„Rettung ist Ehrensache“

Neue Dauerausstellung über „Stille Helden“ der NS-Zeit

Der NS-Gewaltherrschaft versuchen sich in ganz Europa Menschen zu entziehen. Vielen Verfolgten, vor allem Juden, gelingt dies nicht. Und wenn doch, dann meist nur mit Hilfe anderer Menschen - darunter auch Muslime.

Montag, 26.10.2020, 5:20 Uhr|zuletzt aktualisiert: Sonntag, 25.10.2020, 14:31 Uhr Lesedauer: 3 Minuten  |  

Mit einer neuen Dauerausstellung erinnert die Berliner Gedenkstätte „Stille Helden“ ab Samstag an Menschen, die im Nationalsozialismus verfolgten Juden geholfen haben. Im Mittelpunkt stehen sieben Beispiele für Rettungsversuche aus verschiedenen europäischen Ländern, wie die Gedenkstätte am Freitag in Berlin mitteilte. Die Ausstellung zeigt nichtjüdische wie jüdische Helfer und deren Rettungsnetzwerke. Zwar seien Hilfe und Rettung die Ausnahme gewesen, dennoch zeige die Ausstellung, dass Hilfe möglich war.

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Kulturstaatsministerin Monika Grütters (CDU) erklärte zur Eröffnung, die Geschichten der stillen Helden erinnerten daran, „wie wichtig es ist, Diskriminierung, Ausgrenzung und Angriffen auf die Demokratie entgegenzutreten“. Sie erzählten „von mutigen Frauen und Männern, die Handlungsspielräume sahen, wo andere behaupteten, keine Wahl gehabt zu haben“.

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Erzählt wird etwa die Geschichte von Nelli Gordon, die als Neunjährige im Oktober 1941 eine Massenerschießung von Juden aus der ukrainischen Stadt Dnepropetrowsk/Dnipro überlebt. Als angebliches Waisenkind überdauert sie die NS-Besatzung bei einer nicht-jüdischen Familie. Eugen Herman taucht als 16-Jähriger Anfang 1943 in Berlin unter und lebt zwei Jahre in Verstecken. Sein nicht-jüdischer Stiefvater Julius Friede kümmert sich zunächst um ihn. Später landet Herman bei Familie Winkler im brandenburgischen Luckenwalde, die ein Widerstandsnetzwerk aufgebaut hat.

„Unsere Eltern waren fromme Muslime“

Info: Gedenkstätte Stille Helden in der Stiftung Gedenkstätte Deutscher Widerstand, Öffnungszeiten: Montag bis Freitag 9-18 Uhr, Samstag, Sonntag und an Feiertagen 10-18 Uhr Geschlossen: 24. bis 26. Dezember, 31. Dezember und 1. Januar – Eintritt frei.

Weitere Beispiele von Rettungsversuchen schildert die Ausstellung aus Frankreich, Lettland, Polen und Italien. In Albanien – zunächst von Italien, ab September 1943 dann von deutschen Truppen besetzt – nimmt Familie Veseli zwei jüdische Familien auf der Flucht auf: „Unsere Eltern waren fromme Muslime und glaubten wie wir auch, dass ‚jedes Klopfen an der Tür ein Segen Gottes‘ ist“, sagen Hamid und Xhemal Veseli in einem Interview 2007. Die Familie Veseli erwartet keine Gegenleistung: „Rettung ist Ehrensache“.

Die neue Dauerausstellung informiert auch über die Zwangslage der Verfolgten wegen drohender Deportationen. Die Bedingungen der Hilfe sind in den verschiedenen Ländern Europas unterschiedlich, die Motive für Hilfeleistung vielfältig. Unter Gefährdung der eigenen Person beschaffen Helfer Lebensmittel, falsche Papiere, leisten Fluchthilfe und stellen Quartiere zur Verfügung. Dabei besteht ständig die Gefahr des Verrats und der Entdeckung. Die Ausstellung bietet neben interaktiven Karten, Recherchestationen und Ländersteckbriefen auch eine Datenbank mit Biografien von mehreren Hundert Helferinnen, Helfern und Verfolgten.

Gedenkstätte „Stille Helden“

Die Gedenkstätte „Stille Helden“ existiert seit 2008. Sie ist aus dem Berliner Museum Blindenwerkstatt Otto Weidt hervorgegangen. Hier arbeiteten während der Zeit des Nationalsozialismus hauptsächlich blinde und gehörlose Juden unter dem Schutz des Bürstenfabrikanten Otto Weidt (1883-1947).

Die neue Dauerausstellung „Widerstand gegen die Judenverfolgung in Europa 1933 bis 1945“ wurde zusammen mit der israelischen Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem und europäischen Partnern entwickelt. Yad Vashem hat bislang mehr als 27.000 Frauen und Männer für Hilfsaktionen als „Gerechte unter den Völkern“ geehrt. (epd/mig) Aktuell Feuilleton

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