Polizei, Einsatz, Sicherheit, Demonstration, Gewalt, Hundertschaft
Polizei © Eoghan OLionnain @ flickr.com (CC 2.0), bearb. MiG

Racial Profiling

Kritik am Studien-Aus reißt nicht ab

Bundesinnenminister Seehofer steht seit seiner Absage für eine Studie zum Racial Profiling bei der Polizei in der Kritik. Opposition und Wissenschaft fordern eine Faktenbasis. Unterstützung erhält Seehofer aus der Unionsfraktion.

Mittwoch, 08.07.2020, 5:23 Uhr|zuletzt aktualisiert: Dienstag, 07.07.2020, 20:14 Uhr Lesedauer: 3 Minuten  |  

Aus Opposition und Wissenschaft kommt weiter Kritik an der Entscheidung von Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU), auf eine Studie zum Racial Profiling bei der Polizei zu verzichten. Der Minister erhält aber auch Unterstützung aus der Unions-Bundestagsfraktion. „Ich halte die Absage der Racial Profiling Studie zum jetzigen Zeitpunkt für richtig“, sagte der stellvertretende Fraktionsvorsitzende Thorsten Frei (CDU) der Düsseldorfer „Rheinischen Post“. Kritik äußerten hingegen die Grünen-Politikerin Irene Mihalic und der Polizeiwissenschaftler Rafael Behr. Sie fordern eine wissenschaftliche Basis.

Eine Studie zu anlasslosen Personenkontrollen der Polizei aufgrund äußerer Merkmale eines Menschen war der Bundesregierung im März in einem Bericht der Europäischen Kommission gegen Rassismus und Intoleranz nahelegt worden. Seehofer hatte eine solche Studie vorläufig abgesagt und angekündigt, zunächst andere, bereits geplante Maßnahmen gegen Rassismus und Rechtsextremismus umzusetzen. Die Praxis des Racial Profiling ist als diskriminierend geächtet, auch in Deutschland. Dennoch berichten Betroffene immer wieder, dass sie etwa als einziger Schwarzer unter mehreren Menschen von der Polizei kontrolliert wurden.

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Frei: Es gibt keinen latenten Rassismus bei der Polizei

Der CDU-Politiker Frei sagte, weder bei den Landespolizeibehörden noch bei der Bundespolizei gebe es latenten Rassismus. In den vergangenen acht Jahren habe es nur 25 rassistische Verdachtsfälle bei der Bundespolizei gegeben. Junge Polizisten lernten bereits in ihrer Ausbildung, dass Racial Profiling verboten sei, betonte der gelernte Jurist.

Die Grünen-Innenpolitikerin Mihalic sagte dagegen im Radiosender Bayern 2, dass Racial Profiling verboten sei, bedeute nicht automatisch, dass es nicht existiere. Bisher könne man sagen: „Es sind verdammt viele Einzelfälle. Und für meinen Geschmack zu viele Einzelfälle. Gerade deswegen wäre es so wichtig zu wissen, über welches Ausmaß wir sprechen.“

Mihalic: Verheerendes Signal an die Öffentlichkeit

Mihalic sprach von einem „verheerenden“ Signal an die Öffentlichkeit. Die Polizei habe selbst ein Interesse daran, eine solche Untersuchung zu machen, betonte die Grünen-Politikerin und Polizeibeamtin. Man benötige eine „fundierte Faktenbasis“, um zu diskutieren, statt ständig „nach Gefühlslage zu beurteilen“.

Auch der Polizeiwissenschaftler Behr sagte am Dienstag im WDR-„Morgenecho“, eine Untersuchung wäre in jedem Fall angezeigt gewesen, „schon um zu zeigen, dass die Polizei sich bemüht, hier Bewusstsein zu schaffen“. Die Absage des Innenministers sei ein „fatales Signal“, da so der Eindruck entstehe, dass es etwas zu verbergen gebe, sagte der Professor für Polizeiwissenschaften am Fachhochschulbereich der Akademie der Polizei Hamburg.

Behr: „Woher weiß er denn, dass es Einzelfälle sind?“

„Wenn es keine Daten über Racial Profiling gibt, dann frage ich mich, woher weiß er denn, dass es Einzelfälle sind“, erklärte Behr, der früher selbst Polizeibeamter in Hessen war. Seehofer habe auf höchster Ebene verhindert, dass überhaupt geforscht werde.

„Die Ungleichbehandlung von Menschen ist nun mal verboten, aber sie geschieht“, unterstrich Behr, der auch Lehrbeauftragter an der Universität Hamburg ist. Die Forschung könne zeigen, wo das Problem liege, so dass dann Reaktionen darauf gefunden werden könnten. Mögliche Lösungen seien beispielsweise ein unabhängiger Polizeibeauftragter oder ein anonymes Hinweissystem in der Polizei.

Sofuoğlu: Seit NSU warten wir auf Strukturänderungen

Kritik erntet Seehofer auch von der Türkischen Gemeinde in Deutschland (TGD). „Es kann nicht sein, dass wir immer wieder Schritte zurückgehen. Seit dem Auffliegen des NSU warten wir darauf, dass sich die Strukturen in den Sicherheitsbehörden ändern“, erklärte der Vorsitzende Gökay Sofuoğlu. Bisher sei nur sehr wenig passiert.

„Wir hatten den Eindruck, dass der Bundesminister durch die Einsetzung des Kabinettsausschusses zur Bekämpfung von Rechtsextremismus und Rassismus, insbesondere für das Thema Rassismus sensibilisiert ist. Umso erschrockener sind wir über diese Entwicklung“, so der TGD-Vorsitzender. (epd/mig) Aktuell Politik

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  1. Almando Muzsurat sagt:

    Es hat sich wirklich nichts geändert. Bundeswehr, KSK und Polizei sind mit Nazis durchsetzt, die NSU-Serienmorde wurde per Schreddern von Beweisen vertuscht, Beweise welche nicht mehr geschreddert werden konnten wurden zu Staatsgeheimnissen proklamiert und für 120 Jahr eweggesperrt, die in Deutschland verbotene und in der Türkei mordende und bombende Terrororganisation PKK darf wie in den letzten Jahren unter Polizeischutz Demonstrationen veranstalten und dabei Hass sowie Hetze gegen Türken öffentlich verbreiten und verbotene Konterfei, Symbole und Fahnen zeigen ohne jegliche strafrechtliche Konsequenzen befürchten zu müssen….und wie gesagt ändern tut sich nichts. Das fatale ist zudem, dass man all diese polizeilichen Übergriffe nahezu ausnahmslos in türkischen Medien berichtet bekommt inkl. Entwicklungen und Statistiken aber bei deutschen Medien das traditionell ausgeklammert wird. Seehofers Haltung ist ebenso nicht verwunderlich wie Angela Merkels während der Trauerfeier der NSU-Opfer gegebenes und vergessenes Versprechen, die NSU-Morde gründlichst aufzuklären. Alles Schall und Rauch.