OB-Wahl in Hannover
Normalität hat gewonnen
Belit Onay, ein Politiker mit türkisch-deutscher Einwanderungsgeschichte wurde am Sonntag zum Oberbürgermeister der Landeshauptstadt Hannover gewählt. Das ist ein wichtiges Signal und endlich ein Stück Normalität.
Von Ali Baş Montag, 11.11.2019, 5:25 Uhr|zuletzt aktualisiert: Donnerstag, 14.11.2019, 16:59 Uhr Lesedauer: 2 Minuten |
An diesem Sonntagabend, den 27. Oktober 2019 schaut Deutschland gebannt gen Osten. Bei der Thüringer Landtagswahl holt die rechtsextreme AfD fast 25 Prozent der Stimmen und sorgt politisch für heftige Verschiebungen deren Ausgang selbst Wochen danach noch völlig offen ist. Seitdem drücken sich die Rechtsextremen in den üblichen Talkshows die Klinke in die Hand.
Fast schon unbemerkt von der bundesmedialen Öffentlichkeit findet in der niedersächsischen Landeshauptstadt Hannover eine OB-Wahl statt, bei der sich eine kleine Sensation anbahnt. Erstmals gewinnt diese erste Runde mit Belit Onay (Grüne) ein Kandidat mit einer türkisch-deutschen Einwanderungsgeschichte und muslimischen Background knapp vor dem Bewerber der CDU. Die Sozialdemokraten sind nach dieser Wahl erstmals seit 73 Jahren raus aus dem Rennen. Was für ein politischer Kontrast zum krassen Rechtsrutsch in Erfurt.
Die Stichwahl am 10. November gewinnt Onay dann noch deutlicher, um die Sensation perfekt zu machen: als erster OB einer Landeshauptstadt mit einer ziemlich normalen deutschen Migrationsbiografie. Zuvor gab es bereits ähnliche Geschichten auf kommunaler Ebene: in Bonn regiert mit Ashok Sridharan (CDU) ein OB mit deutsch-indischen Wurzeln, Timur Özcan (SPD) hat türkisch-deutsche Wurzeln und gewinnt in Walzbachtal (Baden-Württemberg) die Wahl zum Bürgermeister. Noch sind Biografien von Menschen mit Einwanderungsgeschichte in den höheren Ebenen der kommunalen deutschen Politiklandschaft selten anzutreffen, ähnlich wie in der Gesamtgesellschaft gehen immer noch mehr Männer als Frauen den Schritt in die Politik vor Ort. Bei all diesen Punkten gibt es also Nachholbedarf.
Amtsträger*innen mit Einwanderungsgeschichte senden deshalb wichtige Signale an die gesamte Gesellschaft, gerade in Zeiten, wo der rechte politische Extremismus in der Republik zunimmt und sich mit den fremden Federn einer angeblichen Bürgerlichkeit schmückt. Sie ermutigen auch Menschen in den jeweiligen Communities sich selbst einzubringen und am demokratischen Entscheidungsprozess mitzuwirken, auch wenn das derzeitige Wahlrecht hier noch enge Grenzen setzt, wer wählen kann und wer nicht.
Das scheinen auch die Parteien langsam zu begreifen, wo Mitglieder mit Einwanderungsgeschichte nach wie vor noch rar gesät sind und nicht selten noch um Akzeptanz kämpfen müssen: denn mit Normalität kann man Wahlen gewinnen, nicht nur in Hannover, Bonn und Walzbachtal. Leitartikel Meinung
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