"Beschämend"
Staatsschutz ermittelt nach antisemitischem Anschlag in Hamburg
Ein Jahr nach dem Anschlag in Halle gibt es wieder einen antisemitischen Angriff vor einer Synagoge. Der Staatsschutz hat die Ermittlungen nach der Attacke auf einen 26-jährigen Studenten übernommen. Die Bundesregierung nennt die Tat „beschämend“.
Dienstag, 06.10.2020, 5:25 Uhr|zuletzt aktualisiert: Montag, 05.10.2020, 15:53 Uhr Lesedauer: 3 Minuten |
Nach dem Angriff auf einen jüdischen Studenten in Hamburg hat der Staatsschutz die Ermittlungen übernommen. Das Hamburger Landeskriminalamt und die Generalstaatsanwaltschaft werten den Angriff als versuchten Mord mit antisemitischem Hintergrund, teilten die Ermittlungsbehörden am Montag mit. In der Hosentasche des 29-jährigen mutmaßlichen Täters sei ein Zettel mit einem handschriftlich gemalten Hakenkreuz gefunden worden. Vertreter aus Politik, Judentum und Kirchen reagierten mit Trauer und Bestürzung auf den Anschlag vor der Synagoge Hohe Weide im Hamburger Stadtteil Eimsbüttel.
Der 26-jährige Student war am Sonntag während des jüdischen Laubhüttenfests vor der Synagoge mit einem Klappspaten angegriffen und schwer verletzt worden. Er konnte sich vor dem Angreifer in Sicherheit bringen und wurde später in ein Krankenhaus gebracht. Nach Presseberichten erlitt er einen Schädelbruch. Akute Lebensgefahr bestehe jedoch nicht.
Die Polizei konnte den mutmaßlichen Täter noch am Sonntagabend fassen. Der psychisch verwirrte Mann sei bislang polizeilich nicht in Erscheinung getreten, hieß es. Die Polizei geht von einem Einzeltäter aus. Bei dem mutmaßlichen Täter soll es sich um einen Deutschen mit kasachischen Wurzeln handeln. Den Angaben zufolge wurden bei ihm Personalpapiere mit einer Anschrift in Berlin gefunden. Die Überprüfung habe jedoch ergeben, dass er dort seit 2019 nicht mehr wohnt. Ermittelt wurde eine Wohnung in Hamburg-Langenhorn, in der er sich unangemeldet aufhielt. Sie wurde noch in der Nacht durchsucht. Dabei wurden Datenträger sichergestellt, deren Auswertung andauert.
Seibert: „Es ist beschämend“
Die Bundesregierung verurteilte den Angriff. Regierungssprecher Steffen Seibert sagte am Montag in Berlin: „Es ist beschämend, dass ein Bürger jüdischen Glaubens auf offener Straße in Deutschland attackiert wird.“ Es sei ein Angriff auf einen jungen Juden ganz offenbar nur, weil er als Jude in der nähe der Synagoge zu erkennen gewesen sei: „Das ist widerwärtig.“ Er fügte hinzu: „In Deutschland ist jede einzelne solche Tat eine Schande.“
Info: Die Synagoge Hohe Weide der Jüdischen Gemeinde Hamburg wurde 1960 eingeweiht. Das Grundstück im Hamburger Stadtteil Eimsbüttel stellte die Stadt zur Verfügung. Der Gebäudekomplex umfasst ein Gemeindezentrum mit Wohnräumen. Bereits seit Anfang der 1990er Jahre steht die Synagoge unter Polizeischutz, seit dem 11. September 2001 wird sie rund um die Uhr bewacht. Ein Teil der Straße Hohe Weide ist für den Autoverkehr gesperrt. Der Gemeinde gehören rund 3.000 Menschen jüdischen Glaubens an. Über dem Eingang des Foyers, das Synagoge und Gemeindesaal verbindet, steht in hebräischer Sprache ein Vers aus dem 122. Psalm: „Friede wohne in deinen Mauern, in deinen Häusern Geborgenheit.“
Der Zentralrat der Juden forderte verbesserte Sicherheitsmaßnahmen vor jüdischen Einrichtungen. Präsident Josef Schuster schlug zudem vor, dass Hamburg einen Antisemitismusbeauftragten benennen solle. „Wir erwarten von der gesamten Gesellschaft, dem Hass gegen Juden entschieden entgegenzutreten.“ Jüdisches Leben müsse in Deutschland uneingeschränkt möglich sein.
Lambrecht appelliert an Gesellschaft
Der Antisemitismusbeauftragte der Bundesregierung, Felix Klein, erklärte, dass der Täter so schnell gefasst worden sei, sei zwar gut. Aber die Tat zeige einmal mehr, wie notwendig die Maßnahmen zum Schutz jüdischer Einrichtungen sind, sagte er dem „RedaktionsNetzwerk Deutschland“. Bundesjustizministerin Christine Lambrecht (SPD) appellierte an die Gesellschaft, wachsam zu sein. „Wir müssen uns der Hetze noch entschiedener entgegenstellen und stärker für die Betroffenen von Hass und Gewalt da sein“, sagte sie in Berlin.
Hamburg stehe fest an der Seite der jüdischen Mitbürger, twitterte Hamburgs Erster Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD) am Montag. Die evangelische Landesbischöfin der Nordkirche, Kristina Kühnbaum-Schmidt, twitterte: „Wir müssen immer wieder zusammenstehen gegen Antisemitismus – damit Jüdinnen und Juden in Sicherheit leben können.“ (epd/mig) Leitartikel Panorama
Wir informieren täglich über das Wichtigste zu Migration, Integration und Rassismus. Dafür wurde MiGAZIN mit dem Grimme Online Award ausgezeichnet. Unterstüzte diese Arbeit und verpasse nichts mehr: Werde jetzt Mitglied.
MiGGLIED WERDEN- Neue Behörde Ukrainer sollen arbeiten oder zurück in die Heimat
- Symbol der Abschottung Einführung der Bezahlkarte für Geflüchtete sofort stoppen!
- Umbruch in Syrien Was bedeutet der Sturz Assads – auch für Geflüchtete…
- Kaum Auslandsüberweisungen Studie entlarvt Lüge zur Einführung von Bezahlkarten
- Debatte über Rückkehr Bamf verhängt Entscheidungsstopp für Asylverfahren…
- Der Fall Prof. Dr. Kenan Engin Diskriminierung an deutschen Hochschulen kein Einzelfall