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Eheschließung © linh.ngân auf flickr.com (CC 2.0), bearb. MiG

Sprachtest

Deutsch lernen auf Biegen und Brechen – oder: du kommst hier nicht rein

Seit 2007 ist der Sprachnachweis für ausländische Ehegatten Zuzugskriterium. An dieser Regelung sind viele Familien gescheitert. Heute vor vier Jahren wurde eine Härtefallregelung eingeführt - ohne nennenswerte Änderungen für die Betroffenen. Ein Gastbeitrag von Swenja Gerhard

Von Donnerstag, 01.08.2019, 5:24 Uhr|zuletzt aktualisiert: Montag, 05.08.2019, 17:29 Uhr Lesedauer: 4 Minuten  |  

Stellen Sie sich vor, Sie lernen im Ausland die Liebe Ihres Lebens kennen. Sie sind Deutsche oder Deutscher, Ihre Liebste / Liebster kommt aus einem Land außerhalb der Europäischen Union. Sie werden ein Paar und beschließen, auch weiterhin ihr Leben gemeinsam zu verbringen. Liebe überwindet alle Grenzen? Die Praxis zeigt etwas anderes:

Angela (Deutsche) und Gustavo (Dominikaner) lernen sich  kennen und lieben. Sie heiraten und leben jahrelang glücklich zusammen in der Dominikanischen Republik. Dann wird Angela krank und muss zurück nach Deutschland. Aber Gustavo darf seine kranke Frau nicht begleiten. Erst muss er ein Visum zum Ehegattennachzug bei der Deutschen Botschaft beantragen. Und dazu muss er einfache Deutschkenntnisse auf der Stufe A1 GER nachweisen.

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Seit 2007 ist dieser Sprachnachweis ein Zuzugskriterium. Auch beim Nachzug von Ehegatten deutscher Staatsbürger/innen. Angela muss also allein nach Deutschland.

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Gustavo versucht, Deutsch zu lernen. Der erforderliche Sprachnachweis gelingt ihm aber nicht. Er scheitert immer wieder am Deutschtest. Das geht über Jahre. Die Beziehung wird auf die Zerreiprobe gestellt, die psychischen Belastungen sind enorm. Hinzukommen die finanziellen Belastungen für den Deutschunterricht, die Fahrten zur Schule, die Kosten der Tests und der Verdienstausfall. Das Paar kann kein gemeinsames Familienleben führen.

Vor vier Jahren, am 1. August 2015 führte die Bundesregierung, nach einem Urteil des Europäischen Gerichtshofes, eine Härtefallregelung ein, da die Bedingungen des Sprachnachweises im Ausland sonst gegen EU-Recht verstoßen. Danach ist von dem Erfordernis des Nachweises von einfachen Deutschkenntnissen auf der Stufe A1 GER im Einzelfall abzusehen, wenn besondere Umstände des Einzelfalls vorliegen oder Bemühungen zum Erwerb der Deutschkenntnisse nicht möglich oder nicht zumutbar sind.

Ein Lichtblick für Angela und Gustavo? Mitnichten. Angela erfuhr erst in der Beratung, dass es eine Härtefallregelung gibt. Die Informationen sind für Betroffene kaum auffindbar.

Hinzukommt: Das Gesetz verwendet schwammige und ausfüllungsbedürftige Begriffe.

Was ist mit diesen Formulierungen gemeint? Was sind besondere Umstände des Einzelfalls? Wann bzw. ab wann ist Deutschlernen unmöglich? Was bedeutet zumutbar? Spielt die Entfernung zur Sprachschule eine Rolle? Spielt es eine Rolle, ob PC und Internet vorhanden sind? Muss man sich die Sprachschule, den PC, den privaten Sprachlehrer leisten können? Muss man Umziehen und eine Wohnung oder ein Zimmer anmieten können? Was gilt in einem Krisengebiet, was wenn Kinder zu betreuen sind, was wenn die Verkehrswege unzuverlässig sind? Ist es zumutbar die Arbeit aufzugeben, obwohl man nicht weiß wie lange man braucht bis man Deutsch gelernt hat?

Fragen über Fragen, die sich stellen und unbeantwortet bleiben. Vor allem für die Betroffenen.

Gustavo muss nun nachweisen, dass er sich ernsthaft bemüht hat Deutsch zu erlernen. Das gestaltet sich schwierig, denn der Nachweis des Besuchs der Schule reicht der Deutschen Botschaft nicht. Die Bestätigung des Deutschlehrers ist ungenügend. Auch die wiederholte Teilnahme am Sprachtest reicht nicht aus, die Botschaft zu überzeugen. Erst als ein von der Botschaft selbst benannter Arzt feststellt, dass Gustavo nunmehr unter so erheblichem psychischem Druck steht, erhebliche Prüfungsängste entwickelt hat und seine Lern- und Merkfähigkeit entscheidend beeinträchtigt ist, darf er nach Deutschland einreisen.

Die Zeit des Getrenntlebens hat bei dem Paar so große Spuren hinterlassen, dass sich das Paar nach zweijährigem Zusammenleben in Deutschland trennt. Das Beispiel steht für viele andere.

Beziehung zu leben und eine Familie zu gründen ist seit der Einführung des Deutschnachweises für viele Paare enorm erschwert worden. Zahlreiche Paare und Familien müssen eine lange Trennung hinnehmen, bevor sie zusammenleben können. An der langen Trennung, dem psychischen und finanziellen Druck scheitern viele Beziehungen.

Die vor vier Jahren eingeführte Härtefallregelung hat zu keinen Erleichterungen für die Betroffenen geführt. Tausende von Paaren werden weiterhin zwangsweise getrennt, was dem grundrechtlich verankerten Schutz der Familie widerspricht. Der Sprachnachweis soll Integration fördern. Das Gegenteil ist der Fall. Durch die langen Trennungen wird nicht nur ein gemeinsames Familienleben verhindert, die Integration wird dadurch erschwert. Dabei wäre es um ein Vielfaches leichter, im deutschsprachigen Alltagsumfeld die Sprachkenntnisse zu erwerben. Ohne erzwungene Trennung, ohne psychische Belastungen. Die vor vier Jahren eingeführte Härtefallregelung hat nichts gebracht, der Sprachnachweis für den Ehegattennachzug sollte einfach wieder abgeschafft werden. Aktuell Meinung

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  1. cougar sagt:

    In den arabischen Golfstaaten muß man Englisch, nicht Arabisch, können, um sich in Restaurants, mit Taxifahrern usw. zu verständigen. Von all den asiatischen Gastarbeiter wird nicht verlangt, Arabisch zu lernen, und die einheimischen Araber sind stolz darauf, ihr gebrochenes Englisch in der Praxis anwenden zu können.

  2. Ute Plass sagt:

    Der Beitrag zeigt sehr deutlich, wie absurd und inhuman sich diese „Sprachregelung“ für nicht wenige davon Betroffene auswirkt.
    Auch der folgende Artikel verweist darauf:
    https://www.deutschlandfunkkultur.de/jesiden-in-tuebingen-kein-neuanfang-fuer-alle.1001.de.html?dram:article_id=455387