Obergrenze halbiert
Netto-Fluchtmigration deutlich weniger als Vorgegeben
Die Obergrenze von 200.000 Personen wird der Bundesregierung zufolge auch 2019 deutlich unterschritten. Bereinigt man die Zahl, ist die Netto-Einwanderung sogar weit unter 100.000 Personen. Die Linke fordert ein Ende des Panikmodus‘.
Donnerstag, 05.09.2019, 5:25 Uhr|zuletzt aktualisiert: Dienstag, 10.09.2019, 17:30 Uhr Lesedauer: 2 Minuten |
Nach einem langen und erbittert geführten Streit einigte sich die große Koalition im Oktober 2017 auf die sogenannte Obergrenze. Danach sollte die Zahl der in Deutschland aufzunehmenden Menschen die Grenze von 200.000 pro Jahr nicht überschreiten. Das Thema hatte ganz Deutschland über Monate beschäftigt und gespalten. Experten warnten, die hysterisch geführte und populistisch aufgeladene Debatte spiele der AfD in die Hände. Die Opposition warf Bundesinnenminister Horst Seehofer Populismus vor. Er operiere mit falschen Zahlen und schüre Angst.
Tatsächlich behauptete Seehofer noch im Juni 2018, es sei damit zu rechnen, dass der im Koalitionsvertrag vereinbarte „Korridor für die jährliche Zuwanderung nach Deutschland in Höhe von 180.000 bis 220.000 Personen … in diesem Jahr erreicht oder sogar überschritten werden“ könnte.
Bereinigte Zahl unter 100.000
Wie die Bundesregierung in einer Antwort auf eine parlamentarische Anfrage der Linksfraktion einräumt muss (liegt dem MiGAZIN vor), bliebt die Einwanderungszahl im vergangenen Jahr mit 159.000 weit unterhalb der Obergrenze. Die Prognose für 2019 beziffert die Bundesregierung sogar auf 140.000 bis 150.000 bei einer Halbjahresbilanz von 68.600 Einwanderungen.
Bei genauer Betrachtung erweist sich auch diese Zahl als zu hoch. Bei etwa 20 Prozent der formell registrierten Asylsuchenden handelt es sich um in Deutschland geborene Kinder von Asylsuchenden. Sie sind im Wortsinn gar nicht zugewandert. Auf das Jahr hochgerechnet sind das ca. 31.000 Personen. Nicht mitberücksichtigt sind zudem freiwillige Ausreisen oder Doppelzählungen. Bereinigt man die Zahl des Ministeriums um diese Faktoren ergibt sich im Kontext der Fluchtmigration eine Netto-Einwanderungsprognose von weit unter 100.000 Personen.
Jelpke: Panikmodus verlassen
Angesichts dieser Zahlen fordert Innenpolitikerin Ulla Jelpke (Die Linke), den „Panikmodus“ in der Asylpolitik zu verlassen. „Statt unbarmherzig immer mehr Abschiebungen einzufordern, brauchen wir im Gegenteil mehr Humanität im Umgang mit Geflüchteten und effektive Bleiberechtsregelungen für die Menschen, die bereits länger im Land leben“, so die Linkspolitikerin.
Selbst nach den „engherzigen Kriterien der CSU-Hardliner“ verfüge Deutschland derzeit über große humanitäre Aufnahmekapazitäten. Diese sollten genutzt werden. „Handlungsbedarf gibt es genug: bei der Aufnahme von aus Seenot geretteten Flüchtlingen, bei der Übernahme von Schutzsuchenden aus überforderten Erstaufnahmeländern, bei der Wiederherstellung des Rechts auf Familiennachzug für subsidiär Geschützte und hinsichtlich einer humanitären Bleiberechtsregelung, etwa auch für afghanische Flüchtlinge“, erklärt Jelpke. (es) Leitartikel Politik
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