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Grüne Kanzlerkandidatin Annalena Baerbock © gruene.de

Anti-Baerbock-Kampagne

Politiker und Theologen kritisieren antisemitische Stereotype

Die Kampagne der Lobby-Organisation INSM gegen Annalena Baerbock sorgt für Diskussionen. Kritiker erkennen in der Anzeige, die die Grünen-Kanzlerkandidatin als Moses zeigt, antisemitische Klischees.

Montag, 14.06.2021, 5:24 Uhr|zuletzt aktualisiert: Sonntag, 13.06.2021, 14:47 Uhr Lesedauer: 3 Minuten  |  

Die Kritik an der Kampagne der Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft (INSM) gegen die Grünen-Kanzlerkandidatin Annalena Baerbock reißt nicht ab. Am Wochenende verurteilten der Berliner Antisemitismusbeauftragte Samuel Salzborn und der Arbeitskreis Christinnen und Christen in der SPD die Anzeige, die Baerbock als Moses mit zwei Gebots-Tafeln darstellt. Sie warfen den Machern vor, antisemitische Stereotype zu bedienen. Der Vorsitzende des Vereins „1.700 Jahre jüdisches Leben in Deutschland“, Matthias Schreiber, forderte den Stopp der Kampagne.

„Wahlkampf ist Wahlkampf, keine Frage – aber auch und besonders in Zeiten, in denen politisch hart gestritten wird, sind Assoziationsketten, die antisemitische Anspielungen in Kauf nehmen, fatal“, sagte Salzborn am Samstag in Berlin: „Die Moses-Analogie, die Referenz auf die strenge Gesetzesreligion, der Terminus ‚Staatsreligion‘ – all das weckt antijüdische Stereotype in der Metaphorik, die in der politischen Debatte – bei jeder inhaltliche Differenz – fatal sind.“

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Überschrieben ist die Anzeige, die am Freitag in mehreren Tageszeitungen erschien, mit dem Slogan „Wir brauchen keine Staatsreligion“. Die Lobbyorganisation INSM wird nach eigenen Angaben von den Arbeitgeberverbänden der Metall- und Elektro-Industrie finanziert. Die Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände hat sich inzwischen von der Kampagne distanziert.

Wasserträger des Antisemitismus

Schreiber forderte den Stopp der Kampagne, die noch auf der Webseite der INSM steht. Weder der Initiative, noch einzelnen Beteiligten unterstelle er eine antisemitische Motivation, sagte der evangelische Pfarrer, der als Religionsreferent beim NRW-Landtag arbeitet. „Aber, indem sie hier die Ressentiments bedienen, erweisen sie sich – ungewollt und in naivster Manier – als die Wasserträger des Antisemitismus.“ An diesem Beispiel werde einmal mehr deutlich, wie groß die Aufgabe sei, Antisemitismus von der Wurzel her zu bekämpfen, erklärte der Theologe. Er sei gespannt, ob die Initiative sich jetzt konstruktiv an dieser wichtigen Aufgabe beteilige.

Der Arbeitskreis Christinnen und Christen in der SPD kritisierte, mit der Kampagne werde nicht nur Religion zu Wahlkampfzwecken missbraucht. Es komme darin auch eine antisemitische Haltung zum Ausdruck, die das jahrhundertealte Vorurteil pflege, das Judentum sei eine gesetzliche Verbotsreligion. „Indem die INSM antisemitische Stereotype nutzt und diese religionsfeindliche Anzeige in großen Tageszeitungen geschaltet hat, hat sie eine bisher gültige Grenze des politisch-moralischen Anstands überschritten“, heißt es in einer von Wolfgang Thierse und Kerstin Griese als Sprechern des Arbeitskreises verbreiteten Resolution, die das Gremium am Samstag bei seiner Klausurtagung verabschiedete.

