„Weihnachtsappell“
Neue Forderungen nach Aufnahme von Flüchtlingen aus Griechenland
Zelte im Winter, zu wenig Toiletten, Gewalt: Die katastrophalen Zustände in griechischen Flüchtlingscamps lassen neue Forderungen nach einer Aufnahme der Menschen in Deutschland laut werden. Pro Asyl: "Menschen gehen vor die Hunde".
Freitag, 18.12.2020, 5:23 Uhr|zuletzt aktualisiert: Donnerstag, 17.12.2020, 15:49 Uhr Lesedauer: 3 Minuten |
Angesichts der schlechten Lebensdingungen im griechischen Flüchtlingscamp Kara Tepe gibt es neue Forderungen nach einer Ausweitung der Aufnahme Schutzsuchender in Deutschland. Mit einem „Weihnachtsappell“ wendeten sich am Donnerstag mehr als 240 Bundestagsabgeordnete mit der Forderung an die Bundesregierung, die Hilfe für die Menschen dort zu verstärken. Auch das Flüchtlingshilfswerk der Vereinten Nationen (UNHCR) mahnte einen Ausbau der zugesagten Kontingente an. „Die Bilder von dort sind herzzerreißend und nicht hinnehmbar“, erklärte der deutsche Repräsentant Frank Remus mit Blick auf die Lager in Griechenland.
Drei Monate nach dem Brand des Lagers Moria lebten Menschen noch immer unter menschenunwürdigen Bedingungen auf den griechischen Inseln oder auf dem Festland, heißt es in dem Brief der Bundestagsabgeordneten, der dem MiGAZIN vorliegt. Die humanitäre Situation im Übergangslager Kara Tepe sei sogar schlechter als in Moria, heißt es darin weiter. Die Unterkünfte seien nicht winterfest, Toiletten und Duschen fehlten und es komme immer wieder zu gewaltsamen Übergriffen.
Die Parlamentarier fordern die Bundesregierung auf, die bisherige Aufnahme in Deutschland zu beschleunigen, die Zahl der Aufnahmen zu erhöhen und sich auf EU-Ebene verstärkt für eine europäische Lösung einzusetzen. Eine konkrete Zahl für weitere Aufnahmen wird in dem Schreiben nicht genannt.
Pro Asyl: Menschen gehen vor die Hunde
Die Flüchtlingsorganisation Pro Asyl forderte, alle dort ausharrenden Menschen aufzunehmen. Deren Situation sei unerträglich, sagte Geschäftsführer Günter Burkhardt. Das Reden von einer europäischen Lösung sei ein Vertrösten auf den Sanktnimmerleinstag. „In der Zwischenzeit gehen die Menschen psychisch und physisch vor die Hunde“, erklärte er.
Nach Angaben von „Ärzte ohne Grenzen“ harren 15.000 Frauen, Männer und Kinder auf den griechischen Inseln aus. Die Hilfsorganisation beobachtet nach eigenen Angaben eine stetige Verschlechterung der psychischen Gesundheit der Menschen. Allein in diesem Jahr seien 49 Kinder nach Suizidversuchen oder mit Suizidgedanken behandelt worden.
1.500 von 2.750 angekommen
Die Bundesregierung hatte in diesem Jahr, vor allem nach dem Brand in Moria, die Aufnahme von insgesamt rund 2.750 besonders schutzbedürftigen Flüchtlingen aus Griechenland zugesagt. Dazu gibt es verschiedene Programme unter anderem für unbegleitete Minderjährige und kranke Kinder und deren Familien und Familien. Teilweise sind sie bereits abgeschlossen. Wie das Bundesinnenministerium am Donnerstag mitteilte, sind bislang 1.519 Menschen aus Griechenland eingereist.
Am Donnerstag landete nach Angaben des Innenministeriums ein weiterer Flug mit 88 Flüchtlingen aus Griechenland in Hannover. Nach Angaben der Internationalen Organisation für Migration (IOM) kommen die meisten von ihnen aus Afghanistan. Nach Innenministeriumsangaben waren 19 kranke Kinder an Bord.
Vorbild Deutschland
Deutschland hat damit nach UNHCR-Angaben weit mehr Flüchtlinge aufgenommen als andere EU-Staaten. Demnach wurden in diesem Jahr 2.000 Flüchtlinge aus Griechenland auf andere Länder verteilt, drei Viertel damit nach Deutschland. Es sei wichtig, dass Deutschland vorangegangen sei, sagte der UNHCR-Repräsentant Remus. Auf dem Erreichten könne man sich aber nicht ausruhen.
Erstunterzeichner des Briefs der Bundestagsabgeordneten sind die Parlamentarierinnen Luise Amtsberg (Grüne), Ulla Jelpke (Linke), Gyde Jensen (FDP) und Ulli Nissen (SPD) sowie der CDU-Abgeordnete Matthias Zimmer. Prominente Unterzeichner sind unter anderem die Parteichefinnen Annalena Baerbock (Grüne) und Saskia Esken (SPD) sowie Bundestagsvizepräsident Wolfgang Kubicki (FDP) und der frühere Unionsfraktionsvorsitzende Volker Kauder (CDU). (epd/mig) Aktuell Politik
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