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MiGAZIN Kolumnist Sven Bensmann © privat, bearb. MiG

Nebenan

Impfpflicht für Masern

Bundes-Gesundheitsminister Jens Spahn hat letzte Woche die Impfpflicht beschlossen und eine Debatte angestoßen - über Terror und das Aushaltenmüssen. Dabei gibt es andere legitime Debatten, denen sich Deutschland stellen muss.

Von Dienstag, 19.11.2019, 5:21 Uhr|zuletzt aktualisiert: Sonntag, 24.11.2019, 17:10 Uhr Lesedauer: 3 Minuten  |  

Bundes-Gesundheitsminister Jens Spahn hat letzte Woche die Impfpflicht beschlossen: Zukünftig dürfen Kindergärten und Schulen nur noch mit nachgewiesener Masernimpfung besucht werden – trotz Schulpflicht. Einige Journalisten gefielen sich weiterhin in einer ganz besonders kritischen Haltung, um sich mit dieser die Flöte zu polieren. Dort fanden sich dann Standpunkte, die erklärten, “eine Demokratie müsse die Impfgegner aushalten”. Wann wäre das je schiefgegangen?

Und seltsam: Ich habe bei diesen Menschen noch nie gelesen, dass wir religiöse und politische Terroristen als Teil eines politischen Spektrums akzeptieren müssten – dabei ist genau das die krasse Wahrheit. Impfverweigerung tötet. Impfverweigerung verbreitet Angst.

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Impfverweigerung ist Terror. Terror mal nicht gegen Ungläubige, mal nicht gegen Migranten, aber gegen kranke Menschen. Gegen Menschen, die nicht geimpft werden können, Menschen, für die eine Masernerkrankung den Tod bedeuten kann: Je nachdem welche Zahlen man zu Rate zieht, und gerade wenn man Spätfolgen mit einbezieht, ergibt sich schnell eine deutlich dreistellige Zahl von Toten allein in Deutschland, pro Jahr. Den Verweis auf die im Vergleich geringe Zahl von Toten durch andere Formen von Terrorismus erspare ich uns allen an dieser Stelle – das Gefühl der Unsicherheit ist dasselbe. Diese Menschen mit ihrer Gesundheit allein zu lassen, weil man ein paar Spinnern ihre pseudowissenschaftlichen Wahrheiten direkt aus der facebook-Bullshitküche belassen will – weil man das aushalten müsse – ist nichts als ein Armutszeugnis.

Impfverweigerung ist im besten Falle nur Körperverletzung, gegebenenfalls mit Todesfolge. Das müssen wir nicht aushalten. Wir sollten uns nicht auf unsere eigene Liberalität einen runterholen, weil wir – mal wieder – die Illiberalen so großmütig tolerieren. Das hat schon bei der AfD, der politischen Lobby der Impfgegner, nicht funktioniert. Den intelligenteren Individuen unter uns war das schon früh klar: Jede Toleranz, die man Intoleranten gegenüber einräumt, jeden Fußbreit, den Liberale Illiberalen zugestehen, wird von diesen sofort besetzt, um den eigenen “Meinungskorridor” zu erweitern – und nicht mehr hergegeben. Sachbezogen haben das viele andere mittlerweile nachvollzogen. Offensichtlich hakt es aber noch daran, diese Erkenntnisse auf andere Kontexte zu übertragen.

Um nun nicht morgen schon über ein vollständiges Flugverbot über Deutschland zur Bekämpfung von Chemtrails – dass muss eine Demokratie schließlich ertragen (?) – diskutieren zu müssen, muss endlich eine Grenze gezogen werden – allein schon, um eine Querfront zwischen Verschwörungstheoretikern und Fridays for Future zu verhindern. Wer nämlich sehen will, wohin sowas führen könnte, der muss sich nur mal die Diskussion über die Wirksamkeit von geschüttelten Zuckerkügelchen innerhalb der grünen Partei anschauen. Nicht nur ist diese Diskussion eigentlich längst entschieden – die Wirksamkeit von medizinischen Behandlungen ist auch ganz einfach eine wissenschaftliche und keine politische Frage.