Theologe: Viel Bildungsarbeit nötig

Der evangelische Theologe Traugott Jähnichen sieht die Kampagne als Zeichen dafür, dass zum Thema Antisemitismus weiterhin viel Bildungsarbeit nötig ist. Dass alle beteiligten Verantwortungsträger nicht gemerkt hätten, wie die Kampagne sich alter antijüdischer Stereotype bediene, sei erschreckend, sagte der Professor für Christliche Gesellschaftslehre von der Ruhr-Universität Bochum dem epd. „An einem solchen Beispiel wird offenbar, wieviel falsch gelaufen sein muss in der Bildung, auch in der Gewissensbildung und Ethik, in der Ausprägung einer politischen Haltung, die der Bundesrepublik Deutschland im Jahr 2021 entspricht.“

Mose ist eine der wichtigsten Figuren der jüdischen Religion. Die fünf Bücher Mose erzählen die Geschichte des jüdischen Volkes und bilden die Tora. Sie sind der zentrale Bestandteil der jüdischen Bibel. Die Zehn Gebote sind das erste umfassend formulierte Sittengesetz in der Geschichte der Menschheit, das sich auf eine als ewig gesetzte Norm gründet. Nach biblischer Überlieferung nimmt Mose sie am Berg Sinai direkt von Gott entgegen. (epd/mig) Aktuell Politik

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  1. urbuerger sagt:

    Schon seit Jahren fällt immer stärker die Bildungslücke im Geschichtsunterricht der Schulen auf!
    Auch die Kirchen müssen sich aber diesen Schuh anziehen, denn auch dort muss man feststellen, dass die Geschichte der eigenen Religion und vor allem auch die Geschichte, die aus der Gründerzeit des Christentums resultiert!

    Als ich im Ende der 70iger Jahre eingeschult wurde, bekamen wir als Erstklässler schon die ersten Lektionen, über die 10 Gebote, wie Mose diese von Gott empfangen hat, was ich auch anhand der damals verwendeten Materialien nachweisen kann, da meine Mutter alle Unterlagen ihre drei Kinder bis zum Tag ihres Schulabschlusses aufbewahrt hat, selbst die Hefte, in denen meine beiden Brüder und ich unsere ersten Schreibversuche machten, sind noch auf dem Dachboden gelagert inklusive der Bücher bis zum Schulabschluss!

    Mit diesen Büchern habe ich meinen eigenen Kindern immer wieder gezeigt, was während ihrer Schulausbildung alles unter den Tisch fallen gelassen wurde, was wir noch lernen müssten, bzw. durften!

    Meine Kinder gingen bis Anfang der 2000 und bis jetzt noch zur Schule, da noch eine Nachzüglerin kam, die jetzt erst 16 ist!

    Es ist sehr deutlich, dass auch die evangelische Kirche sehr große Defizite in der Lehre zu der Geschichte des Glaubens aufweist, nicht darauf bezogen, das sie ja erst durch Luther gegründet wurde, sondern sich auch in der Zeit vor Christi Geburt, die Geschichte mit den Katholiken und den Juden teilt!

    Leider wird in dem heute gebotenen Konfirmationsunterricht nicht mehr stark auf den Glauben dieser frühen Zeit eingegangen, so dass es heute echt schwierig geworden ist, noch Kinder und Jugendliche zu finden, die schon Mal etwas vom Auszug der Juden aus Ägypten gehört haben es sei denn, sie haben da diverse alte Filme aus Hollywood gesehen, die nicht unbedingt besonders Geschichtsnahe gedreht wurden!

    Wenn solche ungebildeten Menschen, dann in Firmen Seiten, die den Auftrag zu einer Wahlkampagne bekommen, wissen sie oft nicht Mal welchen Schäden sie mit ihrer Unwissenheit anrichten können!
    Diejenigen die diese Arbeiten in Auftrag geben sind nicht besser dran, da auch ihnen, selbst wenn sie studiert haben, das nötige Wissen und vor allem das nötige Feingefühl fehlt, wâhrend das Feingefühl wohl eher im Laufe der Zeit und durch das übliche Hacken und Stechen im Netz, verloren gegangen ist!

    Es bleibt nur zu hoffen, dass wenigstens die Parteien, vor allem die Union damit aufhört, unsachgemäße Wahltaktiken zu verwenden!
    Weil ihnen das Wahlprogramm noch fehlt, wird ihnen erstmals wohl nichts anderes übrig bleiben, bei einem Kandidaten wie Laschet, wenn sie die Grünen Zurechtstützen wollen!!!