asien-Regionaldirektor, Hassan Noor. Bisher seien die knapp 1.800 afghanischen Angestellten von den Taliban nicht bedroht worden. Dennoch sei er „extrem besorgt“ um ihre Sicherheit. In dem Land seien etwa zwei Millionen Kinder unternährt und auf Hilfe angewiesen. Dem IRC zufolge sind aktuell mehr als 18 Millionen Menschen auf humanitäre Hilfe angewiesen.

Der entwicklungspolitische Dachverband Venro, dem rund 140 private und kirchliche Hilfsorganisationen in Deutschland angehören, forderte die Bundesregierung auf, alle diplomatischen Kanäle zu nutzen, um humanitäre Hilfe zu gewährleisten. (epd/mig) Aktuell Politik

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