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Jüdischer Friedhof in Worms (Symbolfoto) © Dirk Weßner @ flickr.com (CC 2.0), bearb. MiG

Ewige Ruhe

Heidelberg hat die bundesweit erste interkulturelle Grabanlage

Die Bestattungskultur ändert sich. Viele entscheiden sich gegen ein klassisches Grab auf dem Dorffriedhof. In Heidelberg gibt es nun die erste interkulturelle Grabanlage. Menschen unterschiedlicher Religion finden in einem Garten ihre letzte Ruhe.

Von Christine Süß-Demuth Dienstag, 10.12.2019, 5:25 Uhr|zuletzt aktualisiert: Sonntag, 15.12.2019, 22:40 Uhr Lesedauer: 3 Minuten  |  

Eine hochgewachsene Fichte überragt den „Erinnerungsgarten der Kulturen“ auf dem Heidelberger Bergfriedhof. Darunter rascheln die Blätter von Bambus, Palmen und Olivenbäumchen im Wind. Es duftet leicht nach Lavendel. Gräser und ein japanischer Ahorn wachsen am Wasserlauf des laut Friedhofsverwaltung bundesweit ersten interkulturellen Gräberfelds. Die vielfältige Bepflanzung und Gestaltung soll unterschiedliche Kulturen, Regionen und Religionen widerspiegeln.

Mit dem einzigartigen Friedhofskonzept „Miteinander leben – miteinander gedenken“ will die Stadt Heidelberg unterschiedliche Bestattungsformen für ihre Bürger anbieten, die aus rund 100 verschiedenen Kulturen stammen. Auf einer Wiesenfläche wurde das außergewöhnliche Grabfeld gemeinsam mit der Genossenschaft Badischer Friedhofsgärtner vor einem Jahr errichtet. Es gliedert sich in mitteleuropäische, orientalische, asiatische, mediterrane und alpine Bereiche. Baumbestattungsfelder und ein Trocken-Bachlauf mit Quellstein fügen sich in die 2.200 Quadratmeter große Anlage ein.

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Noch sind viele Grabsteine unbeschriftet, die meisten der 480 komplett gestalteten Grabstellen unbelegt. „Mit der Nachfrage sind wir sehr zufrieden“, sagte der Leiter der Heidelberger Friedhöfe, Wolfgang Becker. Es habe bereits 35 Bestattungen dort gegeben. Besonders gefragt seien Baum-Bestattungen unter der riesigen, alten Fichte. Überwiegend würden Urnenbestattungen gewünscht.

Nach Mekka ausgerichtet

Außergewöhnlich an dem Konzept sei, dass Menschen unterschiedlicher Religionen nicht in getrennten Bereichen, sondern in einem Gemeinschaftsgrabfeld beigesetzt werden, sagt der geschäftsführende Vorstand der Badischen Friedhofsgärtner, Harald Haug. Dabei komme es nicht auf die Religionszugehörigkeit an, sondern auf die Vorlieben der Menschen. Etwas ähnliches werde auch in Pforzheim geplant.

Das Konzept des ersten interkulturellen Friedhofs in Deutschland stoße auch bundesweit bei seinen Kollegen auf großes Interesse, so Becker. Weil immer weniger Menschen bereit seien, langfristige Verpflichtungen für Pflege und Unterhalt einzugehen, seien alle Gräber fertig gestaltet und bepflanzt und würden dauerhaft von Friedhofsgärtnereien gepflegt. Inklusive Grabstein koste dies etwa 8.700 Euro für 25 Jahre. Das erscheine zunächst hoch, ähnliche Kosten würden jedoch über die lange Laufzeit auch bei einem gewöhnlichen Grab anfallen.

Noch ist die Auswahl an Grabstellen groß. Im mediterranen Bereich dominieren Pflanzen wie Olivenbaum, Hanfpalme, Zypresse. Im orientalischen Bereich gibt es Erdgräber, den Vorgaben des Islam entsprechend nach Mekka ausgerichtet und eher schlicht gestaltet.

Alternative immer mehr gewünscht

Der fernöstliche Bereich erinnert an die asiatische Zengarten-Kultur. Urnenbestattungen sind hier unter Bambus, japanischem Ahorn, Rhododendren sowie Azaleen möglich. Auch am Trocken-Bachlauf können Urnen im Uferbereich zwischen Kieselsteinen und Gräsern beigesetzt werden.

Die Idee entstand, weil alternative, naturnahe Bestattungsformen wie Friedwälder oder Streuwiesen immer mehr gewünscht werden. Ziel sei es, den Friedhof als elementaren Ort der Trauer und des Gedenkens für die Bürger am Ort zu erhalten, erklärte Becker. Auch die Idee, dort kulturelle Events zu veranstalten, sei ein großer Erfolg.

Der Erinnerungsgarten werde sehr gerne genutzt, um abzuschalten, zur Ruhe zu kommen oder im kleinen Pavillon einen schattigen Platz zu finden, sagte Becker: „Wir wollen den Friedhof nicht nur für Trauernde, sondern auch für jüngere Leute und als Naherholungsgebiet interessanter machen.“ (epd/mig) Leitartikel Panorama

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