Obergrenze
Union einigt sich auf Regelwerk für Einwanderung
Fast zwei Jahre stritten sich CDU und CSU um eine gemeinsame Haltung zur Migrationspolitik. Mit dem Kompromiss ist der Weg frei für Sondierungsgespräche mit FDP und Grünen. Doch Widerstand kündigt sich bereits an.
Dienstag, 10.10.2017, 6:25 Uhr|zuletzt aktualisiert: Sonntag, 15.10.2017, 20:03 Uhr Lesedauer: 3 Minuten |
Im Streit um eine „Obergrenze“ für Einwanderer haben sich CDU und CSU auf ein gemeinsames Regelwerk zur Migration geeinigt. Man setze damit die Anstrengungen fort, die Zahl der nach Deutschland und nach Europa flüchtenden Menschen nachhaltig und auf Dauer zu reduzieren, sagte Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) am Montag in Berlin. Damit solle sich eine Situation wie 2015 nicht wiederholen. Während sich die EU-Kommission positiv äußerte, übten Hilfsorganisationen scharfe Kritik.
Im Kern soll die Zahl der in Deutschland aufzunehmenden Menschen die Grenze von 200.000 pro Jahr nicht überschreiten. Zugleich soll das Grundrecht auf Asyl und damit auch die Anforderung, dass jeder Antrag bearbeitet werden muss, gewährleistet werden. Nach den Worten Merkels werde auch der 200.001. Antragsteller ein „ordentliches Verfahren“ bekommen. Muss das gesetzte Ziel nach oben oder unten korrigiert werden, sollen die Bundesregierung und der Bundestag Anpassungen beschließen.
Fachkräftezuwanderungsgesetz geplant
Zudem sollen künftig die Asylverfahren für alle Neuankommenden in sogenannten Entscheidungs- und Rückführungszentren erfolgen. In Zusammenhang mit den Staaten des westlichen Balkans habe man hierzu gute Erfahrungen gemacht, sagte Merkel. Um die Migration in den Arbeitsmarkt zu steuern, ist ein Fachkräftezuwanderungsgesetz geplant.
Unterstützung für den Kurs kommt von der EU-Kommission. „Die Kommission sieht es als extrem positiv an, dass ein Land, das bereits über eine Million Flüchtlinge aufgenommen hat, die Bereitschaft zeigt, weitere 200.000 Personen pro Jahr willkommen zu heißen“, sagte der Chefsprecher der EU-Kommission, Margaritis Schinas, in Brüssel. „Die Kommission und ihr Präsident haben verschiedentlich betont, wie sehr wir die Führungsrolle begrüßen, die Deutschland beim Umgang mit der Flüchtlingskrise gespielt hat.“
Pro Asyl appelliert an Gründe und FDP
Die Einigung ist am Sonntagabend erzielt worden. Der Kompromiss sei eine „sehr, sehr gute Basis“ um in Sondierungen mit FDP und Grüne zu gehen, sagte Merkel. Die Gespräche für eine mögliche Jamaika-Koalition sollen am 18. Oktober beginnen. Der CDU-Vorsitzenden zufolge soll es zunächst Einzelgespräche mit FDP und Grünen geben. Am 20. Oktober folgt dann ein gemeinsames Treffen.
Die Flüchtlingsorganisation Pro Asyl appellierte an Grüne und FDP, dem schärferen Kurs der Union in der Asylpolitik entgegenzutreten. „Das ist ein menschenunwürdiges Geschachere bei dem gesichtswahrend auf Kosten der Schutzbedürftigen eine menschenrechtswidrige Lösung der Öffentlichkeit präsentiert wird,“ sagte der Geschäftsführer von Pro Asyl, Günter Burkhardt. Offenbar wolle die Union auch Hand anlegen an den Zugang zum individuellen Asylrecht an Europas Grenzen.
Amnesty: Schutz von Menschen darf nicht begrenzt werden
Scharfe Kritik erntet das Union-Modell auch von Amnesty International „Der verfassungs- und menschenrechtliche Schutz von Menschen auf der Flucht kann und darf zahlenmäßig nicht begrenzt werden“, erklärte Franziska Vilmar, Expertin für Asylrecht und Asylpolitik bei Amnesty International in Deutschland. „Eine jährliche Aufnahmequote von 200.000 schutzbedürftigen Menschen in Deutschland festzulegen, ist weder mit den Menschenrechten noch den humanitären Verpflichtungen Deutschlands vereinbar.“
Nach Ansicht des Paritätischen Wohlfahrtsverbands sind vor allem Familien von der Regelung betroffen. „Vorschläge wie die Verhinderung des Familiennachzugs oder die dauerhafte Kasernierung in Aufnahmelagern sind mit den Menschenrechten kaum vereinbar“, sagte der Hauptgeschäftsführer des Verbands, Ulrich Schneider.
Grünen und FDP skeptisch
Grünen-Fraktionschef Anton Hofreiter kündigte harte Gespräche an. „Wir stehen für eine humanitäre Flüchtlingspolitik. Im Wahlkampf haben wir besonders für Familiennachzug und legale Fluchtwege gekämpft“, sagte Hofreiter der Rheinischen Post. Beides seien zentrale Elemente einer humanitären, geordneten Flüchtlingspolitik. „Merkel wollte eine Quadratur des Kreises, herausgekommen ist ein Dreieck, ein Formelkompromiss“, sagte Hofreiter.
Auch der FDP-Innenpolitiker Burkhard Hirsch kritisierte den Kompromiss. „Eine Obergrenze für Bürgerkriegsflüchtlinge festzulegen ist Quatsch“, sagte Hirsch dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (Dienstag). Das Asylrecht bleibe unantastbar. Zudem warnte er vor überzogenen Erwartungen und Fehlern bei einem Zuwanderungsgesetz. „Wenn Deutschland als ökonomischer Staubsauger anderen Ländern dringend benötigte Fachkräfte wegnimmt, schaffen wir perspektivisch neue Flüchtlingsströme.“ (epd/mig) Leitartikel Politik
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