Es gibt legitime Debatten, denen sich Deutschland stellen muss. Zum Beispiel, warum wir im World Peace Index mittlerweile zwischen Ungarn und der Slowakei rangiert. Für alle, die das interessiert: Es ist der massive Export von Kriegswaffen, bei dem die Bundesregierung angeblich so restriktiv ist. Deutschland gehört zu den Top 5 Waffenverkäufern in der Welt, die zusammen 75 Prozent des Marktes beherrschen.

Ob wir die mutwillige Sabotage der Herdenimmunität – mit tödlichen Folgen für unsere Mitbürger – durch Dr. facebook und die Zuckerschüttler ertragen müssen, ist aber keine davon. Aktuell Meinung

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  1. Ute Plass sagt:

    „……die Wirksamkeit von medizinischen Behandlungen ist auch ganz einfach eine wissenschaftliche und keine politische Frage.“

    Vorsicht mit pauschalen Behauptungen. Selbstverständlich sind „medizinische Behandlungen“ auch eine politische Frage.
    https://www.heise.de/tp/features/Impfpflicht-im-Kontext-unserer-Gesundheitskultur-4587801.html?seite=all

  2. Eviathan sagt:

    Schön, dass jemand so deutliche Worte findet.

    In der Tat muss in Sachen Impfen und auch bspw. Homöopathie viel öfters eine Lanze für die (lediglich als Feindbild so genannte) „Schulmedizin“, welche – im Gegensatz zur „Alternativmedizin“ – schlicht und ergreifend eine „wissenschaftliche“ Medizin ist, gebrochen werden.

    Sonst müssen wir irgendwann nämlich JEDE Auffassung tolerieren und uns aufzwingen lassen, gleich wie unwissenschaftlich, absurd und schädlich sie auch sein mag.

    Wer aus ideologischen Gründen der Auffassung ist: 2 +2 = 5, der kann das privat in allen Belangen durchaus so halten. Wenn das aber anderen – und sei es nur im Wege der (Weglass-)Lüge und Manipulation – so aufgenötigt wird, dann muss alle Toleranz enden.

  3. Eviathan sagt:

    @Ute Plass:

    Nicht so ganz.

    Der Autor des verlinkten Artikels schreibt, dass der erforderliche Masernschutz der Bevölkerung schon jetzt jenseits der verlangten Zielmarke ist.

    Nur rechnet er da nicht ganz richtig.

    Eine zweimalige Masernimpfung bietet – mal unter der Annahme, dass jede Impfung für sich mit 91 % Wahrscheinlichkeit anschlägt – mit folgender Sicherheit Schutz:

    (91 % + 91 % – 91 % x 91 %) = 99,19 %

    Um einen flächendeckenden Schutz von 95 % zu erhalten, müssten demnach 95/99,19 = 95,78 % der gesamten Bevölkerung zweimal geimpft sein. Und exakt das ist eben noch nicht der Fall.

    Auch wenn man annimmt, dass die Impfungen jeweils nicht zu 91 %, sondern zu 95 % anschlagen, müssten 95/95,75 = 95,24 % der Bevölkerung zweimal geimpft sein. Auch das ist eben noch nicht der Fall.

    Wir sind eben nur bei 93 %.

  4. Christian Zöhl sagt:

    Impfkritiker als Terroristen zu beschimpfen, wegen einer harmlosen Kinderkrankheit, daß war sie bis 1970!? Eine enge Verbindung zum Großvater und seiner Vernichtungsgesinnung ist unübersehbar. Folgen als nächstes wieder Lager für Unverbesserliche oder die Kennzeichnung mit einem gelben Stern für Menschen die sich das Denken und Wahrnehmen nicht verbieten lassen? Ist das die Konsequenz Ihrer Schulbildung?
    C.Z.